Kölner Aktivist Kurt HollEin Leben als Berufsrevolutionär

Kurt Holl beim Protest im ehemaligen Folterkeller der Gestapo im El-De-Haus.
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Köln – Was Kurt Holl antrieb, war sein Bewusstsein für Ungerechtigkeit und das konsequente Eintreten dagegen, sagten dessen Söhne Hannes Loh und Benjamin Küsters. Sie waren Teil einer bewegenden Lesung aus der Autobiografie des Kölner Lehrers, Aktivisten und Querdenkers Kurt Holl im EL-DE-Haus.
Die Söhne hatten den Abend sehr persönlich gestaltet und viel von ihrer Verbindung zum Vater, dem „unbequemen Kölner“ berichtet. Sie waren es auch, die nach dem Tod Holls in seinem Büro „und Lebensmittelpunkt“ in seiner Wohnung am Friesenwall ein „offenes Erbe“ entdeckten, wie Loh es formulierte: Tausende Bücher, Aufzeichnungen und Computerdateien von Projekten seines Lebens. Dieser „lebendige Fußabdruck der 1968er-Zeit in Köln“ habe ihn und seinen Bruder darauf gebracht, die von Holl begonnenen, aber unvollendeten Memoiren mit Hilfe des Fredebold-Verlags abzuschließen.
Protest im früheren Gestapo-Gefängnis
Das Datum, an dem das Ergebnis am Mittwoch präsentiert werden sollte und der Ort dafür standen in direktem Zusammenhang mit einem der für Köln wohl wichtigsten Vorhaben des Alternativen Ehrenbürgers der Stadt. Denn: „Kurt Holl war einer der Väter und Mütter dieser Einrichtung“, sagte Werner Jung, der seit 2002 das NS-Dokumentationszentrum am Appellhofplatz leitet. „Am 6. März 1979, vor genau 40 Jahren, schlichen sich Kurt Holl und der Fotograf Gernot Huber in den Keller des EL-DE-Hauses, versteckten sich dort über Nacht und verschafften sich Zugang zu den ehemaligen Zellen der Gestapo“, sagte der Historiker.
„Sie fotografierten die Inschriften der ehemaligen Gefangenen darin und machten öffentlich, dass sich in dem Gebäude wichtige Zeugnisse der Geschichte befinden“, so Jung weiter. Erst dadurch sei die Forderung, in dem ehemaligen Hausgefängnis der Gestapo in Köln eine Gedenkstätte einzurichten, im Stadtrat auf fruchtbaren Boden gefallen. Trotzdem dauerte es bis zur Umsetzung bis 1988.
Vater war SS-Mitglied
In seiner Autobiografie beschreibt Holl seine politischen Aktionen von 1960 bis 2015 und zeigt die Facetten seines Lebens als Berufsrevolutionär auf. Hannes Loh und Benjamin Küsters präsentierten das Buch im EL-DE-Haus nun ergänzt um Fotos von der Jugend bis kurz vor dem unerwarteten Tod ihres Vaters, Interviewausschnitten aus einem Gespräch mit einem Reporter darüber sowie mit Passagen aus einigen der Kapitel, die die Brüder im Wechsel vortrugen. Bei der Auseinandersetzung mit seinem Leben fokussierte sich Holl selbst vor allem auf die NS-Vergangenheit seines Vaters, von der er selbst erst 2005 alle erschreckenden Details erfuhr. Holls Vater war Mitglied einer SS-Einheit, die direkt Heinrich Himmler unterstand.
Die Söhne und der Verlag erweiterten diese umfangreichen Kapitel im Buch um das Wirken Holls in der 68er-Zeit und danach. Etwa seine Protestaktionen gegen „die verhasste Adenauer-Republik, in der Alt-Nazis straffrei blieben“, die Recherchen zu Zwangsarbeitern in Köln oder das Engagement für Roma und Sinti.
„Der Widerstand, die Konsequenz in seinem Handeln, das waren für ihn die Konstanten im Leben“, sagte Loh. Für Holl gab es im Sinne Jean-Paul Sartres immer die Alternative „Nein!“ zu sagen. Werner Jung formulierte es so: „Kurt Holl war im positiven Sinn sein Leben lang ein Aktivist.“ Die 150 Kisten mit dem Nachlass Holls befinden sich nun im EL-DE-Haus.
„Kurt Holl: Ein unbequemer Kölner bis zum Schluss“, 256 Seiten, Edition Fredebold, 22 Euro.
www.editionfredebold.de