Aus für Handwerk in den Veedeln?„Wir wurden in die Enge getrieben“ – Kölner Bäcker fürchten um Zukunft

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Die Bäckerei Probst von außen mit geschlossenen Rollläden.

Die Rollläden der Bäckerei Probst auf der Brüsseler Straße bleiben unten.

Der Familienbetrieb Probst musste seine Bäckerei an der Brüsseler Straße schließen, auch am Griechenmarktviertel fehlt Personal. Gibt es in Köln ein „Bäckersterben“?

Die Rollläden sind geschlossen, die Markise und der „Bäckerei“-Schriftzug verwittert. Nach 27 Jahren mussten Heinz-Josef und Lucia Probst Anfang des Jahres ihre Bäckerei an der Brüsseler Straße schließen. Grund dafür war laut Inhaberehepaar mangelndes Personal im Verkauf. „Wir wurden in die Enge getrieben“, sagt Heinz-Josef Probst. Zuletzt hatte nur noch eine Verkäuferin in der kleinen Filiale gearbeitet, der Laden musste schon mittags schließen; wenn sie krank war, konnte gar nicht geöffnet werden.

Heinz-Joef Probst in seiner Bäckerei im Griechenmarktviertel.

Heinz-Joef Probst in seiner Bäckerei im Griechenmarktviertel.

Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ trifft Probst in der größeren und nun letzten Filiale des Familienunternehmens im Griechenmarktviertel an. Auch hier arbeiten nur noch vier Verkäufer und zwei Aushilfen – „das ist das Minimale an Personal, was geht“, sagt der 65-jährige Bäcker. Sie hätten alles versucht, um Nachwuchs zu finden. Anzeigen in Studentenwohnheimen oder im Internet, auch die Betriebsbörse der Handwerkskammer konnte nicht helfen.

Probst fürchtet, dass kleine Familienunternehmen „wegsterben“

Seit der Coronapandemie sei der Personalmangel „einfach nur irre“, sagt Probst. Junge Leute würden sich nicht mehr für den Beruf als Bäcker oder Bäckereifachverkäufer entscheiden – zu schlecht sei die Bezahlung in dem Gewerbe und auch die Arbeitszeiten würden viele abschrecken. Probst fürchtet, dass kleine Familienunternehmen wie seines in 20 bis 30 Jahren „alle wegsterben“.

Kann man da von „Bäckersterben“ sprechen? Der Begriff kommt im vergangenen Jahrzehnt angesichts der vielen kleinen Traditionsbäckereien, die schließen müssen, immer wieder auf. In Köln schloss 2022 etwa die Bäckerei Schlechtrimen in Kalk – zum 90-jährigen Jubiläum des Handwerksbetriebs. Die Gründe laut Engelbert Schlechtrimen: gestiegene Kosten, schwindende Einnahmen und eine extreme Personalknappheit. Fast ein Jahr später gab Tim Bergheim seinen Laden „Bergheim’s – Die Meisterbäckerei“ in Sülz nach neun Jahren mit ähnlicher Begründung auf.

Engelbert Schlechtrimen lehnt an der Theke in seiner Bäckerei.

Engelbert Schlechtrimen musste seine Bäckerei in Kalk 2022 aufgeben. (Archivfoto)

Zählte die Bäcker-Innung Köln/Rhein-Erft-Kreis 1990 noch 280 backende Mitgliedsbetriebe, sind es heute nur noch 62 – 45 davon mit Hauptstandort Köln. „Die Zahl der Bäckereibetriebe sinkt stetig“, sagt Peter Ropertz, Geschäftsführer der Bäcker-Innung. Als Gründe für diese Entwicklung nennt er hohe Energiekosten und den Bürokratieaufwand, vor allem aber den Rückgang des Bäckernachwuchses. Die Berufe des Fachverkäufers und Bäckers würden zu Unrecht einen schlechten Stand in der Gesellschaft genießen.

Bäcker-Innung: „Bäckersterben“ ist zu drastisch ausgedrückt

Trotzdem empfindet die Bäcker-Innung den Begriff „Bäckersterben“ als zu drastisch. Ropertz sagt: „Es ist Fakt, dass in den letzten Jahren einige Bäckereien schließen mussten und insbesondere Discounter oder aufbackende SB-Läden den handwerklichen Bäckereien durch schiere Anzahl bzw. Verfügbarkeit Konkurrenz machen. Wenn aber künftig die etlichen Bürokratiehürden weniger und das Image der Bäckerberufe ins rechte Licht gerückt werden, sind wir davon überzeugt, dass sich Qualität letztlich durchsetzen wird.“

Sabine Newrzella von der in Köln-Heimersdorf und Weidenpesch beheimateten Bäckerei Newzella bezeichnet den Rückgang der Zahl der Auszubildenden als „katastrophal“. In Bestzeiten habe das Familienunternehmen noch 15 Auszubildende im Verkauf gleichzeitig gehabt, heute sieht das anders aus. Auch in der Backstube werde der einzige Auszubildende im Sommer fertig – neue Bewerbungen gebe es bisher nicht. Über Personalmangel könne „Newzella“ trotzdem nicht klagen. Quereinsteiger und Studierende würden die fehlenden Auszubildenden ausgleichen.

Bei „Prôt“ muss niemand nachts arbeiten

Alexander Onasch erregt mit seiner 2019 eröffneten Bäckerei „Prôt“ im Belgischen Viertel Aufmerksamkeit. Denn Onasch kann im Gegensatz zum Trend nicht über Personalmangel klagen. Diese Woche habe er etwa einen neuen Praktikanten, der auch an einer Ausbildung ab Herbst interessiert sei. Aber warum? „Das Interesse bei jungen Leuten ist da, aber die Arbeitszeiten sind einfach nicht attraktiv“, sagt Onasch.

Alexander Onasch in seiner Backstube, umgeben von mehreren Blechen mit Brot.

Alexander Onasch bereitet seinen Brotteig nachmittags statt nachts vor und muss ihn morgens nur backen. (Archivfoto)

Bei ihm sieht das anders aus: Statt um zwei Uhr nachts beginnt er seinen Arbeitstag erst gegen fünf Uhr morgens. Seine Teige macht er am Tag, über Nacht ruhen sie in der Kühlkammer und müssen morgens nur gebacken werden. Für Betriebe mit einem größeren Sortiment, Onasch backt nur acht Brotsorten, sei dieses System aber kaum umsetzbar.

Das sagt auch Heinz-Josef Probst. Was aus seiner ehemaligen Filiale in der Brüsseler Straße nun wird, wisse er nicht. Wenn er irgendwann seinen Laden im Griechenmarktviertel aufgeben muss, werde dort wahrscheinlich eine größere Bäckereikette einziehen – Anfragen gebe es bereits. Denn auch wenn er noch so lange wie möglich durchhalten wolle: „Es wird in absehbarer Zeit auch hier so weit sein.“

Nicht nur die Zahl der Verkäufer ist zu knapp, einen Nachfolger kann er auch nicht finden. „Ich mache den Job wirklich gerne, aber irgendwann reicht es.“ Die vergangenen Jahre seien sehr stressig gewesen, er wünsche sich endlich mal wieder einen Urlaub mit seiner Frau. Trotzdem: „Wenn wir hier mal schließen müssen, würde mir das wirklich wehtun.“

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