Im Interview spricht Organisatorin Anja Fahlenkamp über das Konzept des Festivals.
Kölner Festival der Religionen„Wir missionieren nicht. Aber wir zeigen Religion in ihrer Vielfalt“

Janan Almasi mit einer Sema-Tanzdarbietung beim Festival der Religionen
Copyright: Nathan Dreessen
Frau Fahlenkamp, das „Festival der Religionen“ präsentiert Musik und Tanz aus unterschiedlichen Kulturen. Was ist der Mehrwert zu einem Multikulti-Programm?
Anja Fahlenkamp: Zunächst: Wir missionieren nicht. Aber wir zeigen Religion in ihrer Vielfalt und werben dafür, religiöse Identitäten zu normalisieren und Vertreter von Religionen zu vermenschlichen.
Normalisieren und vermenschlichen - muss man das?
Wie polarisierend das Thema Religion ist und wie polarisierend Menschen mit religiöser Identität wirken oder auch wahrgenommen werden, erleben wir doch ständig. Religion wird auch missbraucht für politische Zwecke. Oder es werden Ängste geschürt vor Menschen mit religiöser Identität. Dem wollen wir entgegentreten. Nur weil jemandem Religion in seinem Leben etwas bedeutet, muss es sich nicht um einen bösen Menschen handeln.

Anja Fahlenkamp von der Initiative Faiths in Tune, Organisatorin des Festivals der Religionen
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Glück gehabt! Aber wie zeigen Sie das auf dem Festival?
Wir kombinieren die Konzerte und Tanzdarbietungen mit Workshops und einem Markt der Vielfalt, in denen Vertreterinnen und Vertreter von Religionen Rede und Antwort stehen.
Das sind bei weitem mehr als nur die großen Weltreligionen. Welchen Begriff von Religion legen Sie zugrunde?
Meine Aufgabe als künstlerische Kuratorin ist es nicht, Gottesbilder oder Glaubensinhalte zu prüfen. Das könnte ich auch gar nicht. Bei uns dürfen sich alle spirituellen Gemeinschaften präsentieren, die auf dem Boden des Grundgesetzes stehen und sich friedlich betätigen. Keinen Platz bieten wir Gruppen, die vom Verfassungsschutz als gefährlich oder sektenartig eingestuft werden.
Scientology zum Beispiel …
… haben wir nicht dabei. Wir würden aber auch keine Musikgruppe auftreten lassen, die beim israelfeindlichen Al-Quds-Marsch mitmischt.
Beim Festival am Sonntag soll es ausdrücklich auch um Demokratieförderung gehen. Wie schlagen Sie da die Brücke von und zu den Religionen?
Einerseits über die Frage: Was muss eine Demokratie leisten, um religiöse Minderheiten zu schützen? Welchen positiven Beitrag für die Gesellschaft leistet hier die Trennung von Staat und Religion – etwa durch die Gewährleistung von weltanschaulicher Neutralität und zugleich Pluralität? Andererseits fragen wir natürlich auch, was die Religionsgemeinschaften ihrerseits dazu beitragen, unsere Demokratie zu stärken und sie resilienter zu machen.
Nämlich?
Ich denke an Wertevermittlung, an den Sinn für Gemeinschaft, Solidarität, Fürsorge und auch an die Stärkung des Nachhaltigkeitsgedankens. Gerade aus der rechtspopulistischen Ecke werden auch religiöse Minderheiten massiv angegriffen. Umso wichtiger ist hier der Schulterschluss der Demokraten, der religiös gesinnten wie der konfessionslosen, weil Minderheitenschutz im gemeinsamen Interesse aller liegt.

Sufizentrum Rabbaniya / Drehende Derwische beim Festival der Religionen
Copyright: Nathan Dreessen
Es sind Ihnen aber auch Gäste willkommen, die einfach nur Freude an Musik und Tanz haben?
Ja. Auf dem Festival sind einerseits Musik und Tanz zu erleben, die Teil religiöser Praxis sind - etwa Mantra-Rezitationen oder der spirituelle Tanz der drehenden Derwische.
Und aus der christlichen Tradition gregorianischer Choral und Posaunenchor?
Gregorianik hatten wir tatsächlich im vorigen Jahr. Dieses Jahr ist der Jugendchor Sankt Stephan aus Köln zum Festivalabschluss mit dabei. Aber auch zwei indische Performances, die biblische Geschichten in Tanz umsetzen. Andere Beiträge sind nicht unmittelbar religiös, kommen aber aus einer religiös geprägten kulturellen Tradition. Wir haben eine Band mit Klezmer-Musik dabei und einen Reggae-Künstler auf der Spur der Rastafari-Bewegung. Das Schöne daran ist die Vielfalt – schon innerhalb der Religionen selbst. Christliche Identität, muslimische, jüdische Identität klingt eben nicht überall gleich.
Zur Person - Das Festival
Anja Fahlenkamp, geb. 1990, ist Politikwissenschaftlerin und arbeitet seit 2017 im Auswärtigen Amt, aktuell als Referentin an der Botschaft London. Seit 2011 organisiert die Gründerin der gemeinnützigen Initiative „Faiths in Tune“ interreligiöse Musikfestivals, Konzerte, Workshops und Jugendaustausche. Fahlenkamp gehört mehreren internationalen Netzwerken an und wurde für ihr interreligiöses Engagement mehrfach ausgezeichnet.
4. Festival der Religionen, Sonntag, 4. Mai, von 12 bis 20 Uhr im Bürgerhaus Stollwerck, Dreikönigenstraße 23, 50678 Köln. Eintritt frei.
Das Festival der Religionen findet statt in Kooperation der Initiative „Faiths in tune“ und des „Sommerblut“ Festivals. Weitere Informationen gibt es hier.