„Größte Görlband der Welt“Kölner Frauenchor feiert Einjähriges – wie sich 132 Sängerinnen organisieren

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Der Chor steht im Halbkreis um den Chorleiter herum.

Zu Gast bei den Proben der Veedelperlen in Köln. Constantin Gold (r.) leitet den Chor an.

Seit rund einem Jahr gibt es die Veedelperlen. Wie sich 132 Sängerinnen gefunden haben, bekannt wurden und mit Klischees brechen.

Wo die Veedelperlen auftreten, muss die Bühne nicht nur groß sein, sie muss auch statisch eine Menge Leute aushalten. Der Kölner Frauenchor, der sich selbst „Größte Görlband der Welt“ nennt, hat 132 Mitglieder. Vor rund einem Jahr postete der Chor bei Instagram das erste Bild auf dem eigenen Profil: „Pssst Kölle, hier perlt sich was zusammen“, hieß es Ende Mai 2022.

Seitdem ist viel passiert: Auftritte beim Gamescom-City-Festival auf den Kölner Ringen, bei Jeck im Sunnesching und bei der Halbzeit der Frauen des 1. FC Köln im Stadion, ein eigenes Musikvideo, Gastauftritte bei Liedern von Bosse und Mo-Torres und die erste eigene Veedeltour, die derzeit läuft – um nur einige Highlights zu nennen.

„Die Veedelperlen sind ein Chor mit einer wahnsinnigen Energie. Wir stehen, je nach Gegebenheiten und Bühnengröße, mit einer Band aus Drums, Bass, Klavier, Saxofon und Gitarre auf der Bühne, was bei anderen Chören nicht der Fall ist“, sagt Chorleiter Constantin Gold. „Die Perlen haben Eventcharakter: Uns kann man in den Club stellen, in den Park, ins Studio, aufs Fußballfeld – wir sind vielfältig.“ Der Musiker ist auch der Chorleiter der Kölner Grüngürtelrosen, ein reiner Männerchor, der aktuell regelmäßig bei Fensterkonzerten am Gaffel am Dom zu hören ist. Doch vergleichen will er die Chöre nicht, jeder verdiene seine eigene Bühne.

Veedelperlen sind gut gebucht – auch Mo-Torres fragte sie für einen neuen Song an

Gezielt auf Frauen gesetzt hat Sänger Mo-Torres. Die Veedelperlen werden auf seinem neuem Album „Heute war alles besser“ zu hören sein, das im August rauskommt: „Ich habe für einen Song einen Chor gesucht, der Kneipenvibe hat. Ich bin sehr glücklich, dass sie Teil eines Songs geworden sind, das gibt ihm eine Farbe“, erzählt der Sänger, als er die Veedelperlen bei der Probe besucht.

24.05.2023
Köln
Vorstellung des Chor „Veedelperlen“.
Musikalischer Leiter Constantin Gold mit Mo-Torres
Foto: Martina Goyert

Veedelperlen-Chorleiter Constantin Gold (l.) mit Sänger Mo-Torres

Die Idee, einen Frauenchor in Köln zu gründen, entstand, als einige der Gründungsmitglieder 2021 in einer Kneipe anfingen, mit einer kleinen Musikbox in der Mitte der Tanzfläche zusammen zu singen. Eine kannte – wie das in der Musikbranche so ist – Constantin Gold. Schnell geisterte ein Aufruf für die neue Görlband durchs Netz. Zwischenzeitlich kamen 160 Frauen zur Probe.

Kölner Veedelperlen erhielten enormen Ansturm an Mitgliedern

132 Veedelperlen findet man heute in der gemeinsamen WhatsApp-Gruppe, Frauen zwischen 20 und  50 Jahren aus Köln und Umgebung. Und das wird auch erstmal so bleiben, mindestens bis 2024. Schon im Juli 2022 hieß es auf der Internetseite von Constantin Gold: „Ich erhalte aktuell viele Anfragen für die Veedelperlen. So leid es mir tut, aber ich muss den Anfragen leider eine Absage erteilen.“

Ein Portrait von Diana Schulz

Diana Schulz unterstützt bei der musikalischen Leitung des Chors.

Doch woher kommt diese Begeisterung für das gemeinsame Singen und dieser Ansturm, den längst nicht jeder Chor für sich verzeichnen kann? „Ich denke, was uns ausmacht, ist, dass wir eine sehr heterogene Gruppe sind. Einige Sängerinnen singen auch professionell und bringen viel Erfahrung mit, andere haben vorher noch nie gesungen und hatten einfach Lust darauf, gemeinsam was zu starten“, so Diana Schulz. Die 32-Jährige aus Langerwehe übernimmt, wenn Chorleiter Constantin Gold bei den Proben mal nicht dabei sein kann.

„Wir merken, dass sich unsere Euphorie auch auf Veranstalter und das Publikum überträgt. Wir wollen gemeinsam gute Laune versprühen und Spaß haben, uns aber musikalisch auch weiter entwickeln“, betont sie. Denn bei so vielen Leuten solle auch die Disziplin nicht zu kurz kommen. Daran ändert auch das Kölsch nichts, dass bei den Proben im Kölner Grüngürtel in zahlreichen Kästen am Rand steht. Einmal die Woche wird sich im Quäker Nachbarschaftsheim für zwei Stunden getroffen.

Aus dem gemeinsamen Singen entstanden Freundschaften

So langsam kennen sich auch alle Frauen beim Vornamen, heißt es, längst kein einfaches Unterfangen bei so vielen. „Natürlich machen wir in erster Linie Musik zusammen, aber es ist mehr als das. Das Leben von allen hat sich verändert, du hast jetzt viel mehr Leute, mit denen du dich treffen, zum Sport gehen oder die du mal nach Hilfe fragen kannst“, betont Darinka Dietermann, die zum Eventteam des Chors gehört.

Portrait von Darinka Dietermann.

Darinka Dietermann gehört zum Eventteam des Chors.

„Wir sind nicht der klassische Hühnerhaufen, der zusammenkommt und sich nur zofft. Wir sind eine Ansammlung von cleveren und überraschenden Frauen und ich finde cool, was wir schon alles zusammen erreicht haben. Das hätte man alleine nie erlebt“, fügt Schulz hinzu.

Veedelperlen: Kölner Frauenchor räumt mit Klischees auf

„Leider ist sowas immer noch keine Selbstverständlichkeit, dass 132 selbstbestimmte, emanzipierte Frauen sichtbar sind, vor allem in der Karnevalswelt, der Musikbranche und auch auf den Festivalbühnen“, findet Dietermann. „Einige haben uns auch nicht zugetraut, dass das so lange mit uns gutgeht. Das war mal das Feedback bei einem Kneipenauftritt. Aber wenn es mal zu Unstimmigkeiten kommt, dann nicht, weil wir Frauen sind, sondern Individuen.“

Die Veedelperlen haben „Bock, mit dem klassischen Frauenbild zu brechen“ und machen sich auch gerne mal zur „Horstin“, sagt Schulz. Hauptsache, es macht Spaß und entertaint. Die Perlen haben sich in Gruppen aufgeteilt, so trägt jede auf ihre Weise etwas zum Erfolg und zur Organisation der großen Truppe bei. Es gibt zum Beispiel auch ein Social-Media-Team, ein Team, das die Auftritte arrangiert, oder sich um die Musikauswahl oder die Choreos kümmert.

Kölner Veedelperlen singen deutschen und englischen Pop

Musikalisch fühlen sich die Veedelperlen mit deutschem und englischem Pop wohl, aber sie performen auch karnevalistische und kölsche Songs. Zu ihrem Stammrepertoire gehören Songs von Beyoncé, Lady Gaga, Rihanna oder AnnenMayKantereit, aber auch welche von den Höhnern, den Beer Bitches und Kempes Feinest. Zu den Lieblingsliedern gehört der Song „Diese Welt braucht Liebe“ von Nico Suave und „Schön genug“ von Haller. Viele Songs werden in Medleys und Mash-ups ausschnittweise aneinandergereiht und gesungen.

Auch kleine Choreos und Solo-Parts gehören zur Show. An der ein oder anderen Stelle können bekannte kölsche Songs auch schon mal überraschend klingen, dann etwa, wenn es nicht „Leev Marie, ich bin kein Mann für eine Nacht“, sondern „Leeven Jupp, ich bin kein Fott für eine Nacht“ heißt. Und bei so manchem Karnevalssong mussten sie auch nicht nur den Text, sondern auch die Tonart anpassen: „Manchmal ist es schwierig, nur mit Frauenstimmen so Knallersongs mitzusingen, die für Männerstimmen komponiert sind“, erklärt Schulz. Doch das soll kein Problem sein, dass 132 Frauen und ein Mann nicht lösen könnten.


Wer die Veedelperlen einmal live sehen möchte, kann dies am Sonntag, 11. Juni, um 15 Uhr, beim nächsten Auftritt auf ihrer Veedeltour in Ehrenfeld, Leo-Amann-Park am Bürgerzentrum, tun.

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