Kommt die Stornogebühr?Kölner Gastronomen ärgern sich über „Geister-Reservierungen“

Lesezeit 6 Minuten
Henne Köln

Die „Henne“ in der Pfeilstraße in Köln (Archivbild)

  • Mal eben schnell einen Tisch reserviert und dann doch nicht wahrgenommen: Viele Gastronomen ärgern sich und leiden darunter. Ist eine Stornogebühr die Lösung? Wir haben verschiedene Gastronomen nach ihrer Meinung gefragt.

Köln – Eine Unsitte greift immer mehr um sich: Anrufer reservieren in einem Restaurant Plätze – teilweise sogar in mehreren gleichzeitig – und erscheinen nicht. Mit der Einführung einer Storno-Gebühr tut sich mancher Gastronom jedoch schwer.

Als am Samstag um 18 Uhr im Restaurant „Neo/biota“ das Telefon klingelte und ein Gast erklärte, er brauche den für 19 Uhr reservierten Vierertisch nicht, konnte Erik Scheffler dem Anrufer zumindest ein gewisses Maß an Anstand attestieren. Das gelang ihm tags zuvor nicht. Denn da hatte es der Reservierer nicht einmal für nötig befunden abzusagen.

Jeder nicht besetzte Tisch – zumal am Wochenende – trifft Scheffler hart, denn er hat nur 24 Plätze. Der Kölner Koch, der das Lokal mit seiner Kollegin Sonja Baumann betreibt, hat es auch schon schlimmer erlebt: Neulich saßen an einem Samstag, als alle Plätze reserviert waren, nur vier Gäste im Restaurant. Auf die übrigen 20 wartete man vergeblich.

Neo Biota

Erik Scheffler und Sonja Baumann, die beiden Betreiber des Neo/Biota

Scheffler und Baumann könnten sich eigentlich wie Bolle freuen, da der „Feinschmecker“ ihr im Mai eröffnetes Restaurant jüngst als eine der zehn besten Neueröffnungen in Deutschland gepriesen hat. Nach solch einer Ehrung werde man anders wahrgenommen, meint Scheffler. Die Reservierungen stiegen spürbar, aber leider auch die Zahl der Leute, die nicht aufkreuzten. Das sei besonders ärgerlich, wenn man dafür andere Gäste abgewiesen habe. Der Koch erwägt nun, 2019 eine Storno-Gebühr einzuführen. Und er ist nicht der einzige.

„Es ist eine Katastrophe!“ Hendrik Olfen, der vor ein paar Monaten die Weinbar „Henne“ in der Pfeilstraße eröffnet hat, ärgert sich weniger über den Umsatzausfall als über die Rücksichtslosigkeit der Leute. „Das ist ein Gebaren, das sich nicht gehört, aber in unsere Zeit passt.“ Nach Olfens Erfahrung stecken hinter solchen „Geister-Reservierungen“ jedoch eher Firmen als Privatleute.

Das könnte Sie auch interessieren:

Hört man sich bei anderen Gastronomen um, fällt häufig das Wort „Messegäste“. „Die blättern vorab im Gault Millau, beauftragen die Sekretärin, in drei verschiedenen Lokalen zu reservieren und entscheiden am Tag selbst, worauf sie Bock haben“, formuliert es ein Gastronom, der ungenannt bleiben will.

Dass eine Küche für jede Reservierung Vorbereitungen trifft und der Aufwand gleich bleibt – ob der Gast kommt oder nicht – ist vielen Gästen nicht bewusst. Wirte sprechen deshalb eher von gedankenlosem als von bösartigem Verhalten.

„Es ist der Wahnsinn und hat in letzter Zeit massiv zugenommen“, klagt Thomas Minderop, Sommelier im Restaurant „Aura“ von Luis Dias. Während seiner 40-jährigen Zeit in der Gastronomie habe er „das noch nie erlebt“. Aber was bleibe einem anderes übrig, als all den plötzlich Erkrankten freundlich gute Besserung zu wünschen. Wenn man bei Nichterscheinen Geld verlangte, würde man gleich als Halsabschneider gelten.

Auch André Niedick, Inhaber des Restaurants „Maison Blue“, kennt es, dass Gäste nach einer Reservierung fernbleiben. Dass „ein Panzer durch die Kinderstube gefahren ist“, wie er dieses Verhalten umschreibt, passiere bei ihm gottlob selten. Wenn jemand für mehr als vier Personen reserviere, nehme man dennoch vorab telefonisch Kontakt auf, ob es bei Datum und Personenzahl bleibe.

Das tut auch Roberto Carturan in seinem Sterne-Restaurant „Alfredo“. Nicht bei den 70 Prozent seiner Kundschaft, die Stammgäste und ohnehin zuverlässig seien, sondern bei den übrigen 30 Prozent „checke ich das sicherheitshalber telefonisch“. Aufgrund seiner Kapazität von lediglich zehn Tischen lässt sich Carturan von Firmen, die im größeren Umfang reservieren, vorab eine Anzahlung überweisen und kalkuliert dabei die Hälfte des Menüpreises.

Jan Maier, gemeinsam mit Tobias Becker Betreiber des Sterne-Restaurants „Maibeck“ ärgert bei den sogenannten Geister-Reservierungen vor allem der Umstand, dass dadurch Tische unbesetzt bleiben. Sogenannte No-Show-Rechnungen mache er jedoch nur bei Gruppen geltend. „Wir haben nicht den Plan, Kreditkartennummern einzufordern“, sagt er mit Blick auf den einzelnen Gast. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Restaurants ist diese Option allerdings aufgeführt. Eine erbrachte Leistung in Rechnung zu stellen, stößt nach Maiers Erfahrung beim ausgebliebenen Gast auf großes Unverständnis.

Kreditkartennummer wird abgefragt

Das bestätigt Kölns einziger Zwei-Sterne-Gastronom. „Es ist ein Wunder zu sehen, wie sich Personen plötzlich verändern“, sagt Vincent Moissonnier. Plötzlich heiße es: „Was erlauben Sie sich?“, wenn er die Kreditkartennummer erfrage; ein Akt, der in Frankreich und anderen Ländern längst selbstverständlich sei. Manchmal werde man sogar beschimpft. Moissonnier ärgert sich nach eigenen Worten schwarz darüber, dass seine Frau Lilliane täglich „eine Dreiviertel- bis Stunde am Telefon verbringt“, um sich bestätigen zu lassen, dass der Gast tatsächlich komme.

Moissonnier

Spitzengastronom  Vincent Moissonnier  

„Die Sitten sind grottenschlecht geworden, betont der Restaurantchef und denkt an jenes Kölner Unternehmen, das für elf Personen reserviert und dabei jede Menge Sonderwünsche formuliert habe. Wegen Allergien und anderer Unpässlichkeiten sei im Grunde ein Extra-Menü komponiert worden. „Und dann haben die eine Stunde vorher abgesagt.“ Bei einer Vorbestellung für mehr als sechs Personen, die dann ausbleiben, verlangt der Sterne-Gastronom 120 Euro No-Show-Gebühr. „Dabei wollen wir nicht erziehen, wir wollen nur leben!“

„Wir haben lange diskutiert, wie wir damit umgehen“, erklärt Markus Beus, Marketingleiter des „Excelsior Hotel Ernst“. In beiden Restaurants des Hauses, dem Sternelokal „Taku“ und der „Hanse Stube“, sei im Wesentlichen auf die Gäste Verlass. Dennoch bitte man bei Gruppen ab sechs Personen um die Kreditkartendaten, was in der Hotellerie bei Übernachtungsgästen längst Usus sei.

Gäste, die nicht rechtzeitig oder gar nicht stornieren, sind nicht nur in der Top-Gastronomie ein Ärgernis. Inzwischen sollen auch Brauhäuser No-Show-Gebühren eingeführt haben, allerdings halten sich diese mit Auskünften darüber zurück. „Gaffel am Dom“ will es nach Worten von Pressesprecher Michael Busemann weiterhin unkompliziert handhaben: „Wir halten eine Viertelstunde frei, dann wird wieder besetzt.“ Angesprochen auf eine Storno-Gebühr sagt Alexander Manek: „Viele denken darüber nach, aber sie trauen sich nicht, das durchzuziehen.“ Der Chef vom „Haus Unkelbach“, „Bieresel“ und „Zum alten Brauhaus“ ist dafür, ein Bezahl-System einzuführen. Größe Läden wie seine hätten das Glück, unbesetzte Plätze schnell weitergeben zu können. Das gelinge in einem kleinen Lokal zumal ohne Laufkundschaft nicht und sei deshalb doppelt ärgerlich.

„Diese Gastronomen trifft es besonders hart, und davor sind auch wir nicht gewappnet“, bestätigt Daniel Gottschlich, Inhaber des Sterne-Restaurants „Ox&Klee“. Ihm sei klar, dass man sensibel mit dem Gast umgehen müsse und niemanden bestrafen dürfe, der wirklich krank geworden sei oder einen Unfall hatte. Gleichwohl werde er „wahrscheinlich noch in diesem Jahr“ eine Storno-Gebühr einführen.

Solche Überlegungen lassen Vincent Moissonnier an eine Maßnahme denken, die im Einzelfall wunderbar funktioniert habe. Sein inzwischen verstorbener Landsmann, der TV-Moderator und Koch Jean-Pierre Koffe, habe sich einen Spaß daraus gemacht, um drei Uhr morgens bei Reservierungsgästen, die nicht kamen, anzurufen und freundlich zu fragen: „Möchten Sie Ihren Tisch noch, oder dürfen wir abdecken?“  

KStA abonnieren