Kölner HöhenretterWie sich die schwebenden Lebensretter auf den Ernstfall vorbereiten

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Die Kölner Höhenretter trainieren zweimal pro Woche

Die Kölner Höhenretter trainieren zweimal pro Woche

  • Es sind Momente, in denen es um Menschenleben geht, beispielsweise die Evakuierung der Rhein-Seilbahn im Sommer 2017. Eine Gondel verkeilte sich, 65 Menschen steckten in der Höhe fest.
  • Zu den Kölner Höhenrettern gehören 45 Männer und Frauen. Sie müssen permanent im Training bleiben und im Ernstfall für verschiedene Rettungsszenarien geübt sein.
  • Unser Reporter hat die schwebenden Lebensretter dabei begleitet.

Köln – 90 Sekunden. Mehr Zeit brauchen die fünf Männer nicht, um ihre Arbeitskleidung zu wechseln: lange Unterwäsche, schwarze Sicherheitsschuhe, Handschuhe, rote Hose und Jacke. Dazu Helm und Grundausstattung an fünf Karabinern. 120 Sekunden nach Eingehen des Alarms sitzt die Kölner Höhenrettung im Fahrzeug und rast mit Sirene zum Einsatzort. Jede Sekunde zählt.

Einige Einsätze haben sich den Männern tief in die Erinnerung eingebrannt. So wie die Evakuierungen der Rhein-Seilbahn im Sommer 2017, der größte Einsatz in der Geschichte der Kölner Höhenrettung. Damals verkeilte sich eine Gondel an einem Tragseil. Der Betrieb kam zum Erliegen, 65 Menschen, darunter 20 Kinder, saßen in 40 Metern Höhe fest.

Evakuierung Kölner Rhein-Seilbahn: Alle Höhenretter wurden gebraucht

Guido Krewinkel erinnert sich genau an diesen Tag. Der Höhenretter hatte eigentlich frei, der Anruf erreichte ihn zu Hause. Alle Einsatzkräfte wurden gebraucht, sogar aus anderen Städten wie Aachen und Düsseldorf kamen Kollegen zur Hilfe.

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Krewinkel machte sich auf den Weg. Als er über die Zoobrücke fuhr und zur Seilbahn schaute, bot sich ihm bereits ein beeindruckender Anblick: Fast auf jeder Gondel stand mindestens ein Höhenretter. Hunderte Menschen verfolgten das Geschehen vom Ufer aus, für jede gerettete Person gab es Applaus.

Köln: Fünf Stunden Rettungseinsätze trainieren

Am heutigen Tag können sich die Männer Zeit lassen. Heute ist Übungstag, rund fünf Stunden werden verschiedene Rettungsszenarien simuliert. Christian Diergarten prüft noch einmal seine Gurte und schaukelt mit einem Seil an der Decke, während sich Markus Buth und Stefan Brunk die Jacken überziehen. „Berufsfeuerwehr Köln“ prangt in reflektierenden Buchstaben auf ihren Rücken, dazu am linken Oberarm das Zeichen der Höhenrettung.

Die Atmosphäre ist locker, die Männer lachen. Es ist ein trüber Freitagmorgen, etwa zehn Grad, immerhin kein Regen. Die Gruppe trainiert an der Feuerwehrwache 4, dem Standort der Kölner Höhenrettung an der Äußeren Kanalstraße in Ehrenfeld.

Übung am ehemaligen Schlauchturm der Feuerwache Ehrenfeld – die Höhenretter trainieren dort für ihre Einsätze.

Übung am ehemaligen Schlauchturm der Feuerwache Ehrenfeld – die Höhenretter trainieren dort für ihre Einsätze.

Übungsobjekt ist der gut 20 Meter hohe Schlauchturm. Früher wurden hier Feuerwehrschläuche nach dem Einsatz zum Trocknen aufgehängt, das übernimmt mittlerweile eine Spezialfirma. Seither dient der Turm vor allem als Lager und als Übungsort.

45 ausgebildete Höhenretter in Köln

In Köln gibt es 45 ausgebildete Höhenretter, aufgeteilt in zwei Gruppen, die sich an geraden und ungeraden Tagen mit ihren Schichten abwechseln. Ihren Ursprung nahm die Höhenrettung in der DDR Anfang der 80er Jahre. Damals gab es vermehrt Brände in Hochhäusern, die Feuerwehren waren überfordert. Der Westen griff das Thema erst nach der Wende auf, begann erste Tests mit Seiltechniken und Absturzsicherungen. In Köln gründete sich die Höhenrettung im Januar 1996.

Von Anfang an dabei war Wolfgang Norbel. Der 50-Jährige ist Ausbilder, er überwacht mit Guido Krewinkel die Übung. Das erste Szenario des Tages: Eine Person soll auf einer Trage aus zehn Metern Höhe abgeseilt werden. In der Realität könnte das zum Beispiel ein Kranfahrer sein, der in der Kanzel einen Herzinfarkt erlitten hat.

Training in schwindelnder Höhe

Training in schwindelnder Höhe

Die Höhenretter trainieren zweimal pro Woche, auch an Brücken, Abrissgebäuden, Kränen, Hochhäusern im privaten Besitz oder auf Industriegeländen wie der Müllverbrennungsanlage in Niehl. Zwei bis dreimal im Jahr geht es zusätzlich auf den etwa 150 Meter hohen Kölnturm, auf den Colonius oder – besonders beliebt – auf den Dom.

Planung ist wichtig – potenzielle Gefahren müssen im Vorfeld erkannt werden

Die Männer versammeln sich vor einer weißen Tafel, Christian Diergarten stellt den Ablauf vor. „Wir brauchen oben zwei Fixpunkte“, sagt er und zeichnet die zwei Punkte und den ungefähren Seilverlauf auf. Das schwarze Leitseil, das das Gewicht trägt, soll mit einer elektronischen Winde gezogen werden, dazu ein weißes Sicherungsseil per Hand. Laien können der Besprechung kaum folgen, immer wieder fallen Fachbegriffe. „Sparrow“ und „ID“ für Abseilgeräte, die Winde heißt „Moped“. Inspiriert sind die Namen meist von den Produktbezeichnungen der Hersteller.

Genaue Planung ist wichtig: Jeder Einsatz findet unter anderen Bedingungen statt. Potenzielle Gefahren müssen im Vorfeld erkannt werden. Etwa bei Strommasten die Gefahr durch die Hochspannung oder den Wind auf freiem Feld. Höhenretter sind immer mindestens zweifach gesichert, dennoch bleibt ein Restrisiko. Bei Übungen gilt: Wer nur einfach gesichert ist, muss den anderen ein Frühstück spendieren. Ein Spiel, das die Wachsamkeit schult und auf seine Kollegen achten lässt.

Etwa 25 Einsätze im Jahr in Köln

Ungefähr 100 Mal im Jahr werden die Höhenretter gerufen, tatsächlich gebraucht werden sie in etwa 25 Fällen. Zuletzt mehrten sich Fälle, in denen stark übergewichtige Menschen aus ihren Wohnungen befreit werden mussten. Wenn sie nicht mehr durch die Türen passen oder zu schwer sind, um sie durch das Treppenhaus zu tragen, müssen Wände eingerissen oder die Menschen mit einem Kran aus den Wohnungen geholt werden.

Andere Beispiele sind Bauarbeiter, die in Gruben gestürzt sind, Fensterputzer, deren Gondeln feststecken, Suizidgefährdete, die von Hochhäusern oder Brücken springen wollen, Fallschirmspringer und Paraglider, die in Bäumen hängen geblieben sind.

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Hängt ein Mensch in einer misslichen Lage fest und kann sich nicht genug bewegen, kann nach kurzer Zeit ein „Hängetrauma“ einsetzen: Das Blut sackt in die Beine, Gehirn und andere Organe werden nicht mehr ausreichend versorgt.

Ein vermeintlich einfacher Einsatz kann sich schnell zu einer lebensbedrohlichen Situation entwickeln. Ein hoher psychischer Druck lastet auf den Höhenrettern, häufig erschwert, wenn Menschen verletzt sind oder panisch schreien. Ruhe zu bewahren ist entscheidend.

Damit keine Zeit verloren geht, muss jeder wissen, was er zu tun hat. Auch bei einer Übung: Wolfgang Norbel und Christian Diergarten gehen auf das Gebäude, die drei anderen bleiben auf dem Boden und kontrollieren das Abseilen. Norbel befestigt die Seile ein Stockwerk höher, um die Trage über das Geländer des Balkons heben zu können. Eine Kollegin von den Rettungssanitätern übernimmt die Rolle der Verletzten. Unten befestigen Buth und Krewinkel eine orangenfarbene Trage mit vier Karabinern am Seil. Darin liegt eine Vakuum-Matratze, sie legt sich automatisch eng um die zu rettende Person. Dann aktiviert Buth die elektronische Winde, Brunk sorgt dafür, dass das Sicherungsseil straff bleibt, die Trage fährt nach oben.

Zusätzliche Ausbildung bei der Kölner Berufsfeuerwehr

Die Höhenretter arbeiten für die Berufsfeuerwehr. Die zusätzliche Ausbildung zum Höhenretter erfolgt in einem zweiwöchigen Training. Die Teilnehmer lernen Sicherungsmethoden, erhalten Geräte- und Knotenkunde, üben an immer höheren Gebäuden. Pro Jahr muss jeder Retter mindestens 72 Stunden mit Übungen verbringen. In den kontrollierten Übungen können die Höhenretter neue oder elegante Techniken probieren, im Einsatz wird hingegen stets der schnellste Weg gewählt.

„Das gibt jetzt gleich einen Ruck“, warnt Christian Diergarten, bevor er sich von der Brüstung des Balkons rutschen lässt, neben ihm die Trage mit der Rettungssanitäterin. Er seilt sich mit ihr ab, es ist wichtig, stets bei den zu rettenden Menschen zu sein und mit ihnen zu sprechen. Seine Kollegin ist mit verschiedenfarbigen Gurten auf der Trage gesichert, diese machen es für die Höhenretter leicht, jemanden schnell festzuschnallen. „Moment, der eine Karabiner hat noch eine Querbelastung“, sagt Norbel, und rückt das Seil zurecht, bevor er die Trage über die Brüstung schiebt. Jetzt schweben sie rund zehn Meter über der Erde. Auf Zuruf beginnen die Kollegen unten, sie abzulassen. 20 Sekunden später haben sie es geschafft – Rettung geglückt.

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