„Es herrscht wieder Frieden im Viertel“Deutzer ziehen zum gescheiterten Verkehrsversuch Bilanz

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Zu sehen ist ein sind Autos und Radfahrer auf der Deutzer Freiheit.

Auf der Einkaufsstraße Deutzer Freiheit dürfen seit kurzem wieder Autos fahren.

Anwohner und Passanten haben sich zur wieder befahrbaren Deutzer Freiheit geäußert. Viele kritisieren die Stadt, andere blicken nach vorne.

Die Hupe eines Kleinwagens ertönt, mit einem kurzen Satz springt eine junge Frau am Ende der Deutzer Freiheit in Richtung Kalk hin zurück auf den Bürgersteig. Ein erstickter Aufschrei entfährt der Frau, sie wollte die zentrale Einkaufsstraße in Deutz am Donnerstagmittag mit einer gefüllten Papiertüte überqueren – und hat dabei nach Autos kaum Ausschau gehalten. Bis Mittwoch hätte sie das auch nicht tun müssen. Denn erst seit dem 31. August dürfen private Autos dort wieder fahren.

Der Planung der Stadt Köln zufolge wäre dieser Zustand auch längerfristig erhalten geblieben – doch auf Initiative eines vor Ort ansässigen Friseurs und ihn unterstützende Gewerbetreibende an der Deutzer Freiheit ist der dort über Monate hinweg laufende „Verkehrsversuch“ zur autofreien Straße kürzlich per Gerichtsentscheid beendet worden. Wo zuvor Blumenkübel am Straßenrand aufgestellt waren, befindet sich jetzt an einigen Stellen wieder mehr Parkraum, das zuständige Amt für Verkehr hat am Mittwoch ebenfalls wieder dauerhaft mit Schildern ausgewiesene Be- und Entladezonen für Lieferverkehr eingerichtet und die Kennzeichnungen des Pkw-Verbots entfernt.

Verkehrsteilnehmer wussten lange nicht was noch erlaubt war

„Die Stadt hat eine große Chance verpasst – hat das Projekt schlecht vorbereitet, unprofessionell umgesetzt und nun kläglich beendet“, bewertet Matthias Kastenholz die Entwicklungen auf der zentralen Veedelsmeile am Donnerstag mit knappen Worten. Der 70-Jährige lebt selbst dort und genießt am Rand der Straße gern einen Cappuccino im Außenbereich eines der zahlreichen Cafés mit einem Buch in der Hand. Er hat den Beinahe-Unfall mit Auto und Fußgängerin zuvor von seinem Platz aus einigen Metern weiter die Straße hinab in Richtung Rhein registriert, und schüttelt den Kopf. „Familien mit Kindern, Leute, die einkaufen wollen, oder die, wie ich, gemütlich das Treiben beobachten wollen – für all diese Menschen ist die Deutzer Freiheit jetzt wieder weniger attraktiv“, bilanziert er.

Es habe ein halbes Jahr gedauert, bis vor Ort überhaupt klar gewesen sei, was noch erlaubt und was verboten sei, blickt Kastenholz zurück. „Kaum Kontrollen und auch später, als keine Autos mehr fuhren, sind viele Radfahrer die Straße wie bei der Tour de France entlang gerast“, lautet sein Eindruck. Mit einem Lächeln fügt er hinzu, dass er sich der Stadt als Kontrolleur anbieten würde, sollte ein ähnlicher Verkehrsversuch noch einmal erwogen werden. „Dann würde das funktionieren“, sagt Kastenholz.

Gerichtsentscheidung beendete Streit vieler Anwohner

„Vor allem müssten alle Beteiligten mehr reden und wertschätzender miteinander umgehen“, ist bei einem solchen Szenario die Meinung Massimo Biasio. Das sei nämlich der Grund für das Scheitern des Projekts gewesen, betont der 52 Jahre alte Inhaber der „Kaffeebar“ etwa auf Höhe der Mitte der Deutzer Freiheit. Er habe die Initiative zur Rücknahme der Autofreiheit wie viele andere Gewerbetreibende dort unterstützt, wie er sagt. „Es gibt so viele Optionen. Das Projekt ohne die Interessen der Menschen vor Ort zu berücksichtigen, einfach politisch durchzudrücken, das war der Fehler“, ist Biasio sicher.

Mit der seit Donnerstag neuen-alten Situation vor Ort ist der Geschäftsmann allerdings auch sehr unzufrieden. „Die Erreichbarkeit hat sich dadurch nicht verbessert, es sind an und um die Deutzer Freiheit herum kaum Parkplätze hinzugekommen. Also für keine Seiten eine gute Lösung“, sagt er. Von der Stadt fühle er sich „wie ein Schulkind von oben herab behandelt“, führt er aus. Aber mit der Gerichtsentscheidung sei jetzt wenigstens Klarheit geschaffen und der Streit vieler Anwohner untereinander beendet worden. Biasio: „Es herrscht wieder Frieden im Viertel.“

Auf dem Bild zu sehen ist Manfred Adams aus Köln-Deutz.

Manfred Adams aus Deutz sieht das Ende des Modellversuchs kritisch.

Eben diesen vermisst Manfred Adams ebenfalls, allerdings schon seit 2017, als er mit einigen anderen nach einem Aktionstag, an dem Autos verbannt worden waren, die Gründungsidee für die Bürgerinitiative „Deutzer (Auto)Freiheit“ hatte. Zahlreiche Treffen in der nahegelegenen Kirche für Anwohnerinnen und Anwohnern waren gefolgt, der Austausch über eine „längerfristige Lösung für das Autoproblem“ auf der Deutz Freiheit sei ihm zufolge endlos und „leider immer verbissen“ geführt worden.

Am Donnerstag fährt der 64-jährige Deutzer mit dem Rad die Straße ab, begutachtet, was sich seiner Meinung nach „deutlich ins Schlechte“ verändert hat. „Schade, ich bin gern hierher zum Blumengießen hergefahren und es gab vorher mehr Platz, Ruhe und Sicherheit für die Menschen“, bewertet Manfred Adams das Ende des Modellversuchs kritisch. Seiner Meinung nach sei die geringere Anzahl an Parkplätzen auf der Einkaufsmeile und in den Seitenstraßen der Umgebung das „Zentrale Problem“ für die Leute gewesen, die schließlich gegen das Projekt vorgegangen sind.

Auch Adams lässt keinen Zweifel daran, dass aus seiner Sicht die Stadt die Hauptschuld am Misslingen des „fortschrittlichen Ziels durch fehlerhafte Umsetzung von der Planung bis zur Kommunikation“ trägt. „Wenn man so etwas machen will, muss man auch die richtigen Instrumente kennen und nutzen, damit einem das nicht juristisch um die Ohren fliegt“, hebt der 64 Jahre alte Anwohner hervor, bevor er sich betont umsichtig nach möglichen Autos auf der Straße umblickt. „Das Thema bleibt uns hier aber sicher noch erhalten“, ruft er zum Abschied grüßend noch zurück. Dann radelt er weiter die Deutzer Freiheit entlang, auf der sich so manche Fahrradfahrer, Fußgängerinnen und jetzt auch wieder Pkw die Fahrbahn teilen müssen.

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