Kölns EinkaufsstraßenWeniger Umsatz in der Schildergasse

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Shoppen in der Kölner Innenstadt: die Hohe Straße.

Shoppen in der Kölner Innenstadt: die Hohe Straße.

Innenstadt – Schildergasse und Hohe Straße, ehemals Deutschlands beliebteste Einkaufsmeilen verlieren an Besuchern. Das ist das Ergebnis mehrerer Erhebungen großer Immobilienunternehmen. Die Kölner Initiative Citymarketing ruft nun einen runden Tisch ins Leben, um in den Seitenstraßen der beiden großen Shopping-Straßen, auf denen mittlerweile vor allem große Ketten dominieren, individuelle Einzelhändler anzusiedeln. Wie attraktiv ist die Kölner Innenstadt für Kölner und Touristen noch? Droht in der Innenstadt die große Gleichförmigkeit? Was kann die Stadt tun, um eine bunte Vielfalt zu sichern? Und welche Verantwortung tragen die Immobilienbesitzer? Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Shopping in Köln:

Wie aussagekräftig sind die Studien von Immobilienfirmen wie etwa Jones Lang LaSalle, die regelmäßig ein bundesdeutsches Ranking der beliebtesten Einkaufsstraßen erheben? „Diese Erhebungen sind reine Momentaufnahmen“, sagt Christian Lerch vom Institut für Handelsforschung (IfH) in Köln. Zu einem bestimmten Zeitpunkt werde gemessen, wie viele Menschen etwa über die Schildergasse gehen. Unberücksichtigt blieben etwa das Wetter, das eine nicht unerhebliche Rolle spiele, aber auch, ob in der Stadt ein großes Event stattfindet, das ohnehin viele Menschen in die Stadt gelockt hat. „Wie attraktiv eine Lage wirklich ist“, so Jörg Hamel vom Kölner Einzelhandelsverband, „ließe sich sehr viel besser am Umsatz der Geschäfte ablesen.“ Den legen die großen Ketten für einzelne Filialen allerdings nicht offen.

Welche Rolle spielt mittlerweile der Online-Handel? „Eine große“, so Jörg Hamel vom Einzelhandelsverband. Auch wenn es für Köln noch keine umfassend aussagekräftigen Zahlen gebe, sei der Trend doch erkennbar, dass immer mehr Menschen öfters mal auf einen Bummel durch die Stadt verzichteten und dafür lieber ihre Wunschprodukte im Internet bestellten.

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Woran liegt es, dass sich in den Ia-Lagen überwiegend große Filialisten ansiedeln? Vor allem an den Mieten. In den guten Innenstadtlagen werden monatlich fünfstellige Summen aufgerufen, die sich kaum ein Einzelhändler leisten kann. Zudem entscheidet allein der Immobilienbesitzer, wer in sein Ladenlokal einzieht. „Kaum ein Haus auf der Hohe Straße oder der Schildergasse gehört aber heute noch einer Privatperson“, sagt Thomas Tewes, Hauptgeschäftsführer des Kölner Haus- und Grundbesitzervereins. Internationale Fonds, Banken und Versicherungen, aber auch große Erbengemeinschaften seien mittlerweile die Vermieter, so Tewes. „Da steht vor allem die Rendite im Vordergrund und weniger das Erscheinungsbild der Straße“, so Tewes, der in der Vergangenheit mehrfach versucht hat, mit den Eigentümern Kontakt aufzunehmen, um für mehr Vielfalt bei der Vermietung zu werben – ohne nachhaltigen Erfolg.

Welche Vorteile ergeben sich aus dieser Eigentümerstruktur? „Große Investoren haben die finanziellen Mittel, ganze Gebäudekomplexe zu sanieren und attraktiv und zeitgemäß zu gestalten“, so Thomas Tewes. „Das könnte eine Privatperson nicht stemmen.“

Droht nun die große Gleichförmigkeit in der Innenstadt oder ergeben sich aus der Entwicklung auch Chancen? „Angrenzende Viertel profitieren enorm davon, dass die Mieten in der Innenstadt so hoch sind“, sagt Jörg Hamel vom Einzelhandelsverband. „Kleine Modeboutiquen, die früher auf der Ehrenstraße zu finden waren, siedeln sich jetzt im Belgischen Viertel oder in Ehrenfeld an.“ Das werte die Quartiere auf. Zudem erkennen auch immer mehr Ketten, dass eine zu große Gleichförmigkeit in den Innenstädten auf Dauer auch den eigenen Umsätzen schaden kann. „Unternehmen wie etwa H&M haben mit COS oder Other Stories mittlerweile Untermarken gegründet, die ein gehobeneres Sortiment anbieten, damit eine andere Zielgruppe ansprechen und die Vielfalt in den Innenstädten beleben“, sagt Hansjürgen Heinick, Handelsexperte vom IfH.

Welche Gestaltungsmöglichkeiten hat die Stadt? „Die Verwaltung kann im Rahmen einer Gestaltungs- oder Werbesatzung für ein besseres Erscheinungsbild einer Einkaufsstraße sorgen“, sagt Werner Stüttem vom Stadtentwicklungsamt. Auch die Ansiedlung von Wettbüros, Erotikshops oder Spielhallen kann die Stadt verbieten. Auch bei Neubauten spricht die Stadt mit und kann Ansiedlungen etwa auf der „grünen Wiese“ ganz unterbinden, auch um zu verhindern, dass Kaufkraft aus der Innenstadt abgezogen wird. Ende des Jahres soll der Rat der Stadt zudem ein neues Einzelhandelskonzept verabschieden.

Citymarketing wünscht sich mehr Einzelhändler in den Seitenstraßen von Schildergasse und Hohe Straße. Wie beurteilt eine Geschäftsfrau die Lage dort? Wenn man Stefanie Claude den Begriff „Shoppingmeile Innenstadt“ entgegenhält, kontert sie mit einem Wort: „Katastrophal.“ Die Inhaberin des Wellnessgeschäftes CC Claude zog vor zwei Jahren von den Opernpassagen in die Herzogstraße und bereut den Lokalwechsel an sich kein bisschen. Der Durchgang zur Schildergasse sei jedoch eine Zumutung. „Uringestank, Dreck, da traust du dich kaum durch.“ „Wie soll da ein Seitenstraßeneinzelhandel überleben?“, fragt die Geschäftsfrau, die mit ihrer Schwester auch noch eine Filiale im Rhein-Center Weiden und eine im Hürth-Park betreibt und deswegen auch etwaige Standortvorteile dezentraler Einkaufszentren benennen kann: Erheblich mehr Laufkundschaft und großteils kostenfreie Parkplätze, was angesichts der enorm gestiegenen Parkpreise in der City durchaus zu Buche schlage. Wenn sie sich seit 2005 nicht einen großen Stamm an Kunden aufgebaut hätte – „Leute, die wir persönlich kennen und die uns gezielt aufsuchen“–, wäre es in den Seitenstraßen der großen Einkaufsmeilen äußerst schwierig. „Denn zum Windowshopping kommt man hier nicht hin.“

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