Drachen, Halblinge und MagierSo sieht ein „Pen and Paper“-Abend im „Lost Level“ aus

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Eine Gruppe junger Menschen sitzt an einem Tisch und spielt ein Rollenspiel, vor ihnen liegen Würfel. Eine von ihnen trägt Elfenohren.

Verkleidet sein muss man beim „Pen and Paper“ nicht, hier spielt die Fantasie eine große Rolle. Die Elfenohren wirken trotzdem nicht fehl am Platz.

„Dungeons and Dragons“ dürfte seit der Netflix-Erfolgsserie „Stranger Things“ weit bekannt sein. Eine Kölner Bar bietet Spielrunden an.

Ein Drache kauert geschwächt auf dem Boden, eiserne Ketten fesseln ihn. Über einem Sockel schwebt eine blaue Kugel, sie scheint mit dem Drachen verbunden zu sein – ihm Kraft zu entziehen. Ein alter Magier stolpert die Treppe in den Keller des Turms hinunter: „Befreit ihn nicht, damit verdammt ihr das Dorf!“, ruft er. Aber die Entscheidung ist schon gefällt: Der Drache soll befreit werden.

Natürlich ist da nicht wirklich ein Drache. Und Magier gibt es auch keine. Eigentlich sitzen da nur ganz normale Menschen, gespannt vorgebeugt, die Ellbogen auf die Knie gestützt, in dunkelbraunen Ledersofas um einen Tisch herum. Darauf: eine Menge Würfel mit unterschiedlich vielen Seiten, ein Spielplan und kleine Figuren. Sie hören gespannt Marco Tonne zu, er leitet diese Runde „Dungeons and Dragons“ im „Lost Level“.

Mit den kleinen Figuren wird eine Schlacht im Spiel simuliert.

Mit den kleinen Figuren wird eine Schlacht im Spiel simuliert.

Einmal im Monat wird in der Bar auf der Kyffhäuserstraße „Pen and Paper“ gespielt. Das sind Rollenspiele, bei denen jeder Spieler eine Rolle übernimmt und in dieser Rolle vom Spielleiter durch eine Geschichte geführt wird. Will ein Spieler in der Geschichte etwa einen Angriff auf einen Gegner starten, entscheidet sich sein Erfolg durch den Wurf eines Würfels.

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Bei „Dungeons and Dragons“ wird meist der 20-seitige Würfel geworfen, je höher das Ergebnis, desto besser. „Dungeons and Dragons“ ist eines der bekanntesten „Pen and Paper“, das auch in der Netflix-Serie „Stranger Things“ eine große Rolle spielt. Die erste Version kam 1974 heraus, in Deutschland wurden die Rollenspiele in den 80ern groß. Besonders beliebt ist etwa „Das schwarze Auge“, das auch in der Kölner Bar regelmäßig angeboten wird.

Marco Tonne (links) leite eine Runde "Dungeons and Dragons"

Marco Tonne (links) leite eine Runde „Dungeons and Dragons“.

Tonne spielt schon seit 15 Jahren selbst „Pen and Paper“, seit zwölf Jahren auch als Spielleiter. „Es hat mich einfach nicht mehr losgelassen“, erzählt der 31-Jährige. Mit den Rollenspielen könne man der Realität entgehen und im Gegenteil etwa zu Computerspielen sei es eine sehr gesellige Freizeitbeschäftigung. Eine Runde spielt man meist mit vier bis fünf Personen. Die Spiele, die im „Lost Level“ angeboten werden, dauern etwa zwei bis drei Stunden. Wenn Tonne zuhause mit seinen Freunden spielt, könnten es auch mal zwölf Stunden am Stück sein.

„Pen and Paper“-Rollenspiele können ganz klassisch – wie etwa bei „Dungeons and Dragons“ – in mittelalterlichen Fantasywelten mit Magiern, Drachen und Halblingen spielen. Sie können aber auch in der Harry-Potter-Welt, in der Zukunft oder auch im Hier und Jetzt spielen, erklärt Andreas Malessa. Der 38-Jährige betreibt das „Lost Level“, das bis vor etwa einem Jahr noch als „Meltdown“ bekannt war.

Andreas Malessa betreibt das "lost Level" auf der Kyffhäuserstraße

Andreas Malessa betreibt das „Lost Level“ auf der Kyffhäuserstraße.

2016 öffnete die Bar mit Fokus auf E-Sports, auch heute stehen noch mehrere Spielekonsolen im Raum. Daneben hat sich die Bar aber weiteren „Nerd“-Events geöffnet: Neben dem „Pen and Paper“-Abend, den es seit 2018 gibt, wird auch „Werwolf“, ein weiteres Rollenspiel, gespielt und es gibt ein „Nerdquiz“. Laut Malessa sind das Herzensprojekte, gerade „Pen and Paper“ sei kaum lukrativ. Das liege auch daran, dass es zu wenige ehrenamtliche Spielleiter gebe. So können teils nicht genug Spielerunden für alle Interessierten angeboten werden – und Gäste verlassen das „Lost Level“ enttäuscht wieder.

Wie andere Mainstream-Bars stattdessen Karaoke anzubieten, sei aber trotzdem keine Option. „Nerds sind einfach nette Charaktere“, meint Malessa. Deshalb sollen sie auch weiter die Kernzielgruppe bilden. Dabei sei es mittlerweile auch schwierig zu sagen, was wirklich nerdig ist. „Pen and Paper“ sei 30 Jahre eine Nische gewesen, ein Spiel, das „Nerds im Keller“ spielen. Heute hätten viele Influencer, darunter etwa Gronkh (fast fünf Millionen Abonnenten bei YouTube), eigene Online-Spielrunden.

Zurück zum Drachen: Schnell wird klar, die leuchtende Kugel ist der Schlüssel zur Befreiung des Drachen. Celaena, eine menschliche Kämpferin, schießt mit ihrem Bogen auf die Kugel. Der Pfeil fliegt zielstrebig auf sein Ziel zu, prallt aber ab. Die Abenteurer müssen anders an die Kugel gelangen. Celaena spricht sich mit einem Halbling ab, hievt ihn per Räuberleiter zu der Kugel hoch, er streckt seine Arme danach aus – und die Kugel explodiert. Der Drache ist befreit und streckt seine Flügel aus. Majestätisch fliegt er in die Höhe und davon. Auftrag erfolgreich erledigt.

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