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Eine Nacht mit der Kölner Polizei„Die Zülpicher Straße ist der neue Ring“

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Die Polizei fährt auf der Zülpicher Straße Streife.

Köln – Die Schicht hat gerade begonnen, da gibt Einsatzleiter Christoph Emslander die Marschroute für heute Nacht schon mal vor. „Wir lassen uns nicht die Butter vom Brot nehmen“, sagt er. Ebenso unaufgeregt wie klar spricht der heutige Polizeiführer über niedrige Einschreitschwellen und mögliche Gefahren. Vor allem auf der Zülpicher Straße sei wieder mit einem „Scherbenmeer“ zu rechnen: „Also seid bitte vorsichtig!“, sagt er in seiner Ansprache an gut zwei Dutzend Polizisten und einige Mitarbeiter des Ordnungsamts in einem Besprechungsraum in der Inspektion Mitte. Dann wird die Aufteilung für die Nacht besprochen. Je ein Team fährt zu den Clubs am Kaiser-Wilhelm-Ring, auf den Rudolfplatz und zur Zülpicher Straße. Die Mannschaft, die üblicherweise vor der Kölner Bank auf dem Hohenzollernring stand, wird zur Schaafenstraße abgezogen, die sich als die größere „Problemzone“ herauskristallisiert habe, sagt Emslander.

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Eine Frau bietet Polizistinnen und Polizisten auf den Ringen vorübergehenden Regenschutz.

Es ist 23 Uhr, draußen fallen die ersten Tropfen auf die Straße nach einem fantastisch sonnigen Samstag im Spätsommer. Den Polizeibeamten kommt der Regen zupass. Fast alle Einsatzlagen sind deutlich ruhiger, wenn das Wetter ungemütlich ist. „Der Regen spült den Ärger von den Straßen“, sagt einer in die Runde. Kurz berichtet Emslander noch von der gestrigen Nacht, in der er auch schon Einsatzleiter war. Insgesamt war die Innenstadt zwar weniger voll als an anderen Freitagabenden, aber die Stimmung sei „so lala“ gewesen. Bis 3 Uhr sei man „gar nicht zur Ruhe gekommen“. Nun haben auch noch die Clubs offen. „Das könnte sich herumgesprochen haben. Wir können daher mit noch mehr Publikum rechnen“, sagt Emslander. Die Lage ist klar, die Nacht kann beginnen.

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Trotz zwischenzeitlichen Platzregens ist die Zülpicher Straße voll.

Die Ringe und die Zülpicher Straße sind heute tatsächlich so voll wie selbst vor Corona kaum. Die Pandemie scheint vergessen. Gegen Mitternacht ist die Einsatzlage trotzdem ruhig. Die Delikte spielen sich eher im niedrigeren Bereich ab. Die Polizeibeamten der sogenannten „Opari“ (Ordnungspartnerschaft Ringe) fahren zusammen mit dem Ordnungsamt Streife – hauptsächlich auf den Ringen, aber seit dem tödlichen Messerstich vor genau drei Wochen sind sie auch auf der Zülpicher Straße.

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Christoph Emslander ist in dieser Nacht Opari-Einsatzleiter.

Gut 20 Beamte aus verschiedenen Wachen werden in den Wochenendnächten zusammengezogen, dazu Kommissaranwärter und Kräfte der Verkehrspolizei, die unter anderem die Raserszene auf den Ringen und E-Scooter-Fahrer kontrollieren sollen. Alle sprechen in diesen Nächten auf einem eigenen Funkkanal miteinander. Die Bereitschafspolizei unterstützt zusätzlich – und hat durch stabilere Ausrüstung „leichte Vorteile“ etwa auf Straßen, die von Glasscherben bedeckt sind, sagt Emslander, der unter der Woche Dienstgruppenleiter auf der Wache in Weiden ist und turnusgemäß auch „Opari“-Einsätze leitet.

Wildpinkler schlägt und beleidigt Polizisten

Am Freitag hatte allein der Wachdienst gut 100 Einsätze zwischen 23 und 6 Uhr – das ist auch für eine trockene, milde Nacht sehr viel. Um kurz nach 4 Uhr eskalierte etwa die Kontrolle eines Wildpinklers am Zülpicher Platz. Vor den Augen der Beamten urinierte ein 19-Jähriger an die Herz-Jesu-Kirche. Bei der Personalienfeststellung schlug und beleidigte ein 18-Jähriger einen Polizisten. Die Schwester des Wildpinklers versuchte noch mehrmals, ihren Bruder zu befreien. Erst als die Polizei Verstärkung holte, wurde die Situation beruhigt. Am Aachener Weiher, wo Polizisten am vergangenen Wochenende mit Flaschen beworfen worden waren, blieb und bleibt die Lage diesmal ruhig. Die Reiterstaffel war gestern dort im Einsatz und ist es heute wieder. Auch die Ringe sind zwar voll aber zumindest heute Abend so zahm wie selten in den zurückliegenden Wochen.

Landesreiterstaffel Aachener W

Auch die Landesreiterstaffel war schon am Aachener Weiher im Einsatz.

Auf der Zülpicher Straße kann man vor lauter Menschen kaum zu Fuß gehen, ohne irgendwann auf die Straße mit der Schienentrasse ausweichen zu müssen. Auch das ist ein Grund, warum die Straße im Vergleich zu den Ringen weniger stark bestreift wird. Es fehlt schlicht der Platz. Die Mannschaftswagen der Polizei parken gegenüber des Spätis, vor dem wieder Hunderte zusammenstehen. Doch der Regen wird stärker, die Feiernden ziehen sich in die Kneipen und Clubs, unter Bäume und Markisen zurück. Der Alkohol-Pegel steigt spürbar, hörbar und riechbar. Pöbeleien gibt es immer wieder, aber auch das: Ein Notruf wegen Ruhestörung auf der Zülpicher Straße, Samstagnacht gegen 1 Uhr über dem Lokal Stiefel, eine halbe Stunde später noch einmal. Beide Einsätze haben sich schnell erledigt, binden aber für kurze Zeit die Einsatzkräfte.

„Es wird immer schlimmer, immer hemmungsloser und aggressiver“

Trotz allem und vermutlich wegen des Regens bleibt es eine ruhige Nacht für Kölner Nach-Lockdown-Verhältnisse. Das kommt inzwischen immer seltener vor, wie Emslander sagt. „Ich kenne die Zülpicher Straße so vor Corona nicht. Es wird hier immer schlimmer, immer hemmungsloser und aggressiver. Die Zülpicher Straße ist der neue Ring“, sagt er. Auf den Ringen nämlich seien die Einsätze „zum Teil etwas einfacher geworden“. Womöglich verlagert sich das wieder, wenn die Clubs dort mal ein paar Wochen offen sind. So lange aber komme er sich immer wieder vor wie Don Quijote, der gegen die Windmühlen kämpft. „Wenn wir uns bis nach hinten durchgearbeitet haben, fangen wir wieder von vorne an.“

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Um kurz vor 2 Uhr wird ein junger Mann auf der Zülpicher erneut renitent, nachdem er am Freitag schon wegen eines Sexualdelikts auffällig geworden sein soll. Ohne große Gegenwehr lässt er sich mit Kabelbindern fixieren und vorläufig festnehmen. Er gibt Fingerabdrücke ab und macht einen Alkoholtest. Eine Gruppe junger Männer ruft den Beamten noch zu, sie seien „Nazis“, weil sie den dunkelhäutigen Mann auf die Wache mitnehmen. Zufällig spielt sich all das an dem Ort ab, an dem vor drei Wochen der 18-Jährige Joel erstochen wurde. Ein paar Kerzen stehen hier, ein Foto des Opfers, dazu auf Panzerband geschrieben die Hoffnung: „Du bist jetzt an einem besseren Ort“.