Schifffahrt in KölnWie der niedrige Rheinpegel die Energiekrise verschärft

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Rhein Schiff Köln dpa

Ein Frachter fährt auf dem Rhein in Köln, das Niedrigwasser hat Auswirkungen auf die Schifffahrt.

Köln/Düsseldorf – 80 Zentimeter. Das ist die Prognose des Rheinpegels Köln für den kommenden Sonntag. Damit läge die Wasserhöhe zwar immer noch 13 Zentimeter über dem Rekordtief vom 18. Oktober 2018, doch die Folgen für die Schifffahrt auf der wichtigsten deutschen Wasserstraße, auf der 80 Prozent aller Waren des rund 7350 Kilometer langen Wasserstraßennetzes transportiert werden, sind längst spürbar. Aus Sicht von Jens Schwanen, Geschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Binnenschifffahrt (BDB) in Duisburg, verschärft das Niedrigwasser das Gerangel um knappen Schiffsraum in Zeiten von Ukraine-Krieg und Energiekrise. Die wichtigsten Fragen und Antworten zur aktuellen Lage.

Warum gibt es die Engpässe in der Binnenschifffahrt?

Die rund 10.000 Binnenschiffe, die laut BDB in Europa unterwegs sind - rund 2000 davon in Deutschland registriert -, können derzeit nur zum Teil beladen werden. Niedrigwasser wirkt sich auf dem Rhein besonders stark aus, weil der Strom nördlich von Iffezheim in Baden-Württemberg nicht mehr staugeregelt ist und sich der Pegelstand deshalb im Gegensatz zu Mosel, Main und Neckar nicht regulieren lässt.

Was hat das für Folgen?

Zur ohnehin hohen Nachfrage von Industrie, Landwirtschaft und Handel kommen die Kohletransporte, die für das Wiederhochfahren der Kohlekraftwerke nötig sind sowie der Transport ukrainischen Getreides. „Die Zahl der Binnenschiffe ist begrenzt“, sagt BDB-Geschäftsführer Schwanen. „Lkw sind keine Alternative, weil wir viel größere Mengen transportieren. Schon ein 110-Meter-Schiff kann bis zu 3000 Tonnen befördern“, so der BDB-Chef. „Verteilen Sie das mal auf Lkw.“

Und die Bahn?

Diese sei ebenfalls sehr stark nachgefragt, so Schwanen. Zudem herrscht Mangel an Lokführern und an Güterwaggons.

Wie langfristig lassen sich die Pegelstände vorhersagen?

Seit dem Frühsommer bietet die Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) an den drei wichtigsten Pegeln des Rheins (Kaub, Köln und Duisburg-Ruhrort) zweimal pro Woche eine neue Sechs-Wochen-Prognose des Wasserstands und des Abflusses an. Angegeben werden die Wochen-Mittelwerte und eine Einschätzung, wie sicher die Aussagen sind. Überdies wurde die kleinteiligere Vorhersage des Wasserstands für sieben Rheinpegel von zehn auf 14 Tage ausgedehnt.

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Ruderer auf dem Rhein bei niedrigem Pegel bei Köln-Rodenkirchen

Der für den Verkehr auf dem Rhein besonders wichtige Pegel in Kaub wies am Mittwoch einen Stand von 48 Zentimetern aus. Beim Rekordniedrigwasser 2018 lag er bei 25 Zentimetern. „Der Pegel Kaub gilt als Richtpegel zur Beurteilung der Fahrwassertiefen“, sagt Jörg Berz, stellvertretender Leiter des Referats Hydrometrie und Gewässerkundliche Begutachtung bei der BfG.

Für Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) ist mit den neuen Prognosesystemen „ein wesentlicher Handlungspunkt des Aktionsplans Niedrigwasser Rhein erfüllt“. Die Binnenschifffahrt könne die Transporte ab sofort besser planen. „Das ist von großem Wert für die Gesellschaft und den Umgang mit den Folgen des Klimawandels. Denn das Binnenschiff ist elementarer Bestandteil vieler Transportketten. Mit Maßnahmen wie dieser setzen wir uns dafür ein, dass künftig noch mehr Güter auf der Wasserstraße transportiert werden können.“

Sehen das die Binnenschiffer genauso?

Das schon, bestätigt der BDB. Vor allem die Sechs-Wochen-Prognose sei „ein wichtiger Baustein“, um sich auf Niedrigwassersituationen besser vorbereiten zu können. Aber: Auch die Vorhersage könne die „dringend notwendige infrastrukturelle Ertüchtigung des Wasserstraßennetzes“ nicht ersetzen, sagt der BDB-Geschäftsführer.

Wo befinden sich die schlimmsten Engpässe auf dem Rhein?

Es geht vor allem um den Abschnitt im oberen Mittelrheintal zwischen Wiesbaden und St. Goar. Auf dieser sogenannte Gebirgsstrecke ist der Fluss besonders flach. Dort müssten sechs Flachstellen beseitigt werden, um die Fahrrinne von 1,90 Meter auf 2,10 zu vertiefen.

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Bundesverkehrsminister Wissing sagt: „Das ist ein Riesenprojekt.“ Die Fertigstellung dauere bis Anfang der 2030er Jahre. Die Kosten beliefen sich auf rund 180 Millionen Euro, davon etwa 40 Prozent für ökologische Begleitmaßnahmen. „Das ist das Projekt aus dem Bundesverkehrswegeplan mit dem höchsten Kosten-Nutzen-Verhältnis.“

Gibt es weitere Ausbauprojekte für den Rhein?

Auch zwischen Duisburg und Stürzelberg muss die Fahrrinne vertieft werden. „Das ist seit mittlerweile neun Jahren in der Planung“, kritisiert BDB-Geschäftsführer Jens Schwanen. „So wird das nichts mit der Verlagerung von Gütern auf das Wasser und dem Erreichen der Klimaschutzziele.“ Besonders kritisch sieht der Verband die von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) vorgesehene Kürzung des Etats für die Wasserstraßen um rund 360 Millionen Euro ab 2023.

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Das Sürther Bootshaus lag wegen des anhaltenden Niedrigwassers auf dem Trockenen.

„Der Flussausbau findet ab dann bestenfalls verlangsamt statt, Ausschreibungen für diese mehrjährigen Projekte können nicht mehr erfolgen. Und die Großindustrie aus dem Chemie-, Stahl- und Mineralölsektor, die sich gemeinsam mit uns seit dem Jahrhundertniedrigwasser 2018 für einen beschleunigten Flussausbau engagiert, kann noch ein paar Jahre länger auf die Fahrrinnenvertiefung am Rhein warten“, so Schwanen. „Hier muss in den Haushaltsverhandlungen energisch gegengesteuert werden.“

Was sagt der Bundesverkehrsminister dazu?

Sein Haus verweist auf auslaufende Sondereffekte wie das Klimaschutzsofortprogramm, das zusätzliches Geld auch für die Verkehrswege der Binnenschiffer enthielt. 2024 solle der Wasserstraßenetat wieder um rund 260 Millionen auf etwa 1,6 Milliarden Euro steigen.

Hat die Zahl der Niedrigwasserphasen in den vergangenen Jahren zugenommen?

„Niedrigwasserphasen hat es schon immer gegeben“, sagt BfG-Experte Berz. Sie kamen in Deutschland in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (1921, 1947) häufiger vor. Untersuchungen der BfG zeigen für viele Flüsse in Deutschland, dass in früheren Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts häufigere und extremere Niedrigwasser aufgetreten sind. Nach einer längeren Ruhephase habe die Zahl der Niedrigwassersituationen mit Schwerpunkt auf den Sommerhalbjahren seit dem Jahr 2000 wieder zugenommen. Zumindest bis 2015 seien sie auch heftiger ausgefallen. (mit dpa)

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