„Für Mathe braucht man Frustrationstoleranz“Zwei Kölner gewinnen Bundeswettbewerb mit „Sherlock“-Technik

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Zwei Schüler die in die Kamera lächeln.

Philip Trebst (links) und Linus Hillenherms (rechts) haben ein Stipendium der Studienstiftung gewonnen.

Sie gehen noch zur Schule und sind schon erfolgreiche Mathematiker. Zwei junge Kölner erzählen, was sie am Rechnen fasziniert.

Linus Hillenherms und Philip Trebst aus Köln haben etwas gewonnen, was die meisten in ihrem Alter gar nicht kennen. Sie sind die Gewinner des Bundeswettbewerbs Mathematik. Um das zu schaffen, haben sie sich über ein halbes Jahr hinweg mit schwierigen Aufgaben herumgeschlagen und bei einem Auswahlgespräch von sich überzeugen müssen. Der Lohn dafür: ein Stipendium der Studienstiftung des Deutschen Volkes. Dessen Schirmherr ist Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Ihr Erfolgsgeheimnis: der Gedankenpalast.

Kölner Mathe-Profis: Sind hier Genies am Werk?

Linus Hillenherms macht gerade Abitur. An seiner Schule, dem Friedrich-Wilhelm-Gymnasium, ist er in allen Fächern ein Ass. Als Genie will er sich trotzdem nicht bezeichnen. „Man braucht zwar ein Talent, was angeboren ist, aber Erfolge kann man nur verzeichnen, wenn man Arbeit reinsteckt. Für Mathematik braucht man Frustrationstoleranz, und die muss man sich erarbeiten“, sagt der 17-Jährige. Den Wettbewerb hat der Schüler als eine Herausforderung wahrgenommen. An den Aufgaben saß er mehrere Monate.

Während bei den meisten eine Aufgabe Überforderung auslöst, fängt bei ihm der Spaß an. „Ich liebe einfach Knobeln“, sagt Hillenherms und lacht. Der Versuch, seine Gedanken zu ordnen, sei das Wichtigste. „Man muss immer die Gesetzesmäßigkeit, also das Prinzip hinter einer Aufgabe verstehen“, sagt er. Mathe könne er schon lange nicht mehr aus seinem Alltag streichen.

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Kölner Gewinner freut sich auf Besuch des Max-Planck-Instituts

Philip Trebst ist Schüler des Schiller-Gymnasiums. Der 16-Jährige sieht Mathe als einen Anker in seinem Leben. Er entdeckte seine Liebe zum Fach durch die Mathe-Olympiade, ein weiterer Mathe-Wettbewerb für Schüler. Danach kamen Fortbildungen des Landes NRW dazu, die ihm halfen, sein Wissen zu erweitern. Nach dem zweiten Versuch hat es dann auch für den Finaleinzug beim Bundeswettbewerb gereicht. „Ich freue mich über den Gewinn, aber vor allem freue ich mich auf die nächsten Möglichkeiten, zum Beispiel den Besuch im Max-Planck-Institut“, sagt Trebst.

Für die Lösungen der ersten vier Aufgaben, die von Zuhause aus bearbeitet werden, braucht man mehrere Wochen. In der ersten Runde bestand auch die Möglichkeit, im Team mit anderen Teilnehmern zu arbeiten. Trebst hat beim Bearbeiten der Aufgaben aber festgestellt: „Ich arbeite lieber für mich allein, ich finde es so leichter, schneller an Lösungen zu kommen.“ Um die Runden zu bestehen, bedarf es Beweise und Herleitungen für die einzelnen Aufgaben. „Man macht in der Regel andauernd Fehler, die Lösung zu finden ist eher eine Ausnahme“, wirft Hillenherms ein.

Der Gedächtnispalast – dort hat das Genie sein Zuhause

Ein Bild dafür zu finden, wie ein Mathe-Ass denkt, ist schwer. Trebst und Hillenherms vergleichen ihre Denklogik mit dem „Gedankenpalast“. In der britischen Serie „Sherlock“ beschreibt Meisterdetektiv Sherlock Holmes das, was in ihm vorgeht, als einen Gedankenpalast. Eine Metapher für seinen Geist. In diesem kann er wandern und findet in den Räumen die Antworten auf seine Fragen. „Ich habe nur zwei Dinge, die mir helfen, wenn ich eine Aufgabe bearbeite: Intuition und Erfahrung. In meinem Kopf ist die Mathematik nicht so geordnet wie ein Sherlock-Holmes-Gedächtnispalast. Ich habe eher das Glück, zum richtigen Zeitpunkt im richtigen Raum zu stehen, während andere noch im Erdgeschoss sind“, erklärt Hillenherms.

Auch Trebst nimmt eine Art Palast wahr: „Bei mir ist es so: Ich komme, ohne es zu merken, in einen Fokus-Modus. Im Prinzip ist das wie ein innerer Dialog, ich verlasse meine gewohnte Umgebung. Erst später bemerke ich, dass ich überhaupt drin war“, sagt er.

Ich bin ein kleiner Mensch in dieser großen Welt der Mathematik
Linus Hillenherms

Trotz des großen Erfolgs sind beide immer noch normale Schüler, mit normalen Interessen. „Es gibt auch noch andere Dinge als Mathe. Ich spiele zu Beispiel gerne Tischtennis“, sagt Trebst. Auch wenn die Pläne für die Zukunft groß sind, wie etwa ein Mathestudium an der Universität Zürich. Hillenherms sagt: „Ich bin ein kleiner Mensch in dieser großen Welt der Mathematik.“ Die beiden achten darauf, sich nicht zu sehr in ihre Gedankenpaläste zurückzuziehen, sondern ihren Erfolg mit anderen zu teilen.

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