Kölner Seilbahn fährt wieder„Ein bisschen mulmig ist mir jetzt schon“

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Gerd Heynlein mit seinem Enkel Tim

Gerd Heynlein mit seinem Enkel Tim

  • Am 30. Juli 2017 mussten 75 Menschen in einem dramatischen Einsatz aus den Gondel der Kölner Seilbahn befreit werden.
  • Fast zwei Jahre lang stand die Seilbahn still. Die KVB steht nach technischen Verbesserungen voll hinter ihrer Seilbahn. Aber tun das auch die Fahrgäste?
  • Die Nervosität auf allen Seiten vor der Jungfernfahrt war hoch. Die Redaktion hat die ersten Fahrgäste begleitet.

Köln – Es ist vollkommen still in der engen Seilbahnkabine, als sie wippend in die Höhe gleitet. Nur das monotone Rattern des Seilzuges ist zu hören. Dann bricht Michael Tilli die Stille.

„Schon ziemlich laut, dieses Rattern“, sagt er, und seine Freundin Leonie Klendauer ergänzt: „Ein bisschen mulmig ist mir jetzt schon.“ Die beiden Wiesbadener gehören gestern zu den ersten, die nach der knapp zweijährigen Zwangspause der Seilbahn in eine der Gondeln steigen. Nachdem die Seilbahn seit ihrer dramatischen Havarie im Juli 2017 still stand, sind sie gestern nicht die einzigen, die dem Start nervös entgegensehen: Auch die Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) sind vor der Premiere angespannt.

„Aber es war ein toller Ausblick“, sagt Leonie, als die beiden knappe fünf Minuten später auf der Deutzer Rheinseite wieder aus der Gondel steigen. Seilbahn und Besucher haben die Jungfernfahrt bestanden.

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Warum die Seilbahn fast zwei Jahre lang nicht gefahren ist, hatten die beiden erst vor Ort erfahren: Wie sich am 30. Juli 2017 nach heftigem Wind ein loses Seil an einer der Gondeln verfangen hatte und die Seilbahn so zum Not-Stopp brachte. Wie Höhenretter der Feuerwehr danach 75 Menschen in einem dramatischen Einsatz aus ihren Gondeln befreiten. Und dass die KVB als Betreiber danach fast zwei Jahre den Betrieb der Seilbahn eingestellt hatten, um das Unglück aufzuarbeiten. „Abhalten, die Bahn auszuprobieren, tut uns das trotzdem nicht, aber es verunsichert schon etwas“, meint Michael.

Michael Tilli und Leonie Klendauer

Michael Tilli und Leonie Klendauer

Eine gute Stunde zuvor. Auch hier ist es merkwürdig still. Im Seilbahnhof nahe des Zoos haben sich Verantwortliche der KVB versammelt, um den Betrieb öffentlichkeitswirksam freizugeben. Ihre Anspannung ist mit Händen zu greifen. Ein KVB-Sprecher zupft an seiner Krawatte, bevor er sagt: „Natürlich sind wir nervös. Es muss heute alles perfekt werden.“

Die allererste Gondel fährt ein in den Bahnhof, heraus steigt KVB-Vorstand Jörn Schwarze gemeinsam mit den technischen Leitern der Bahn. Ein Symbol, das zeigen soll: Die KVB stehen trotz der beiden Unglücksfälle voll hinter ihrer Seilbahn. „Wir dürfen und wollen keine weitere Havarie mehr haben, auch wenn man das technisch nicht zu 100 Prozent ausschließen kann“, sagt Schwarze dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

In den Gondeln hängen rote Notfalltelefone in Beuteln, mit denen Fahrgäste Kontakt zur Leitstelle aufnehmen können.

In den Gondeln hängen rote Notfalltelefone in Beuteln, mit denen Fahrgäste Kontakt zur Leitstelle aufnehmen können.

Trotzdem haben die Verantwortlichen über Monate an einem neuen Sicherheitskonzept gefeilt, vor zwei Wochen sogar mit Höhenrettern der Feuerwehr den Notfall geprobt (wir berichteten). Lange war deshalb unklar, wann die Seilbahn wieder in Betrieb gehen kann. In den Gondeln hängen bis zum geplanten Einbau eines Funksystems nun rote Notfalltelefone in Beuteln von der Decke herab, mit denen Fahrgäste Kontakt zur Leitstelle der Bahn aufnehmen können, außerdem soll der Betrieb bei starkem Wind nun wesentlich früher gestoppt werden. Das könnte dem Ziel, genauso wie 2015 rund 350.000 Fahrgäste zu transportieren, entgegenstehen, gibt Schwarze zu. Dass die Seilbahn wegen der Havarien Fahrgäste verlieren könnte, glaubt er aber nicht. „Durch ein Erleben der Seilbahn“ werden die Kölner etwaige Vorbehalte abbauen, ist er sicher.

Geringer Andrang an der Seilbahn

Noch ist der Andrang auf die Seilbahn gering. Gerade mal eine Handvoll Menschen wartet zum Start darauf, mitzufahren. Vielleicht zehn der 48 Gondeln pendeln über dem Rhein, die meisten von ihnen leer. Der erste Besucher am Ticketschalter ist Dieter Kopf. Der 77-Jährige ist entspannt, freut sich auf die Tour. „Und wenn etwas schiefgehen sollte: Mal über dem Rhein abgeseilt zu werden, ist auch ein Erlebnis“, sagt der Kölner lachend. Mit ganz so viel Humor sieht das nicht jeder.

Der Himmel ist grau, der Domblick getrübt, als Gerd Heynlein mit seinem Enkel Tim in der engen Gondel sitzt. Der Fünfjährige hat die Seilbahn wieder fahren sehen – er ist es auch, der nun völlig ohne Furcht und lachend aus dem Fenster blickt. „Da bekommt man schon Gänsehaut“, haucht jedoch sein Großvater. Gerade hat er nach unten geschaut. Auf den Rhein, die Schiffe, die hier gemächlich entlangschippern, auf die Autos, die über die Rheinbrücke brausen. Jetzt, erzählt er, muss er an die Menschen denken, die hier vor anderthalb Jahren aus der offenen Tür gen Boden abgeseilt worden waren. „Eine gruselige Vorstellung“, sagt er – es sind dieselben Bilder, an die sich vorher schon KVB-Vorstand Schwarze erinnert hatte, als er aus der Gondel gestiegen war: „Das werden wir nicht vergessen.“

Stabiler Preis trotz Verlusten

„Endlich dürfen wir wieder das tun, was wir am liebsten machen: Über den Rhein fahren und auf den Dom schauen“, sagte die kaufmännische Seilbahnchefin Sonja Lorsy zum Betriebsstart, um dann zu betonen, dass die Preise der Bahn, trotz jahrelanger Umsatzeinbußen   und  Investitionen in die Sicherheit im Millionenbereich, stabil bleiben sollen: Erwachsene zahlen für die Hinfahrt 4,80 Euro, für Hin- und Rückfahrt 7 Euro. Kinder zwischen vier und zwölf Jahren zahlen 2,70 bzw. 4 Euro. (ram)

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