Kölner Taxifahrer im Interview„Am Kölnberg fühle ich mich nachts nicht wohl“

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Dieter Szary, Taxifahrer und Karnevalist

  • Sind Taxifahrer Therapeuten? Definitiv, sagt Dieter Szary, der seit vielen Jahren Menschen durch Köln fährt – tagsüber und nachts.
  • Im Interview spricht er über kuriose Fahrten, betrunkene Gäste, die neue Konkurrenz durch Uber und Kölner Gegenden, in die er nachts nicht gerne fährt.
  • Außerdem verrät er, wer die nervigsten Kunden sind und welchen Satz er nicht mehr hören kann.
  • Lesen Sie hier auch weitere Folgen unserer „Nachtleben”-Interviewreihe.

Köln – Herr Szary, wie ist es als Taxifahrer nachts in Köln unterwegs zu sein?

Unter der Woche ist Köln nachts so tot wie ein Dorf. Man fährt stundenlang und es kommt einem kaum einer entgegen. Da ist das Fahren natürlich sehr angenehmen – zusätzlich noch mit schöner Musik. Tagsüber muss man sich ganz anders konzentrieren. Nachts können Fahrgäste aber anstrengender sein, zum Beispiel durch Alkoholgenuss, aber das ist letztlich unser Geschäft, von dem wir leben.

Wie unterscheiden sich die Nachtfahrten vom Tagdienst?

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Zu etwa 80 Prozent sind die Gäste, die nachts fahren, in ihrer Freizeit unterwegs. Da ist die Laune schonmal besser. Tagsüber haben wir sehr viele Schulkinder teilweise mit Förderbedarf. Da gibt es viele Aufträge von der Stadt. Auch ältere Menschen, die zum Arzt oder zur Bank müssen, fahren viel mit dem Taxi. Sie wohnen nicht gerade zentral und müssen ihre Rente einmal im Monat in der Bank abheben. Es ärgert sie, dass es in ihren Vierteln keine Filiale oder keinen Automaten mehr gibt und sie jetzt mit dem teuren Taxi in die Stadt müssen.

Haben Sie schon einmal nachts jemanden aus dem Taxi geworfen?

Ich nicht, aber die Polizei. Der Fahrgast war stark alkoholisiert und ist eingeschlafen. Ich bekam ihn nicht wach. Mit dem Anfassen von Gästen, vor allem weiblichen, bin ich sehr vorsichtig. Ein früherer Angestellter, ein gläubiger Moslem, fuhr gerade erst wenige Monate Taxi. Eine Dame, die er nachts heimgefahren hatte, behauptete, er hätte sie sexuell belästigt, weswegen er sich zwei Stunden später bei der Polizei melden musste. Es kam heraus, dass diese Frau das schon zum wiederholten Mal gemacht hatte, was der Polizei auch bekannt war. Er war fix und fertig. Natürlich ist er nie wieder Taxi gefahren. Wenn ich eine betrunkene Dame nach Hause fahre und die Freundin mich etwa bittet, sie bis zur Wohnung zu begleiten, klopfe ich beim Nachbarn, damit er alles bezeugen kann.

Welche Fahrgäste sind Ihnen die liebsten und welche die nervigsten?

Die Messegäste mag ich besonders, weil sie ausnahmslos freundlich sind. Ich unterhalte mich gerne mit ihnen, weil man viele interessante Dinge erfährt. Touristen, auch gerade in der Sommerzeit, sind durchweg freundlich. Es ist interessant, welchen Eindruck sie von der Stadt haben. Je nachdem, wo sie herkommen, empfinden sie Köln als saubere Stadt. Da wird manchmal Sauberkeit mit Ordnung verwechselt. Die nervigsten sind solche, die einem nicht „Guten Tag“ oder „Tschüss“ sagen. Ich bin zwar nur der Taxifahrer, aber auch ein Mensch, der Respekt verdient. Alle, die mit dem Handy ins Taxi steigen und vor, während und nach der Fahrt telefonieren, nerven mich. Das finde ich unhöflich.

Wo fahren Sie überhaupt nicht gerne lang?

Wenn ich nachts fahre, dann gibt es Gegenden, bei denen ich froh bin, wenn ich wieder wegfahren kann. Am Kölnberg zum Beispiel fühle ich mich nicht wohl. Mir ist zum Glück noch nie etwas passiert.

Können Sie sich an eine ganz besondere Situation im Taxi erinnern?

Einmal musste ich eine hochschwangere Frau fahren, deren Fruchtblase gerade geplatzt war. Dafür bin ich in eine Einbahnstraße gebogen und habe gehofft, dass sie es noch bis zum Krankenhaus schafft. Ich habe den Notarzt angerufen, der mir entgegen kam. Die Übergabe war erfolgreich.

Zur Person

Dieter Szary ist in Köln geboren. 1994 hat der 56-Jährige das Taxiunternehmen von seinen Eltern übernommen, das wiederum zuvor seit 1929 Szarys Großvater gehörte. Der Taxiunternehmer hatte früher mehrere Fahrzeuge, inzwischen fährt er alleine. Der Familienvater ist nur unter der Woche unterwegs auf den Straßen, am Wochenende hat er einen Aushilfsfahrer. Neben seinem Beruf ist Szary eng mit dem Kölner Karneval verbunden: Seit 1986 ist er bei den Roten Funken aktiv und war bis 2016 jahrelang deren Pressesprecher. (gam)

Welchen Satz der Gäste können Sie nicht mehr hören?

„Es ist nur eine kurze Fahrt“. Mir ist es egal, ob es nur eine kurze Fahrt ist, aber leider gibt es Kollegen, die dann anfangen, zu schimpfen. Auf eine kurze Fahrt folgt aber auch eine lange und wenn ich am Monatsende meine Stunden gefahren bin, habe ich trotz Schwankungen denselben Verdienst. Auch die kurze Fahrt – und da denke ich an die ältere Dame, die zur Bank muss – ist wichtig: Das sind die Menschen, die auf uns angewiesen sind. Das ist unser Stammklientel, das auch niemals mit Uber fahren würde. Da müssen wir aufmerksam sein, denn wir sind ein Dienstleistungsgewerbe. Wenn ich Gästen die Tür öffne, sind sie erstaunt, weil sie es nicht gewohnt sind, aber ich freue mich, dass ich mich bewegen kann.

Wie viele Stunden arbeiten Sie denn, damit sich am Ende des Monats der Verdienst für Sie lohnt?

Ich arbeite unter der Woche bis zu 14 Stunden am Tag, damit ich davon leben kann. Ich fange um halb 5 an, weil morgens viele zum Flughafen müssen. Zwischen sechs und sieben gehen die ersten Maschinen. Mittags ist es dann wiederum ruhiger. Freitagmittag ist dann aber auch Schluss. Für mein Eigenheim fallen auch nicht mehr viele Kosten an, dann geht es.

Würden Sie der Behauptung zustimmen, dass Taxifahrer „Therapeuten des Alltags“ sind?

Ja, absolut. Die Kommunikation mit den Leuten macht gerade den Beruf des Taxifahrers aus. Es ist wie beim Frisör. Manche sind extrem mitteilungsbedürftig. Man hört so viele Geschichten über Eheprobleme, Fremdgehen und alles Mögliche. Aber wenn sie froh sind, dass sie darüber sprechen konnten, dann habe ich einen guten Job gemacht. Ich werde auch oft gefragt, ob ich gute Ärzte oder einen guten Anwalt kenne. Manche sagen auch: Fahren Sie mich zum besten Italiener der Stadt. Die Gäste gehen davon aus, dass der Taxifahrer alles weiß und jede Straße und Ecke in Köln kennt.

Seit April ist das amerikanische Unternehmen Uber auch in Köln vertreten. Wie sehr bedroht die Firma das Taxigewerbe?

Wie sehr es uns bedrohen wird, kann man heute noch nicht sagen, weil einige Gesetzesänderungen noch in der Schwebe sind. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer möchte das sogenannte Rückkehrgesetz ändern, so dass Uber-Fahrer den Mietwagen nicht mehr zurück in die Zentrale bringen müssen, sondern überall stehen lassen können. Das wäre ein Problem, denn wir leben von der Schnelligkeit und Flexibilität des Taxis. Es hat immer wieder Konkurrenzunternehmen gegeben, die letztlich alle gescheitert sind, weil das Taxigewerbe in Köln gut ist, auch wenn man am Dienstleistungsgedanken weiter arbeiten muss. Solange die Konkurrenz mit legalen Mitteln arbeitet, was Uber nicht tut, ist es unschlagbar.

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Und dafür bekommt Uber in Düsseldorf und nun auch in Köln juristischen Ärger. Hier erwirkte das Taxigewerbe vier einstweilige Verfügungen gegen Mietwagen-Firmen. Die Stadt Köln leitete daraufhin Verfahren gegen die Unternehmen ein.

In Deutschland gibt es strenge Vorschriften wie den Mindestlohn. Uber hat keine Angestellten, sie vermitteln nur die Fahrten, hauptsächlich an Mietwagen-Unternehmen. Dieses muss dafür sorgen, dass der Fahrer den Mindestlohn erhält und nicht Uber. Das bekommen sie nicht hin. Ich sagte ja bereits, wie viel ich arbeiten muss, um auf den Verdienst zu kommen. Wenn die Fahrer dann auch noch immer das Auto zurückbringen müssen, kann es nicht funktionieren. Es laufen gerade eine Menge Verfahren und jetzt heißt es abwarten.

Vom Tanzbrunnen zum Kölner Flughafen kostet es mit dem Taxi rund 35 Euro, mit Uber etwa zehn Euro weniger. Uber ist also deutlich günstiger. Können Sie das nicht nachvollziehen, dass die Gäste diese Option dem teureren Taxi vorziehen?

Nein. Der Gast, der es eilig hat, bestellt Uber nicht, denn das dauert zu lange. Das funktioniert gut, wenn man keine spontane Fahrt bucht, beispielsweise eine für den nächsten Tag. Beispiel Messe: Wenn sie endet, gibt es ein Verkehrschaos, es gibt Stau auf allen Brücken. Für den Messegast ist es attraktiver – erst Recht, wenn die Firma zahlt – das Taxi für sechs Euro mehr zu nehmen. Während Uber womöglich erst aus Bilderstöckchen anfährt, ist das Taxi schon vor Ort und wartet vor den Ausgängen.

Das spricht dafür, dass Sie sich vor Uber nicht fürchten müssen.

Ich bin ein Optimist. Die Reaktionen unter den Taxifahrern sind unterschiedlich: manche sind wütend, andere eher locker. Die Angst liegt an der Ungewissheit. Wenn diese Gesetzesänderung eintritt, wäre es wirklich ein Problem für uns. Dann hätte Uber die gleichen Rechte wie das Taxi. Dann könnte das Taxigewerbe wiederum die Aufhebung der Preisbindung verlangen, die Uber nicht hat. Ich hoffe auf unsere Oberbürgermeisterin, dass sie sich der Verantwortung bewusst ist, denn wie ich hörte, soll die Änderung der Rückkehrpflicht den Kommunen überlassen werden.

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