Kölner Theater-ChefAbschied vom schrillen Original

Walter Bockmayer im Scala-Theater auf seinem Stammplatz als Regisseur.
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Köln – „Hinfallen, aufstehen, Krücken richten, weitergehen.“ Nach diesem Leitspruch lebe er, hat Walter Bockmayer, vom Lungenkrebs gezeichnet, vor zwei Wochen gesagt. Da stand er vor der Premiere seines Stücks „Aape op Jöck“ auf der Bühne seines Theaters „Scala“ am Hohenzollernring. Entwaffnend offen erzählte er von seinen Schmerzen, von Schwindelanfällen und Rückschlägen, aber auch von der Hoffnung, „es mit dem Herrgott und eurer Kraft zu schaffen“. Das war an das zu Tränen gerührte Publikum, das ihm Standing Ovations darbrachte, ebenso gerichtet wie an seinen Lebensgefährten Rolf Bührmann.
Die Hoffnung hat sich zerschlagen. Am Dienstag gegen 10 Uhr ist der 66-Jährige im Krankenhaus „Severinsklösterchen“ seinem Krebsleiden erlegen. Seit der Diagnose, im März gestellt, hatte er gekämpft; ohne die Chemotherapie hätte er nur noch wenige Wochen zu leben gehabt. Dass er bald sterben würde, war allen klar. Trotzdem waren im „Scala“ Mitarbeiter des Büros und Ensemble-Mitglieder am Dienstag schockiert. „Der Krebs hatte doch stärker gestreut als zunächst angenommen“, gab Theater-Sprecher Hanko Schmidt bekannt. Mitte voriger Woche war Bockmayer wieder in dem Südstadt-Krankenhaus aufgenommen worden. „Sie gaben ihm noch ein bis zwei Tage“, so Schmidt. „Es war Zeit für seinen Lebensgefährten, die engsten Freunde und Mitarbeiter, Abschied zu nehmen. Am Montag waren alle noch einmal bei ihm.“
1948 im Dörfchen Fehrbach bei Pirmasens geboren, gehörte Bockmayer zu den schillerndsten Persönlichkeiten der Kölner „Subkultur“, seit er 1975 die „Filmdose“ eröffnet hatte. Die im Inneren mit Filmplakaten beklebte Kneipe an der Zülpicher Straße, Ecke Kyffhäuserstraße, galt vor allem in den ersten Jahren als Wohnzimmer der Künstler- und Schwulenszene. Nicht zuletzt wegen der kleinen Bühne im hinteren Raum, wo sich „Wally“, wie ihn alle nannten, als Regisseur versuchte und legendäre, selbst geschriebene Stücke aufführte, denen das gemeinsam war, was er mit seinem Lieblingswort als „schrill“ bezeichnete.
Dazu gehören die später verfilmte „Geierwally“ ebenso wie „Kleopatra und der Fluch der Tempelhure“ und „Sissy – Beuteljahre einer Kaiserin“. Mitarbeiter hinter dem Tresen entdeckte er als Schauspieler, darunter Samy Orfgen, Ralph Morgenstern und Dirk Bach. Zu den Stammgästen zählten Hella von Sinnen und Alfred Biolek. Nach dem Abbruch einer kaufmännischen Lehre hatte Bockmayer als Küchenhilfe, Krankenpfleger und, wie er bekannte, als Stricher sein Geld verdient. 1968 nach Köln gekommen, arbeitete er zunächst als Garderobier im Opernhaus. Dort lernte er seinen Lebensgefährten und späteren Mitregisseur Rolf Bührmann kennen. Und auch Rainer Werner Fassbinder, mit dem ihn eine Freundschaft bis zu dessen frühem Tod 1982 verbinden sollte.
Bockmayer hatte damals schon kleine „schmutzige“ Filmchen gedreht mit verlockenden Titeln wie „Rivalinnen unter griechischer Sonne“, „Salzstangen-Geflüster“ und „Gay West“. 1975 gründete er außer der „Filmdose“ mit Bührmann die Firma „Enten-Produktion“. Sie brachte Werke heraus, von denen eines mit dem Bundesfilmpreis ausgezeichnet wurde, die von bösen Zungen aber als Kitsch und anstößiger Klamauk verrissen wurden. Bockmayer drehte unter anderem „Jane bleibt Jane“, „Flammende Herzen“ und „Looping“. Er gewann Darstellerinnen wie die als „Ariel“-Clementine bekannte Johanna König, Barbara Valentin, Shelley Winters und Sydne Rome.
Daneben feierte Bockmayer vor allem als Theaterregisseur Erfolge, so mit Achternbuschs Stück „Der Frosch“. Nach einem Intermezzo im Kaiserhof-Theater eröffnete er 2003 Theater „Scala“, früher ein Kino. Und weiter ging es – zum Gefallen des Publikums – „schrill“ und derb zu, gern unter die Gürtellinie zielend und immer auf kölsch, mit Produktionen wie ,,Ich möch zu Foß noh Kölle jonn,“, „Jebohnert op kölsch“ oder „Wie fottjeblose“. Schon seit 1994 stets dabei war Schauspielerin Gigi Herr .
Wie aus dem „Scala“-Theater verlautete, soll die Vorstellung von „Aape op Jöck“ am Donnerstag auf jeden Fall stattfinden,. „Wally“ habe es so gewollt, getreu einem weiteren Motto seines Lebens: „The Show must go on.“