Kölnerin berichtet von ihrer Hospiz-Arbeit„Menschen sterben, wie sie gelebt haben“

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Susan Recht-Wirtz zwei Kaffee

Susan Recht-Wirtz 

  • Wie reagieren Menschen – was erzählen sie, wenn man sie auf der Straße anspricht und zu einem Kaffee einlädt?
  • Dieser Frage geht Susanne Hengesbach regelmäßig nach. Diesmal geht es um die Kölnerin Susan Recht-Wirtz, die zehn Jahre ehrenamtlich in der Sterbebegleitung tätig war.
  • Als Kind prägte sie der Satz: „Die Trauer geht schneller um, wenn man nicht drüber spricht."

Köln – Wie kann es sein, dass ein Gespräch über solch ein eher schweres Thema so beglückend wirken kann?, frage ich mich, während ich auf der Bonner Straße heimwärts radle. Lag es an der charismatischen Ausstrahlung meines Gegenübers oder an einem Satz, der in Erinnerung bleiben wird: „Das Sterben muss nicht traurig sein!“

Für mein erstes Kaffee-Gespräch nach der Sommerpause habe ich die Südstadt ausgewählt, wo ich Susan Recht-Wirtz begegne. Beim Cappuccino in der „Rösterei Ernst“ erfahre ich, dass sie im Veedel geboren und aufgewachsen ist. Wir sprechen über ihren Werdegang, ihre Tätigkeit als Analystin für einen IT-Dienstleister und darüber, dass sie vor Jahren nach einem Ausgleich zu ihrem sehr auf Zahlen und Wirtschaftsfaktoren basierenden Job suchte und dann – wie so oft im Leben - durch ein persönliches Erlebnis zu einem Ehrenamt kam:

Es war zum einen der Tod ihres Vaters, aber vielleicht noch mehr der Umstand, dass direkt neben ihm auf der Intensivstation eine Frau starb, die offenbar gar keine Angehörigen hatte. In diesen letzten Stunden niemanden zu haben, der am Bett sitzt und einem die Hand hält, das hat Susan Recht-Wirtz sehr berührt.

Berührungsängste beim Thema Tod und Sterben

Damals, erzählt die 57-jährige weiter, habe sie noch in Rondorf gewohnt und sei regelmäßig am dortigen Hospiz St. Hedwig vorbeigekommen. Sie beschreibt ihren Zwiespalt: Das schöne alte Klostergebäude einerseits und ihre eigenen Berührungsängste beim Thema Tod und Sterben. Wie viele ihrer Generation sei sie definitiv „nicht natürlich damit aufgewachsen“. Sie war ein Kind von gerade mal zehn Jahren, als ihre beste Freundin an einem Tumor starb. Das Schlimmste dabei war, dass man ihr danach den Zutritt zu deren Zimmer verwehrte, um Abschied nehmen zu können. „Die Trauer geht schneller um, wenn man nicht drüber spricht“, hieß es damals, woran sich insbesondere die Kriegsgeneration zumeist ja auch gehalten hat.

Vor etwa zehn Jahren habe sie sich ein Herz gefasst, sei nicht mehr an St. Hedwig vorbei-, sondern in das Hospiz hineingegangen. Zu ihrer Überraschung wurde sie direkt zur Einsatz-Koordinatorin geführt, die hell erfreut gewesen sei. „Wir brauchen Menschen, die bei klarem Verstand und einigermaßen aufgeräumt sind", habe sie ihr gesagt. Recht-Wirtz absolvierte eine Ausbildung von einem Dreivierteljahr, in der sie selber „viel Trauerarbeit“ machte.

Sie erfuhr eine Menge über ihre eigenen Ängste, aber sie lernte auch viel darüber, „was passiert, wenn Menschen sterben - mental und physisch. Während ihrer Ausbildung sei sie auch in puncto  Redewendungen geschult worden, um in keinem Moment Gefahr zu laufen, dass man einen Sterbenden mit einer unbedachten Floskel zurücklässt. Man lerne zu erkennen, was Menschen in dieser Phase vor allem brauchen, und man erfahre ferner, welche Möglichkeiten der Begleitung es gibt.

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Einer Sterbenden das geliebte Pferd in den Garten gebracht

Man kann so viel machen!“, betont die 57-Jährige und erzählt von einem berührenden Abschied, als man einer todkranken Frau noch deren geliebtes Pferd in den Garten brachte. Der größte Irrtum im Zusammenhang mit Tod sei der, „dass es immer traurig ist“. Sterben müsse heute auch nicht mehr weh tun. Ein weiterer Irrtum sei, „dass die Menschen, die noch ungeklärte Dinge im Leben haben, nicht gehen können. Ich glaube hingegen, dass die Menschen, die ein tolles Leben hatten, ebenfalls schlecht gehen können, weil sie noch so am Leben festhalten wollen", sagt Recht-Wirtz, die sich derzeit eine Auszeit vom Ehrenamt genommen hat.  

In ihren zehn Jahren Hospiz-Begleitung – ambulant wie stationär – habe sie immer wieder erfahren, dass „Menschen so sterben, wie sie gelebt haben“. Sie berichtet von einer 80-jährigen, die mit ihrer Fröhlichkeit und Ausstrahlung „das ganze Hospiz beleuchtet“ habe.

Mehr Respekt fürs eigene Leben

„Nimmt einem die Arbeit dort die Angst vorm Sterben?“, frage ich. „Jein“, entgegnet Recht-Wirtz. Man bekomme aber „viel mehr Respekt fürs eigene Leben“. Sie lebe heute ganz anders und habe ihre Werte „noch mal kräftig überdacht“. Aussprüche wie „Hauptsache gesund“, betrachte sie nicht mehr als Floskel. Auf der anderen Seite sei sie „viel verzeihlicher“ geworden, vor allem mit sich selber. „Du weißt, es gibt wichtigere Dinge, als sich über Kleinigkeiten zu ärgern.

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