Kommunalwahl in KölnRot-grüner Kampf um die Macht in Sülz

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collage sülz

Birgit Bonk (l.) und Sabine Pakulat

  • 45 Wahlbezirke gibt es in der Stadt. Bis zur Wahl am 13. September, bei der auch Oberbürgermeister, Bezirksvertretungen und Integrationsrat neu gewählt werden, berichten wir aus allen Veedeln der Stadt.
  • Es geht um spannende Duelle, interessante Kandidaten, prägende Themen und Trends und Kuriositäten.
  • In dieser Folge: Sülz, das früher eine Hochburg der SPD war, doch mittlerweile gespalten ist zwischen Sozialdemokratie und Grünen. Wie wird die Sülzer Gesellschaft am 13. September wählen?

Köln-Sülz – Das alte Arbeiterherz des Viertels schlug lange links. Es gehörte der SPD, jahrzehntelang. Doch Sülz hat sich verändert: Grünes Gedankengut, grüne Werte und grüner Lifestyle breiteten sich im Viertel aus. Zwei Biosupermärkte, diverse Bioläden, Verteilstellen für nachhaltig produzierte Produkte, ein Unverpacktladen, die Initiative The Good Food, die es sich auf die Fahnen geschrieben hat, Lebensmittel vor der Mülltonne zu retten, sie alle haben sich in Sülz niedergelassen - fanden bei den jungen Familien, die zunehmend im Viertel leben, zahlreiche Fans. Wer sich die Mieten im Viertel leisten kann, muss nicht im Discounter einkaufen.

2009 knackten die Grünen hier eine Kölner SPD-Bastion. Das langjährige Ratsmitglied Ossi Helling sieht im damaligen Erfolg das Ergebnis von Überzeugungsarbeit: „Meine Parteikollegen, vor allem die, die der Bezirksvertretung Lindenthal saßen, habe jahrelang Aufbauarbeit im Viertel geleistet. Sie haben die sich bildenden Bürgerinitiativen vor Ort unterstützt und deren Sprachrohr in der BV gebildet“. Bei der letzten Kommunalwahl konnte die SPD ihre ehemalige Hochburg noch mal zurückerobern. In diesem Jahr kämpfen die grüne Ratsfrau Sabine Pakulat und die neue SPD-Kandidatin Birgit Bonk im Wahlbezirk 12 um die Gunst der Sülzer.

Die Veränderungen im Viertel erhöhen die Chancen der Grünen. Doch es gibt auch Gegenwind. Ideen für einen nachhaltigen Lebensstil werden in den Sülzer Facebook-Gruppen angepriesen – und von anderen mit Hohn überschüttet. Es geht ein Spalt durch die Veedelsgesellschaft – zwischen denen, die vom „New Green Deal“ träumen, der ökologischen Wende der Industriegesellschaft vor ihrer Haustür und Traditionalisten, die sich in ihrer Bewegungs- und auch sonstigen Freiheit nicht einschränken lassen wollen.

Debatte um Straßenverkehr

Die hitzigen Debatten drehen sich um Parkplätze und die Frage, ob es zuviele oder zu wenige davon gibt, darum wieviel und wie schnell Autos durchs Viertel fahren dürfen, ob man Grünflächen in Zeiten des Klimawandels aus irgendeinem Grund opfern kann und ob man für einen großen Fußballverein eine Ausnahme machen darf. Autofahrer dissen Radfahrer und umgekehrt. SUV-Fahrer werden verspottet – insoweit gibt es auch Schnittmengen. Wer ein solches Gefährt besitzt und damit zum Biosupermarkt fährt, erntet Spott von beiden Seiten.

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Wie wird diese gespaltene Sülzer Gesellschaft am 13. September wählen? Zwischen grünen Forderungen und Menschen, denen diese zu weit gehen, sucht die alte SPD eine Position. Bundesweite Meinungsumfragen belegen , dass es Sozialdemokraten zurzeit nicht leicht haben. Friedhelm Hilgers, Vorsitzender der SPD-Fraktion in der Bezirksvertretung Lindenthal, glaubt trotzdem an ein Kopf-an-Kopf-Rennen von Bonk und Pakulat. „Aufgrund der jüngeren Entwicklungen wäre ich aber so selbstkritisch zu sagen, dass wir in dieses Rennen nicht als Favorit gehen.“ Die Grünen könnten mit einem Megathema punkten. „Die Klimaschutzidee ist so gewaltig geworden, dass sie auch in den Köpfen der Wähler eine andere Dimension eingenommen hat.“

Gemeinsamkeiten zwischen Grünen und SPD

Die grüne Ratsfrau Sabine Pakulat ist im Viertel bekannt und gut vernetzt. Ihre sozialdemokratische Konkurrentin Birgit Bonk ist noch nicht lange dabei, bringt aber frischen Wind in die traditionelle Volkspartei. Wegen des „S“, das immer noch ganz vorne in ihrem Namen stehe, sei sie in diese eingetreten, sagt sie. Als Fernsehjournalistin habe sie im Laufe der Jahre viel von den Existenznöten der Menschen mitbekommen, derjenigen, die mit der Pflege ihres Partners überfordert seien, der Alleinerziehenden, die keine Wohnung finden, weil sie die Miete nicht bezahlen können und nicht wissen, wie sie die Leistung bei der Arbeit bringen sollen, währen die Kinder zuhause eigentlich betreut werden müssen.

Sie wünsche sich Kümmererbüros für das Viertel, eine Sozialberatung, damit die Menschen eine erste Anlaufstelle haben. Auch Pakulat ist sich der Probleme wie der stetig steigenden Mieten bewusst. „Mit einer sozialen Erhaltungssatzung könnte man die Umwandlung der Miet- in Eigentumswohnungen stoppen“, sagt die Ratsfrau. Sie sähe allerdings weniger eine Verdrängung der alten Bevölkerung durch junge zuziehende Menschen, als einen Generationswechsel. „Die Hausbesitzer sterben. Eine Erbengemeinschaft verkauft das Haus und der neue Besitzer hat die Möglichkeit, die Wohnungen umzuwandeln.“ Da denkt die Grüne ganz links: Es sei ein Problem, dass Grund und Boden Privatbesitz ist. „Ich finde, dass solche Dinge überhaupt nicht verkauft werden sollten.“

Fragt man nach den politischen Positionen der Grünen und der Sozialdemokratin, findet man viele Gemeinsamkeiten. „In so einem wohlhabenden Stadtteil wie unserem müsste man es eigentlich für unwahrscheinlich halten, aber in Sülz hat die Addition von Rot-Rot-Grün schon lange eine Mehrheit“, sagt Bezirkspolitiker Hilgers. Doch diese Rechnung hat zurzeit wenig mit der Realität zu tun. Die Grünen haben sich im Stadtrat für ein Bündnis mit der CDU entschieden, in dem Pakulat als ein Ratsmitglied mit Gewicht mitarbeitet. Die Grünen lassen nicht erkennen, dass sie das ändern wollen. 

Der Wahlbezirk

Sülz und Klettenberg sind nach dem neuen Zuschnitt der Wahlkreise, die ein Urteil des Verfassungsgerichts nötig machte, anders aufgeteilt. Der neue Wahlkreis 12 liegt jetzt vor dem alten Kern von Sülz, zwischen Eifelwall, Luxemburger, Zülpicher und Blankenheimer Straße, das zuletzt zu dem Gebiet gehörte, in dem die SPD bei der vergangenen Kommunalwahl die Nase vorn hatte. Die CDU , die 2014 in Sülz hinter den Grünen nur auf Platz Drei landete, schickt im Wahlbezirk 12 ein Mitglied der Jungen Union ins Rennen. Der 27-jährige Soldat Aaron Appuhn möchte sich für eine „intelligente Verkehrskonzeption, eine nachhaltig und familienfreundliche Stadtentwicklung, einen konsolidierten Haushalt, Digitalisierung und eine Modernisierung der Verwaltung“ einsetzen. Insgesamt stehen im Wahlbezirk 13 Kandidaten und Parteien zur Wahl. Linke, FDP und AfD, die bei der letzten Wahl hier unterdurchschnittlich schwach abschnitt, hoffen auf Ergebnisse, die deutlich über fünf Prozent liegen. 

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