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EinzelhandelLadendiebstahl in Köln auf Rekordniveau – Mehr Banden unterwegs

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ARCHIV - 20.09.2018, Hessen, Wiesbaden: Ein Ladendetektiv sitzt vor Überwachungsmonitoren eines Supermarktes. Dem Handel entstehen durch Diebstähle und Betrügereien immense Schäden. (zu dpa: "Studie: Zahl der Ladendiebstähle steigt wieder") Foto: Boris Roessler/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Ein Ladendetektiv sitzt vor Überwachungsmonitoren eines Supermarktes. 

Die meisten Taten wurden im Vorjahr in der Innenstadt begangen. Gestohlen wird oft auf Bestellung.

Es geht stetig bergauf, und das seit Jahren: Bei keiner anderen Straftat – mit Ausnahme von Stalking – steigen die Zahlen in Köln laut Kriminalstatistik derart konstant wie beim Ladendiebstahl. Langsam zwar, aber kontinuierlich. Insgesamt 11.635 Fälle bearbeitete die Polizei im Vorjahr. Das bedeutet einen Rekordwert in den vergangenen 20 Jahren. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass je nach Studie nur etwa zwei bis zehn Prozent aller Ladendiebstähle überhaupt angezeigt werden, das heißt: Die Dunkelziffer ist enorm.

Fast 40 Prozent der im Vorjahr bekannt gewordenen Ladendiebstähle in Köln wurden in der Innenstadt begangen, vor allem in den Geschäften auf den großen Einkaufsstraßen Schildergasse, Hohe Straße und Ehrenstraße sowie im Hauptbahnhof. Vergleichsweise hohe Zahlen gibt es traditionell auch in den Stadtbezirken Ehrenfeld (vor allem auf der Venloer Straße) und Kalk (unter anderem in den Köln-Arcaden und entlang der Kalker Hauptstraße).

Milliardenschaden durch Ladendiebstahl

Welchen finanziellen Schaden Ladendiebe allein in Köln voriges Jahr angerichtet haben, ist unklar. Einer aktuellen Studie des Handelsforschungsinstituts EHI Retail Institute e.V. mit Sitz in Köln zufolge betrug der bundesweite Gesamtschaden durch so genannte Inventurdifferenzen im Vorjahr brutto 4,95 Milliarden Euro – ein Plus von drei Prozent zum Jahr 2023. Unter „Inventurdifferenzen“ fallen auch organisatorische Mängel wie zum Beispiel falsches Zählen oder versehentlich nicht ausgebuchte Retouren. Der größte Anteil aber, knapp drei Milliarden Euro, ist laut EHI auf Diebstahl durch Kunden (60 Prozent), Mitarbeiter (18 Prozent) sowie Lieferanten und Servicepersonal zurückzuführen.

Eine wesentliche Erkenntnis der Studie: Ladendiebstähle werden immer häufiger organisiert begangen, entweder durch beauftragte Einzeltäter oder in Gruppen mit gezielter Aufgabenverteilung. Fast eine Milliarde Euro gehe auf das Konto solcher gewerbsmäßigen Täter, heißt es in der EHI-Untersuchung. Die Polizei hat Erkenntnisse, wonach organisierte, überregional aktive Täter oft auf Bestellung regelrecht Einkaufslisten abarbeiten.

Mutmaßliches Diebesgut

Mutmaßliches Diebesgut, das die Polizei im Februar 2025 bei der Durchsuchung eines Hotelzimmers in Porz bei einem 64-Jährigen gefunden hat.

Vermutet werden kann das zum Beispiel im Fall eines Mannes, den die Kölner Polizei im Februar nach einem Diebstahl in einem Elektronikgeschäft an der Maybachstraße festgenommen hatte. Ladendetektive hatten beobachtet, wie der 64-Jährige zwei Laptops aus der Auslage nahm und ohne zu bezahlen damit das Geschäft verließ. Polizisten nahmen den Mann fest und durchsuchten sein Hotelzimmer in Porz. „Die Kollegen fanden Diebesgut im Wert von weit mehr als 30.000 Euro“, berichtet eine Polizeisprecherin, darunter zum Teil noch originalverpackte Elektroartikel, Werkzeuge und Kleidungsstücke. Der aus Aserbaidschan stammende Beschuldigte hatte in Deutschland keinen festen Wohnsitz, er kam in Untersuchungshaft.

Bei ihrer Befragung von knapp 100 Handelsunternehmen und Supermarktketten gingen die Studienautoren auch der Frage nach, ob in Märkten mit Selbstbedienungskassen häufiger gestohlen wird als in Geschäften, in denen die Waren ausschließlich von Mitarbeitern eingescannt werden. Dies zu messen, sei zwar schwierig, es gebe aber zumindest Erkenntnisse, dass die Inventurdifferenzen in Läden mit SB-Kassen tatsächlich höher seien, heißt es in der Studie. Allerdings liege das in geschätzt 80 Prozent aller Fälle wohl eher an Bedienungsfehlern der Kunden.

Besonders begehrt bei Ladendieben seien im Lebensmittelhandel Alkohol und Tabak, in Modegeschäften hochwertige Kleidung sowie Sonnenbrillen, Tücher, Schals und Gürtel, in Technikläden Speichermedien, Konsolen- und Videospiele und in Baumärkten vor allem akkubetriebene Maschinen. Auch Kosmetika sowie Fleisch- und Wurstwaren werden häufig eingesteckt, ohne sie zu bezahlen. „Trotz Warensicherung und Mitarbeiterschulungen wird im Handel gestohlen, was nicht niet- und nagelfest ist“, bilanziert Frank Horst, Autor der EHI-Studie.

Neben organisierten Banden greifen Ladendetektive und Polizei aber häufig auch Einzeltäter auf, die mutmaßlich aus finanzieller Not stehlen. Vor zehn Jahren seien „99 Prozent der Diebstähle von Drogensüchtigen verübt worden“, sagte zum Beispiel der Leiter eines Mülheimer Supermarktes dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Im Laufe der Jahre habe sich das Bild gewandelt. Inzwischen überführten seine Detektive und die Überwachungskameras Rentner und Kinder, Väter und Mütter, für die Kinder Schmiere stünden, Menschen am sozialen Rand, auch Mittelständler.