Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Kita-AusbauEin Kindergarten an der Autobahn

4 min

Ärgerten sich über das Kita-Projekt: Karen Nespethal (v. l.) und Tochter Mette, Regine Schirmer, Bernd Grube und Elisabeth Metternich stehen dort, wo die Kita hätte gebaut werden sollen.

Junkersdorf – Einen Kindergarten direkt an der Autobahn im Grüngürtel hätten Lindenthals Stadtteilpolitiker am liebsten eiligst durchgesetzt. Die Anwohner empörten sich, schnell verbreiteten sich Klüngel-Gerüchte in Junkersdorf – und sind derzeit Tagesgespräch. Die Kindertagesstätte wird es nicht geben. Warum, das erklärt Ute Flick vom Bauverwaltungsamt: „Die Wiese ist Bestandteil des Grüngürtels und das wird so bleiben.“ Trotzdem ist die Geschichte ein Beispiel dafür, wie groß der Druck ist, in Köln neue Kindergärten zu bauen.

Die Beethovenstraße in Junkersdorf liegt direkt an der A 1. Bei Westwind hat die Lärmschutzwand keine Chance, das Motorenheulen der rund 100 000 Fahrzeuge, die hier täglich vorbeirollen, aufzuhalten. Die Schadstoffkonzentration in der Luft ist häufig höher als erlaubt, die Stickstoffdioxid-Werte der nahe gelegenen Messstelle belegen das. Die Wiese hinter der Autobahn ist Teil des Grüngürtels – Graf Antonius Wolff Metternich hält hier Pferde. Ein Teil der Wiese gehört Ralph Weltring, dessen Unternehmen nebenan seinen Sitz hat. Der Grüngürtel ist landschaftlich geschützt und darf nicht bebaut werden – es sei denn, der so genannte Bauleitplan für das Gelände würde geändert.

Asthma und Allergien

Auf dieser Wiese wollten die Stadtteilpolitiker eine Kindertagesstätte bauen lassen. Per Dringlichkeitsantrag hatten CDU und Grüne in der Sitzung der Lindenthaler Bezirksvertretung im Juni die Idee eingebracht – keine Fraktion hatte Bedenken. „Das ist empörend“, findet Anwohnerin Karen Nespethal. „Unsere Tochter hat Asthma bekommen und der Sohn Allergien, seit wir hier leben. Wer möchte seine Kinder in eine Kita direkt an der Autobahn bringen? Und dafür soll eine der letzten Grünflächen hier geopfert werden?“ Auf der Suche nach geeigneten Kindergarten-Grundstücken hatten sich die Stadtteilparlamentarier Weltrings Wiese angeschaut – und sie für kindergerecht befunden. Weltring, nebenbei Kassierer der Lindenthaler CDU, hatte sich bereiterklärt, sein Grundstück zur Verfügung zu stellen. Zudem wollte er dort auf eigene Kosten einen Spielplatz bauen. „Nun wirft uns die Interessengemeinschaft Junkersdorf vor, dass es sich um ein Koppelgeschäft handele, weil Herr Weltring in der CDU sei“, sagt Horst Nettesheim, Fraktionsvorsitzender der Lindenthaler CDU. „Von der Sache her stimmt das. Aber wir wollen das nur machen, weil wir dringend Kitas brauchen und von der Stadt aufgefordert werden, nach Grundstücken und Investoren zu suchen.“ In Junkersdorf, Lövenich, Weiden und Braunsfeld ist der Bedarf besonders groß: Nur rund 20 Prozent der unter Dreijährigen werden hier derzeit in einem Kindergarten oder von einer Tagesmutter betreut – die Stadt will die Betreuungsquote bis August 2013 auf 40 Prozent erhöhen. „Das setzt uns natürlich unter Druck“, sagt Bezirksbürgermeisterin Helga Blömer-Frerker. „Es kann ja langfristig auch nicht sein, dass einfach die Gruppen vergrößert werden, um die Quoten zu erreichen. Wir müssen uns umtun.“

Als der Eilantrag für die Kindertagesstätte eingebracht war, machten in Junkersdorf schnell Gerüchte die Runde. Weltring wolle auf dem Gelände auch Wohnhäuser bauen, mutmaßten Anwohner und Bürgervertreter, auch in Schreiben an die Verwaltung. Sogar ein CDU-Politiker äußerte gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ zunächst, der Unternehmer wolle Wohnhäuser bauen – entschuldigte sich aber Stunden später dafür, falsch informiert gewesen zu sein.

Es gab Pläne zur Bebauung

Die Irritationen von Anwohnern und Politikern kamen womöglich zustande, weil es tatsächlich einmal Pläne gab, das Areal zu bebauen – der Antragsteller freilich abgewiesen worden war. Einer der Metternich-Brüder, denen ein Großteil der Wiese neben dem Grundstück von Ralph Weltring gehört, hatte vor Jahren vorgehabt, dort zu bauen.

„Ich selbst wollte nie Wohnhäuser bauen. Und eine Ausweitung von Gewerbeflächen ist nicht geplant“, sagt Ralph Weltring. „Ich bin selbst Junkersdorfer und weiß, wie groß die Not an Kindergartenplätzen hier in diesem Bereich ist. Da muss es doch möglich sein, eine Kita zu errichten, insbesondere, wenn Grünflächen als Außengelände genutzt werden können und ein Spielplatz der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt wird.“ Für die Gerüchte und Vorwürfe seitens der Anwohner hat der Unternehmer kein Verständnis. „Das ist bitter, wenn man etwas Soziales tun will und falsche Informationen die Runde machen. Besonders wenn die Anfrage von städtischer Seite gekommen ist.“

Ute Flick vom Bauverwaltungsamt betont allerdings, dass der Bau von Kitas grundsätzlich „höchste Priorität“ genieße. „Wir ziehen alle Verfahren vor und prüfen mögliche Flächen sogar vor Antragsstellung, weil der Bedarf so groß ist.“