„Gegen die Zeit und das Wetter“Das sind die Herausforderungen auf Kölns größter KVB-Baustelle

Lesezeit 5 Minuten

In diesen Tagen wird die größte Kreuzung der KVB auf der Aachener Straße auseinandergenommen. Ein Besuch vor Ort bei Bauleiter Uli Utzerath.

Vielleicht 20 Menschen stehen am Dienstagmittag an der Ersatzbushaltestelle an der Aachener Straße und warten ungeduldig. Offenbar schon länger: „Warum jetzt nichts kommt, können wir auch nicht sagen“, sagt einer von drei KVB-Mitarbeitern, die sich um die Umleitungskommunikation kümmern. Immer wieder muss er mit den Wartenden zurückweichen, weil Fahrräder ständig auf den Gehweg ausweichen. Auf der einen verbliebenen Autospur, durch die sich Fahrzeuge wie durch einen Trichter raus aus der Innenstadt schleichen, ist für sie kein Platz. Dann kommt der Bus.

Baustelle auf der Aachener Straße. Kräne verlegen Gleise.

Die größte Kölner Straßenbahnkreuzung ist lahmgelegt.

Ein paar Meter weiter steht Uli Utzerath mitten auf der Baustelle, auf seiner Baustelle. Hier, an der größten KVB-Kreuzung überhaupt, soll der Bauleiter mit seinem Team innerhalb von zwei Wochen 16 Gleise austauschen. An Tag fünf ist er fast im Zeitplan. „Wir kalkulieren mit zwei Wochen Sonnenschein“, sagt er. „Wir arbeiten gegen die Zeit und gegen das Wetter.“ Wegen des Unwetters am Montag hat sich das Zusammenschweißen einiger Schienen um ein paar Stunden verzögert. Utzerath hofft, dass sein Team die Zeit wieder rausholt und es bei den angekündigten zwei Wochen bleibt.

Zwei Kräne manövrieren eine Weiche, vielleicht 20 Meter lang, über die Aachener Straße und platzieren sie passgenau zwischen die Kreuzung und den Anschluss in Richtung Ehrenfeldgürtel. Ein Bauarbeiter brennt die Montagehilfen aus Stahl ab, die unter die Gleise montiert waren, ein anderer schlägt sie mit einem Hammer von der Weiche.

KVB-Bauleiter unter Zeitdruck: „Die Situation ist angespannt“

Wenige Meter weiter schweißt ein anderer Mann in orangefarbener Warnweste zwei Gleise zusammen. Die Zahlen zur Baustelle lassen die Dimension erahnen: 480 Tonnen Schotter werden von den Baggern bewegt, 590 Meter Schiene ausgetauscht, 120-mal müssen die Gleise aneinander geschweißt werden. 8,1 Millionen Euro kostet die Erneuerung, den Großteil übernehmen Bund und Land. Vor 20 Jahren hat Utzerath den Aachener Stern, wie die Kreuzung, auf der die Linien 1, 7 und 13 fahren, bei der KVB wegen ihrer vielen Richtungen genannt wird, schon einmal grunderneuert.

Es war sein erstes Projekt als Bauleiter. Ob er, 55 Jahre alt, das Ganze inzwischen gelassener angehe? „Nein, ich bin noch angespannter als damals“, sagt er. Man stehe viel mehr im Fokus als damals, jeden Moment könne ein Passant einen stehenden Arbeiter filmen und behaupten, die KVB würde überhaupt nicht arbeiten. Der Wandel der Öffentlichkeit bedeutet für den Bauleiter eines kommunalen Verkehrsunternehmens: Stress. „Wenn Sie mich fragen, wie die Situation ist, dann sage ich: angespannt.“

Bauleiter Uli Utzerath schaut in die Kamera. Er trägt eine Warnweste.

Tag und Nacht erreichbar: Bauleiter Uli Utzerath

Die Absperrung der Baustelle ist tagsüber so etwas wie eine Stehtribüne, Anwohner schauen sich die Arbeiten an. Eltern mit ihren vom Baulärm und den großen Maschinen faszinierten Kindern, Anwohner, Rentner. Sie reden, gewissermaßen am Spielfeldrand, mit den Bauarbeitern. Jeden Tag arbeiten hier 50 Männer im Schichtbetrieb, tagsüber in ständiger Beobachtung.

KVB haben die Gleise in Frechen probeweise ausgelegt

Die Leute, sagt Utzerath, seien dünnhäutiger geworden: „Alles muss ganz schnell gehen.“ Er selbst gehört zu den gelasseneren Zeitgenossen, sein Helm liegt im Auto: „Hier kann mir eigentlich nur ein Flugzeug auf den Kopf fallen.“ Das erste Mal war Utzerath am Dienstag um 5.45 Uhr auf der Baustelle, dann ging es zurück ins Büro, mittags war er wieder da. Vor Ort verlässt er sich auf das, was seine Gleismeister und Bauaufseher, die jeweils in zwei Schichten das Geschehen beobachten, sagen: „Das sind meine Augen und Ohren.“ Erreichbar ist Utzerath Tag und Nacht.

Eigentlich wollte er den Aachener Stern schon vor einem Jahr erneuern. Wegen Lieferproblemen ging das nicht. Jetzt sollte auf keinen Fall etwas schiefgehen: In Frechen hat die KVB die Gleise schon einmal probeweise aufgebaut, um sicherzugehen, dass nichts fehlt. Verschiedene Baufirmen, die den Auftrag nicht bekommen haben, sind auf Abruf verfügbar, falls etwas schiefgehen sollte. „Das hätte es vor ein paar Jahren nicht gegeben“, sagt KVB-Sprecher Stephan Anemüller. Die Baubranche ist enger zusammengerückt: Die Lieferschwierigkeiten sind allen bekannt.

Anwohner beobachten die Baustelle.

Das Interesse an der Baustelle ist groß.

Insgesamt sei die KVB mit dem Verlauf der Baustelle sehr zufrieden, sagt er. Ein paar Probleme habe es gegeben, einige Busfahrer hatten an den Ersatzhaltestellen so gehalten, dass kein barrierefreier Einstieg möglich war. Teilweise sind die Haltestellen von Anwohnern zugeparkt worden. Ab und zu spazieren verwirrte Passanten auf die Baustelle. Ein älterer Mann beschwert sich, dass Pendler große Probleme hätten, die Stadt hätte die Kitschburger Straße während der Baustelle für Autos öffnen müssen, meint er.

Ein Bauarbeiter schweißt zwei Gleise zusammen, helle Funken sprühen vom Gerät.

Ein Bauarbeiter schweißt zwei Gleise zusammen. Ein Arbeitsschritt, der auf der Aachener Straße 120-mal nötig ist.

Jemand anders stört sich an den teilweise schwer erkennbaren Hinweisen für Fußgänger und Radfahrer. Auch hier plant die KVB noch Anpassungen. „Baustelle ist nie Normalzustand“, sagt Anemüller und bedankt sich bei den Anwohnern für die Geduld: „Es ist eine Einschränkung der Lebensqualität, das wissen wir.“ Auch nachts ist es hier teilweise laut. 1100 Briefe hat die KVB an Anwohner im Radius von 250 Metern verschicken lassen, auch knapp 100 Geschäfte sind informiert worden. Die Strategie der KVB: Möglichst schnell fertig werden.

Für Utzerath bedeutet auch das: Stress. Am 5. August will er die neuen Gleise fertigstellen. Diesmal sollen sie für mindestens 15 Jahre halten. Die KVB rechnet in den nächsten Jahren mit einer höheren Belastung, weil über den Abschnitt im Zuge der größeren Kapazitäten auf der Ost-West-Achse auch 90-Meter-Bahnen fahren sollen. Bis zu zwei Zentimeter Metall sind in den vergangenen 20 Jahren von den Gleisen abgetragen worden. Das könnte diesmal nach schon 15 Jahren passiert sein. In Kurven ist der Verschleiß größer, weil Metall direkt auf Metall reibt. Einmal im Jahr überprüft die KVB die Qualität.

Uli Utzerath wird die ersten Tage nach der Erneuerung abwarten, wird die wichtigsten Mails beantworten und will dann Mitte August möglichst schnell in den Urlaub. Denn auf ihn wartet noch vor den Herbstferien die nächste Großbaustelle: In unmittelbarer Nähe des Neumarkts erneuert er die Kreuzung an Hahnenstraße und Mauritiussteinweg zwischen dem 16. September und dem 16. Oktober. Tag und Nacht.

KStA abonnieren