Abo

„Heizung runter, dicke Pullis an“Kölnerinnen eröffnen nachhaltigen Woll-Laden in Sülz

Lesezeit 3 Minuten
Neuer Inhalt (5)

Britta und Katja Hollmann vor ihrem neuen Geschäft "Wollbox" an der Sülzburgstraße. Im Hintergrund steht Bruder Jens Hollmann.

Sülz – Als sie junge Mädchen waren, haben Britt und Katja Hollmann überall gestrickt, in der Straßenbahn, im Zug, im Klassenzimmer. „Handarbeiten“ stand damals noch auf dem Stundenplan. Später wurde es ein beliebter Zeitvertreib, und die eigenen modischen Kreationen aus Wolle wurden gerne getragen. Ende der 80er-Jahre war Selbstgestricktes dann erstmal wieder out.

Im neuen Jahrtausend kam die Trendwende, die Schwestern kramten die Stricknadeln wieder hervor und träumten gemeinsam von einem eigenen Wollgeschäft. Dieser Traum ist nun Wirklichkeit geworden. Seit einigen Wochen haben sie an der Sülzburgstraße 170 die „Wollbox“ eröffnet und dort Regale mit Knäueln in allen Farben und Materialien befüllt.

Wollbox in Sülz: Inhaberinnen verkaufen ausschließlich Naturmaterialien

Baumwolle, Wolle, Merino, Alpaka, Leinen, sogar Lamawolle und solche vom Yak haben die Hollmanns im Angebot. Demnächst kommt auch noch Kaschmir dazu. Ausschließlich Naturmaterialien haben eine Daseinsberechtigung in ihrem Geschäft, besonders gerne bieten sie Bio-Ware an, zumindest aber ist ihre Ware Gots-zertifiziert, was für eine umwelt- und sozialverträgliche Herstellung bürgt.

Nachhaltigkeit ist den Hollmann-Schwestern wichtig – und Qualität. „Wenn man etwas selbst hergestellt hat, soll es auch wertvoll sein“, findet Katja Hollmann. Dabei ist nicht jede Wolle teuer. Zwischen 4 und 20 Euro kosten die Knäuel. Katja ist 66 Jahre alt, seit einiger Zeit in Rente und war auf der Suche nach einem Nebenerwerb. Es war der richtige Zeitpunkt für den Geschäftsstart.

Katja und Britta Hollmann sind in Sülz aufgewachsen

Ihre acht Jahre jüngere Schwester Britta ist mit einem Postkartenverlag selbstständig und hatte noch Kapazitäten. „Wir haben ein Jahr lang erst einmal nur herumgesponnen“, erzählt Britta Hollmann. Dann konkretisierte sich die Idee immer mehr. Sie besuchten Messen, fanden die passenden Händler und das perfekte Ladenlokal. „Diese Räume hier an der Sülzburgstraße waren einfach genau das richtige“, so Hollmann.

Das könnte Sie auch interessieren:

„Wir sind im Viertel aufgewachsen, haben hier den Großteil unseres Lebens verbracht. Der Laden hat die richtige Größe, und die Vermieterin ist nett.“ Auch die Veedelsbewohner freuen sich sehr über den Neuzugang. Eine Radfahrerin bremst, als sie das Geschäft entdeckt. „Endlich gibt es wieder einen Woll-Laden“, sagt eine Frau. Wie lange ist es her, seitdem das „Wollschaf“ an der Zülpicher Straße zugemacht hat?

Wollläden sind in Köln Mangelware geworden

Die Frauen überlegen gemeinsam. Schon einige Jahre gibt es den kleinen Laden nicht mehr. Woll-Läden sind in Köln Mangelware geworden. In Sülz gibt es noch den Online-Handel „Mit Liebe gemacht“, zu dem ein Showroom an der Luxemburger Straße gehört. Aber im Stadtgebiet sind nicht viele Geschäfte vorhanden, wo sich Handarbeiter und -arbeiterinnen versorgen können.

Zahlreiche Handarbeitsläden schlossen in der Zeit, als die Menschen nicht mehr häkelten und strickten. Das hat sich wieder geändert. Selbstgefertigte Pullis, Strickjacken, Schals, Decken, Socken, Handschuhe und Mützen sind wieder im Trend. Während der Pandemie sei ein richtiges Handarbeitsfieber ausgebrochen, sagt Britta Hollmann, „und jetzt kommt die Energiekrise und es heißt: Heizungen runterdrehen und dicke Pullis an.“

Wollbox dient auch als Familientreffpunkt

Großeltern besuchen nun mit ihren Enkelkindern die Wollbox. „Sie bringen ihnen das Handarbeiten bei“, sagt Katja Hollman. „Die jüngste Kundin war sieben Jahre alt.“ Auch Jungs würden heute gerne stricken. Ein junger Mann versorgte sich unlängst bei ihnen mit Wolle. Und auch der 61-Jährige, der im Laden die Wollknäuel befühlt, ist ein gerngesehener Kunde: Bruder Jens Hollmann.

Es ist schon einige Jahre her, dass er zuletzt Stricknadeln in der Hand hatte. Jetzt möchte er einen Schal stricken. „Dass man Wolle anfassen muss, wenn man sie sieht, verliert sich nicht“, erklärt er. Alle Hollmann-Geschwister haben schon als Kinder gestrickt und gehäkelt, die beiden Schwestern und die beiden Brüder. Die Wollbox ist nun nicht nur der passende Laden, sondern auch ein Familientreff.

Wollbox, Sülzburgstraße 170, Öffnungszeiten: Mo, Di, Do und Fr 11 bis 18.30 Uhr, Sa 10 bis 15 Uhr, Mittwoch Ruhetag, Telefon: 0221/94195409.

KStA abonnieren