Vier StandorteAuf der „Sülzer Schachmeile“ treffen sich Freunde des königlichen Spiels

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Mitglieder der Sülzer Schachmeile sitzen in einem Café an einem Tisch mit zwei Schachbrettern.

Mitglieder der Sülzer Schachmeile im Café Lamderdin: Friedrich Löhr, Hildegard Birger, Werner Kemner, Johann Krummenacher, Hugo Kadritsch und Hubert Dase (v.l.)

In Sülz treffen sich Kölnerinnen und Kölner regelmäßig zum Schach spielen. Neben den Partien sprechen sie über das Leben. Es gibt es immer interessante Geschichten zu erzählen.

Die weiße Dame tanzt über das Schachbrett. Hubert Dase schiebt sie von Feld zu Feld. „Damit mache ich noch ein bisschen Stimmung“, kommentiert er. Die Schlacht ist eigentlich schon geschlagen. Seine Pferde, Türme, Läufer und fünf Bauern liegen bereits neben dem Schachbrett.

Mit der Dame hat Dase auch keine Chance mehr, den König ins Schachmatt zu setzen. „Der Turm passt auf den König auf“, sagt er mit Bedauern. Sein Gegner lacht. „Der Hubert hat immer so einen schönen Duktus“, sagt Werner Kemner. Geduldig lässt er sich auf ein letztes Tänzchen mit der gegnerischen Dame ein, zieht hier und da eine Figur, plaudert fröhlich mit Hubert.

Es geht um den Spaß am Spiel

Gewinnen ist bei der Partie eher eine angenehme Begleiterscheinung. Der Schachgruppe in der Kneipe Südkurve an der Ecke Luxemburger/Wittekindstraße geht es in erster Linie um Spaß. Jeden Freitag um 19 Uhr treffen sie sich hier. Oft klappen sie erst um Mitternacht die Bretter wieder zusammen, obwohl das Treffen für viele nur ein Termin in ihrem vollen Schachkalender ist.

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Montags spielen sie im Café Lamerdin, dienstags in der Kneipe Stauss, mittwochs im Café 333. Die zwei Café- und die zwei Kneipenrunden haben sich etabliert, nachdem die ersten Spiele im Café Lit-Fass an der Zülpicher Straße stattfanden. Als das Lit-Fass schloss, suchten die Mitspielerinnen und Mitspieler nach Ausweichmöglichkeiten. Dase hatte im Lit-Fass vor rund zehn Jahren ein Schachspiel entdeckt und sich einen Gegner gesucht.

Gespräche über das Leben gehören dazu

Das Spiel zog immer mehr Interessenten an, wie auch Johann Krummenacher. Früher stand er als Schauspieler im Theater im Bauturm auf der Bühne. Im Lit-Fass vertrieb er sich die Zeit, während seine Frau in der Nähe zu tun hatte. Noch heute reist der 70-Jährige aus Mülheim regelmäßig zum Schachspielen nach Sülz. „Ich habe im Internat Schach gelernt“, erzählt er. Krummenacher kommt aus der Schweiz und zog vor 30 Jahren nach Köln. Er hatte viele Verbindungen nach Deutschland, seit er in der 68er-Bewegung aktiv war. Gespräche über das eigene Leben gehören bei den Schachpartien dazu.

Die meisten Spieler sind Rentner. Kemner ist mit 58 Jahren der Jüngste in der Runde. Viele haben bereits als Kind Schach gespielt. Dase hat es vom Vater gelernt, der seine Schach-Leidenschaft aus dem Krieg mitbrachte. „Er hat es in der Gefangenschaft gespielt“, erzählt Dase, „mit selbstgeschnitzten Figuren.“ Im Café Lamerdin sind auch Anfänger dabei, wie die 70-jährige Hildegard Birger und der 86-jährige Hugo Kadritsch. Die beiden haben sich beim Seniorensport kennengelernt. „Ich habe wirklich nicht gedacht, dass ich in meinem Alter noch Schach lerne“, erzählt Kadritsch.

Die Gruppe freut sich über Zuwachs jeden Alters

Aber als Hildegard ihn fragte, ob er Schach spielen kann und er das verneinen musste, war sein Ehrgeiz geweckt. „Ich bin nur hier, um sie zu schlagen“, scherzt er. Die Chancen stehen nicht schlecht, aber Birger ist eine ambitionierte Gegnerin. „Ich wollte schon immer Schach spielen können“, sagt sie, „vielleicht, weil ich das Gefühl hatte, dass es zu den Dingen gehört, die Männern vorbehalten sind.“ Nun sei sie in dem Alter, in dem sie dafür sorge, möglichst viele Dinge auch zu machen, die sie immer tun wollte.

So begann sie, sich Schach per Computer selbst beizubringen, war dann aber nach der Suche nach einem lebendigen Gegner. Nachdem Hugo sich als untauglich geoutet hatte, machte sie sich auf die Suche nach Menschen, die beiden das Spiel beibringen. Sie stießen auf die Café-Runde im Lamerdin. Auch an den Kneipen-Runden nehmen einige weibliche Spieler teil. Immerhin sind vier Frauen unter den 18 Gruppenmitgliedern, die regelmäßig kommen. Die Gruppe freut sich über weiteren Zuwachs jeden Alters und Geschlechts. Hubert Dase hat langfristige Pläne: Man könnte die Wittekindstraße, an der sich sowohl das Café Lamerdin als auch die Südkurve befinden, und von der die Wege nicht weit sind zu den anderen Locations, auch umbenennen, meint er, in Sülzer Schachmeile.


Gespielt wird in der Sülzer Szene jeweils montags um14.30 Uhr im Café Lamerdin an der Einhardstraße 5/Ecke Wittenkindstraße, dienstags um 19 Uhr in der Kneipe Stauss an der Berrenrather Straße 244, mittwochs um 14.30 Uhr im Café 333, Luxemburger Straße 333 und freitags um 19 Uhr, Südkurve, Luxemburger Straße 228/ Ecke Wittekindstraße. (se)

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