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Live Music Hall in Köln„Alt geworden sind nur wir“

Lesezeit 3 Minuten

Campino 1990 mit den Toten Hosen in der LMH

Köln – Der Geruch der geschichtsträchtigen Nächte – Bier und Schweiß, süß und sauer – geht nicht mehr raus. Dass bis heute Atome von Prince, Iggy Pop, Oasis und der niedlichen Studentin von der Poplife-Party vor 15 Jahren durch die Halle tanzen, braucht kein Physiker zu erklären. Mit der Live Musik Hall verbindet ja jeder seine Geschichte, die maximal weit von der Steuererklärung entfernt ist.

Die Treppe zum LMH-Büro ist klebrig. Micki Pick (58) hat keine gesteigerte Lust, über die Höhepunkte aus 25 Jahren zu sprechen. Bei der Pressekonferenz wird er am Mittwoch wieder gefragt werden – „was sind denn Ihre Highlights?“ – und routiniert abfeuern: das Konzert eines Pakistanis, der im Lotussitz sang, derweil die Zuhörer niederknieten und Münzen warfen; dass sein damaliger Kompagnon nichts von dem Ritual wusste und die Münzen einsammelte. Pick wird von seinem Liebling und Freund John Guitar Watson erzählen, den er auch für sich allein gebucht hätte. Sein Kompagnon Georg Schmitz-Behrenz (51) wird sich an Oasis mit den unberechenbaren Gallagher-Brüder erinnern, die in der LHM so zahm waren wie nie; Geschäftsführer Daniel Czichopad (34) wird auf eine Trash-Party mit Oli P., Hüpfburg und Zuckerwatte zurückblicken.

Am Dienstagnachmittag sitzt der alte Hase mit den weißen Haaren in seinem Büro, hinter ihm gerahmte Zeitungsausschnitte des vierstündigen Prince-Konzerts am 27. Dezember 1998. Micki Pick, bitte nie, nie Michael, „den Namen hasse ich“, sagt: „Ein Vierteljahrhundert ist ja nicht schlecht. Aber die Phase, da ich gern nah bei Stars wie Rory Gallagher oder Bob Geldof sein wollte, ist lang vorbei. Ich gucke nicht so gern nach hinten.“ Es sei doch so: „Es gab die Zeit, da warst du auf Augenhöhe mit den Gästen. Dann kam die Zeit, als sie anfingen, dich zu siezen. Inzwischen sagen sie, Vorsicht, da ist das Ordnungsamt, wenn du kommst.“ Pick erzählt also lieber von den Youtube-Stars, denen er heute im Underground (das er mit seinen Kollegen ebenfalls betreibt) und in der LMH ein Forum gibt; er spricht vom Revival des Elektronikfestivals Kick-Zone im Stadionfreibad im September, gleich wird er sich mit Sponsoren treffen. „Man muss nach vorn gucken, der Musikmarkt verändert sich ja. Aber man muss auch an Dingen festhalten.“

Pick und Kollegen haben an den Mainstream-Partys am Wochenende festgehalten – den Rockgarden gibt es seit 20 Jahren, die Poplife-Partys mit zwei Stunden Freibier seit 17. „Die Partys sind genauso wichtig wie die Konzerte für uns. Unser Publikum ist wie am Anfang zwischen 18 und 25. Alt geworden sind nur wir.“

1990 hatte Pick eine Konzertagentur und wollte lieber eine Halle betreiben. Er stieß auf die alte Blechschlosserei in der Lichtstraße und lief entsetzt wieder raus, „weil ich die so hässlich fand“. Ein Arbeiter rannte ihm hinterher und sagte, die Halle sei perfekt isoliert. Ein paar Monate später grölte Campino mit den Toten Hosen in der LMH „Hier kommt Alex“. Klar gab es Musiker mit Allüren. Richard Marx verlangte, dass die Büros neben seiner Garderobe komplett geräumt werden. Tracy Chapman ordnete Rauch- und Ausschankverbot an – „sonst wäre sie nicht auf die Bühne gegangen“.

Die LMH war mit dem Underground ein Pionier der längst blühenden Musikkultur in Ehrenfeld. Ein bisschen mehr Dankbarkeit hätten sich die Macher ab und an gewünscht. Schließlich haben sie Leuten wie Caspar, Silbermond oder Crow ein Forum gegeben, bevor die die großen Hallen füllten. Von den später Großen bleiben die Edding-Kritzeleien an den Wänden im Backstage-Bereich und ein paar Grüße im Erinnerungsalbum. „Sie treten dann meisten nicht wieder bei uns auf“, sagt Pick. Aber die LMH atmet ihre Geschichten.