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Das Wunder von KölnWie Yurii (10) und Yevhen (12) trotz schwerster Brandverletzungen überlebt haben

Lesezeit 13 Minuten
14.05.2025, Köln: Yurii und Yevhen aus der Ukraine wurden durch eine Explosion einer Erdölraffinerie in der Ukraine schwerst verbrannt und in der Uniklinik Köln behandelt.
Im Bild v.l.n.r. Yurii und Yevhen.

Foto: Michael Bause

Yurii (links) und Yevhen wurden infolge der Explosion einer Erdölraffinerie in der Ukraine schwerst verbrannt. 

Die Freunde kamen schwerst verletzt aus der Ukraine nach Köln. Ihre Geschichte zeigt, was Deutschland schaffen und sein kann. 

Yevhen erinnert sich an ein kleines Mädchen, das schrie, als es ihn sah, und nicht mehr aufhörte. Yurii erzählt von einem fremden Mann im Supermarkt, der ihm 50 Euro in die Hand drückte und ihn umarmte. Die Familien erleben so etwas jetzt manchmal: Unbekannte, die ihnen die Hand geben, etwas schenken, sie umarmen, fragen, ob sie etwas tun können, einfach so. „Das ist seltsam, aber es ist auch schön“, sagt Uliana Dzebchuk, die Mutter von Yurii. Die Mütter sitzen in einem Besprechungsraum der Belvedere-Schule in Müngersdorf, vor ihnen ein Glas Sprudelwasser, das sie nicht anrühren. Yurii und Yevhen sind im Unterricht, die Väter mit den Geschwistern rausgegangen.

Yurii und Yevhen haben infolge der Explosion einer Öl-Pipeline in der Ukraine schwerste Verbrennungen erlitten. In Köln finden sie dank vieler Menschen und moderner Medizintechnik zurück ins Leben. Es ist eine Geschichte, die zeigt, wie weltoffen und tolerant, mutig, stark und menschenfreundlich dieses Land sein kann. Wie sich Angst und existenzielle Krisen überwinden lassen.

07.05.2025, Köln: Yurii und Yevhen aus der Ukraine wurden durch eine Explosion in einer Erdölraffinerie in der Ukraine schwerst verbrannt und in der Uniklinik Köln behandelt.
Aufnahmen in der Belvedere-Schule, die sie beide besuchen, zusammen mit ihrer Familie. 

Foto: Michael Bause

Yurii und Yevhen mit Yevhens Schwester Ivanka und Yuriis Bruder Roman in der Belvedere-Schule, im Hintergrund ihre Eltern.

„Mama, bekomme ich wieder ein Gesicht, dass so aussieht wie früher?“, hat Yevhen seine Mutter kürzlich gefragt. Er frage sie das immer wieder, sagt Lesia Hryha. Erwachsene gucken seit dem Unglück zu schnell weg. Kinder starren sie zu lange an. Unbekannte helfen. Ärzte weinen. Ein Lehrer, der sie auf der Intensivstation unterrichtet, denkt an den Zweiten Weltkrieg vor mehr als 80 Jahren, als sein Vater für die Wehrmacht gegen die Ukraine kämpfte, und möchte kein Dankeschön für seine Hilfe heute. So viele sind überfordert. Und stemmen sich dagegen. Allen voran Yurii und Yevhen und ihre Familien. Aber auch Ärzte und Lehrerinnen, Psychologinnen und Pflegerinnen, Mitschüler, Angestellte, Unbekannte.

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„Unsere Kinder möchten normal sein. So wie alle Kinder“, sagt die Mutter von Yevhen. Sie weint aus Kummer, wenn sie an das Unglück denkt. Und vor Glück, wenn sie von früher erzählt, der Natur in den Karpaten, der Freundschaft der Kinder, der Unbeschwertheit vor dem Krieg.

Yurii und Yevhen spielen gern Fußball. Yuriis Lieblingsfach in der Schule ist Mathe, Yevhen mag vor allem Sport. Sie essen lieber Pommes und Chips als Salat, gucken gern Serien und zocken Minecraft, streiten mit ihren Geschwistern, blödeln herum und fahren zu schnell Fahrrad. Cristiano Ronaldo ist für sie der beste Fußballer der Welt, weil er am härtesten schießen kann, nicht Messi, aber der ist auch super, und Mbappé. Yurii verschränkt gern die Arme wie Kylian Mbappé es macht, der Stürmerstar von Real Madrid, wenn der ein Tor geschossen hat. Yurii und Yevhen sind normale Kinder, zehn und zwölf Jahre alt.

Nicht normal ist, dass der Großteil ihrer Haut verbrannt ist – 80 Prozent bei Yurii, 90 Prozent bei Yevhen

Nicht normal ist, dass der Großteil ihrer Haut verbrannt ist – 80 Prozent bei Yurii, 90 Prozent bei Yevhen. Die Freunde tragen deswegen meistens Plastikmasken und Kompressionsanzüge. Zu Hause, in einer Flüchtlingsunterkunft in Longerich, beim Spielen im Park, beim Einkaufen oder jetzt, im Unterricht in der Belvedere-Schule in Müngersdorf. Mit den Masken sehen sie ein bisschen aus wie Außerirdische. Manchen macht das Angst. Wenn sie die Masken abschnallen, sieht man die Narben, die transplantierte Haut, die versengten Lider.  Und die Neugier in ihren Augen, ihre Lust auf Leben. „Ich hoffe, dass die kosmetischen Operationen dazu führen, dass sie noch ein bisschen ähnlicher aussehen wie früher, aber wir können sehr gut annehmen, wie es ist“, sagt Lesia Hryha. Uliana Dzebchuk nickt. Als Yurii und Yevhen aus dem Unterricht kommen und auf Deutsch von ihren Hobbys berichten, lachen die Mütter und umarmen sie. Die eigene Überforderung verbergen sie vor ihren Kindern wie ein Staatsgeheimnis.

Dass Yurii und Yevhen wieder Fußball spielen und zur Schule gehen, ist nicht normal. Es ist ein kleines Wunder, sagen die Ärzte des Kinderkrankenhauses in der Amsterdamer Straße. Wenn 80 und 90 Prozent der Haut verbrannt sind wie bei Yurii und Yevhen, ist die Chance, zu überleben, äußerst gering. Die beiden Kinder zu retten, war ein großes Glück – und eine enorme Leistung. Medizinisch und logistisch, zwischenmenschlich und mental. Nach dem, was geschah.

Beim Brand einer Öl-Raffinerie in Strymba, Ukraine, wurden Yurii und Yevhen schwerst verletzt.

Beim Brand einer Öl-Raffinerie in Strymba, Ukraine, wurden Yurii und Yevhen schwerst verletzt.

Der 30. September 2023 ist ein warmer und sonniger Herbsttag. Nach dem Fußballtraining ruft Yevhen bei Yurii an, doch der geht nicht dran. Also fährt er mit dem Rad hin, um zu schauen, ob sein Freund da ist. Die beiden radeln am Bach entlang. Sie wundern sich, dass das Wasser schwarz ist.

Strymba ist ein kleiner Ort in den ukrainischen Karpaten, umgeben von Bergen und Wäldern. Vor der Haustür leben Bären und Wölfe, ein Skigebiet liegt keine halbe Stunde entfernt. Vor dem Krieg kamen viele Touristen. Jetzt gibt es täglich Fliegeralarm. Yevhens Vater kämpft an der Front, Yuriis Vater arbeitet im Wald – das Holz wird jetzt nicht mehr für Möbel benötigt, sondern für Schützengräben.

In Strymba gibt es auch eine Öl-Raffinerie, in der viele Menschen arbeiten. Als Yurii und Yevhen am Bach entlangradeln, hören sie plötzlich zwei gewaltige Explosionen. Wenig später schlägt ihnen ein Flammeninferno entgegen. Eine Pipeline ist explodiert, der Bach brennt wie eine Zündschnur. Vor ihnen türmt sich eine Rauchwand auf. Die Jungs fangen Feuer und rennen schreiend zu Yurii nach Hause. Mutter Uliana löscht die brennenden Kinder, ruft einen Rettungsdienst – dann müssen sie mit Yuriis älterem Bruder Roman vor den Flammen auf die Felder fliehen. „Die Kinder hatten großen Durst“, sagt Uliana Dzebchuk. „Als wir vor den Flammen geflohen sind, habe ich nichts zu trinken mitgenommen.“

Der Rettungswagen kommt nicht, Yurii und Yevhen dämmern immer wieder weg. „Ich habe sie irgendwie wachgehalten“, erinnert sich Yuriis Mutter. Wie aus dem Nichts taucht ein Mann mit einem Geländewagen auf, trägt die die Jungs in sein Auto und fährt sie in die Klinik. Zwei Erwachsene sterben in den Flammen, mehrere Menschen werden verletzt.

Yevhens Vater Roman liegt im Schützengraben an der Front in Donezk, als das Unglück passiert

Yevhens Vater Roman ist an der Front in Donezk, er liegt im Schützengraben der 10. Sturmbrigade, als das Unglück passiert. Nach Deutschland kommen darf er Monate später erst, als sein Bruder an der Front gefallen ist. Yuriis Vater Mychajlo arbeitet 30 Kilometer entfernt im Wald. Fünf Tage nach der Katastrophe werden Yurii und Yevhen in einem Spezialflieger für Kriegsverletzte mit ihren Müttern nach Deutschland geflogen.

Sie kommen nach Köln, weil es in der Amsterdamer Straße ein führendes Zentrum für schwerstbrandverletzte Kinder gibt, das zu den besten in Deutschland zählt. Die Station war eingerichtet worden, nachdem ein psychisch kranker Frührentner in Köln-Volkhoven am 11. Juni 1964 mit einem selbst gebauten Flammenwerfer acht Kinder einer Volksschule und zwei Lehrerinnen getötet und 20 Kinder schwer verletzt hatte. Viele der Überlebenden schwebten über Wochen und Monate in Lebensgefahr und mussten immer wieder operiert werden.

25.05.2025 Köln. Die beiden Kinder Yurii und Yevhen wurden infolge eines Bombenangriffs und der Explosion einer Ölraffinerie in der Ukraine schwerst verbrannt. In Köln sind sie schon mehr als 50 Mal operiert worden. Gespräch mit der Chirurgin. Das Ärtzte-Team vom Kinderkrankenhaus. Foto: Alexander Schwaiger

Für das Team des Kinderkrankenhauses Amsterdamer Straße war die Behandlung von Yurii und Yevhen eine enorme Herausforderung. Die Freunde wurden beide bis heute weit mehr als 50 Mal operiert.

Ärzte und Pflegerinnen einer Station für brandverletzte Kinder sind rational denkende und pragmatisch handelnde Menschen. Als das Team mit sieben Ärztinnen, Ärzten und Pflegerinnen zusammenkommt, um von den Monaten zu erzählen, in denen sie um Yuriis und Yevhens Leben gerungen haben, sitzt eine Schicksalsgemeinschaft am Konferenztisch.  „Derart schwere Verbrennungen sind sehr selten. Statistisch betrachtet überleben die allermeisten Patienten eine so ausgeprägte Verletzung nicht“, sagt Rebecca Pohle, Leiterin des Zentrums. „Die Behandlung solch großflächiger, tiefer Wunden ist sehr langwierig und schwierig, und bis zur vollständigen Abheilung der Wunden können lebensgefährliche Infektionen auftreten.“ Monatelang um das Leben von zwei Kindern zu kämpfen und jeden Tag die Eltern zu erleben, die für ihre Kinder beten und große Sorge haben, sei „sehr emotional“. Das Team hat der Kampf um das Leben von Yurii und Yevhen zusammengeschweißt.

Der Intensivmediziner Daniel Julián Acero Moreno tauscht sich mit zwei führenden pädiatrischen Brandzentren in den USA aus, aber auch die sind bei vielen Fragen zu derart schweren Verbrennungen überfragt. Moreno organisiert auch einen Besuch des ukrainischen Botschafters Oleksii Makeiev im Krankenhaus. Der ermöglicht Yurii und Yevhen, am 21. Juni 2024 das EM-Spiel der Ukraine gegen die Slowakei in Düsseldorf zu besuchen. „Das war ein weiterer kleiner Schritt zurück in Richtung Normalität“, sagt Moreno.

Während der Operationen beten die Eltern laut und singen Gebetslieder

Regelmäßig kommt ein ukrainischer Pfarrer ins Krankenhaus. Während der Operationen beten die Eltern oft laut und singen Gebetslieder. „Eigentlich haben wir den ganzen Tag gebetet, immer. Was blieb uns übrig?“, sagt Uliana Dzebchuk.

Weil auch das Unterhautgewebe verbrannt und abgestorben ist , funktionieren die Organe von Jurii und Yevhen nicht richtig: Herz, Lungen, Niere, Leber. Die Entzündungswerte sind enorm hoch, Jurii und Yevhen können ihre Körpertemperatur nicht regulieren. Sie werden intubiert, künstlich beatmet und künstlich ernährt.

Dazu haben sie multiresistente Keime – das ist lebensgefährlich: Die meisten Antibiotika wirken nicht. Das Team muss Reserveantibiotika anfordern, die nur in größten Notfällen verwendet werden und sehr teuer sind. Weil sie verschiedene Keime haben, dürfen die Freunde sich auf der Intensivstation monatelang nicht sehen. „Infektionen sind die häufigste Todesursache, die Sterblichkeit ist gerade bei multiresistenten Keimen enorm hoch“, sagt Rebecca Pohle.

Yurii vor dem Unglück in der Ukraine

Yurii vor dem Unglück in der Ukraine

Mit Proben der nicht verbrannten Haut werden neue Hautzellen gezüchtet. Oft müssen mehrere Entscheidungen gleichzeitig getroffen werden: Welche OP ist notwendig, welches Antibiotikum, wie kann der Kreislauf stabilisiert, wie der Schmerz gelingert werden. „Und das ganze musste natürlich der Familie mitgeteilt werden – die Sprachbarriere macht es schwierig“, sagt Thomas Boemers, Chefarzt der Kinderchirurgie. „Yurii und Yevhen mussten alles neu lernen. Atmen, essen, laufen, Finger bewegen, sprechen.“

Vater des Lehrers von Yurii und Yevhen kämpfte als Soldat der Wehrmacht in der Ukraine

Die Kinder haben so starke Schmerzen, dass Johannes Krane-Erdmann Yurii schreien hört, während er Yevhen mit Schutzkittel und Maske unterrichtet. Krane-Erdmann ist Konrektor der Klinikschule der Stadt Köln. Zwischen Februar und Juli 2024 fährt er zweimal pro Woche ins Kinderkrankenhaus, um mit Yurii und Yevhen – getrennt voneinander, wegen der multiresistenten Keime – Deutsch zu üben und Sachunterricht, auch Sport: Sie spielen mit einem Luftballon Volleyball. Krane-Erdmann bringt Retter-Karten mit, mit einfachen Symbolen und Texten auf Deutsch und Ukrainisch: Ich habe Schmerzen – Ich muss Pipi – Die Haut juckt sehr – Ich habe Durst – Jemand von der Station soll kommen. An den anderen Tagen kommt eine Kollegin von Krane-Erdmann.

Als die Eltern der Jungs sich nach jeder Unterrichtsstunde überschwänglich bedanken, bittet der Lehrer darum, das zu lassen und erzählt ihnen seine Familiengeschichte: Krane-Erdmanns Vater kämpfte als Wehrmachtssoldat in der Ukraine – er gehörte zu Hitlers Truppen, die das Land überfielen. „Und mein Opa hat im Ersten Weltkrieg auch in der Ukraine gekämpft.“ Er könne das nicht wiedergutmachen, „aber wir können uns zumindest hier und jetzt helfen und ein kleines bisschen zum Frieden beitragen“.

14.05.2025, Köln: Yurii und Yevhen aus der Ukraine wurden durch eine Explosion einer Erdölraffinerie schwerst verbrannt und in der Uniklinik Köln behandelt.
Aufnahmen bei einem Ausflug in einen Park zusammen mit ihrer Familie, der in der Nähe ihrer Unterkunft liegt. 
Im Bild Yurii (grüngemustertes T-Shirt).

Foto: Michael Bause

Yurii heute: Mehrere Finger mussten dem Zehnjährigen amputiert werden.

Nach dem Gespräch mailt Krane-Erdmann ein 18-seitiges Tagebuchskript und Bilder, die seinen Vater mit einem anderen Soldaten im Schützengraben zeigen. Wut sei in ihm aufgestiegen, als er Yurii und Yevhen gesehen habe, sagt er. „Wut auf den Aggressor Russland, der dafür verantwortlich ist, dass es täglich solche Geschichten gibt wie von Yurii und Yevhen.“ Wut auch, weil „die Menschen nicht lernen aus der Geschichte“. Sein Vater habe irgendwann schwer verletzt mit einem Russen in einem Schützengraben an der ukrainischen Front gelegen. „Da wusste er, wie sinnlos sein Einsatz für die Wehrmacht war. Später hat er gesagt: Wäre ich doch in den Widerstand gegangen.“

Für Yurii und Yevhen ist es klar, dass die Explosion mit dem Krieg zu tun haben muss, für uns spielt es keine Rolle
Uliana Dzebchuk, Mutter von Yurii

Die Ursache der Explosion der Öl-Pipeline ist bis heute nicht geklärt, Strymba liegt weit entfernt von der Front. Die Anwohner dachten zuerst, es war ein Raketenangriff auf die Raffinerie. Viele halten inzwischen Sabotage für wahrscheinlich, die Ursache ist aber bis heute nicht geklärt. „Für Yurii und Yevhen ist es klar, dass es mit dem Krieg zu tun haben muss“, sagen die Mütter. „Für uns spielt es keine Rolle.“

Sechs und neun Monate waren die Kinder auf der Intensivstation in der Amsterdamer Straße. Viele Operationen warten noch auf sie. „Ich bin froh, dass wir vor den Flammen schnell weggelaufen sind“, sagt Yevhen. In Köln hat er das Wort Bombe gelernt. Es gab Tage, da hat er es immer wieder gesagt. „Bombe“, „Bombe“, „Bombe“.

Lange hatten Yurii und Yevhen das Gefühl, ihre Haut würde noch immer brennen. Sie schliefen schlecht. Konnten sich nicht konzentrieren. Hatten Flash-Backs. Viel wichtiger aber sei, findet Franziska Hutsch, Psychologin auf der Intensivstation der Kinderklinik, „dass die Kinder unglaublich stark und resilient sind. Sie haben eine unheimlich große Lebenskraft in sich“.

Hutsch lacht mit Yurii und Yevhen auf der Intensivstation und blödelt mit ihnen herum, während ihr Körper in Mull eingewickelt und mit Schläuchen verbunden sind. Sie erinnert sich, wie Yevhen vor Schmerzen schrie, als mal wieder die Verbände gewechselt wurden und er sich trotzdem danach bei der Ärztin bedankte „weil er genau wusste: Es muss eben sein.“

Die Psychologin sah Yurii und Yevhen wenige Tage nach ihrer Einlieferung in die Amsterdamer Straße zum ersten Mal. Sie sprach und spielte nicht nur mit ihnen, sie sprach auch mit den Eltern, vermittelte einen Pfarrer, übersetzte für die Mediziner. Hutsch hat polnische Wurzeln, die Familien sprechen Polnisch. „Es gibt so viele Menschen, denen wir dankbar sind“, sagen die Eltern.

14.05.2025, Köln: Yurii und Yevhen aus der Ukraine wurden durch eine Explosion einer Erdölraffinerie schwerst verbrannt und in der Uniklinik Köln behandelt.
Aufnahmen bei einem Ausflug in einen Park zusammen mit ihrer Familie, der in der Nähe ihrer Unterkunft liegt. 
Im Bild Yurii (grüngemustertes T-Shirt) und Yevhen.

Foto: Michael Bause

Yurii möchte Fußballprofi werden, Yevhen Polizist.

Yurii und Yevhen werden zur Schule gefahren und abgeholt, sie bekommen Logotherapie, Ergotherapie, Physiotherapie und werden regelmäßig nachoperiert. Sie haben eine Privatlehrerin, Mariya Kautz, die Erfahrung hat im Umgang mit brandverletzten Kindern aus der Ukraine. Kautz unterrichtet die Kinder bis heute in ihrem Zuhause, einer Flüchtlingsunterkunft in Longerich. Für diese Geschichte hat sie übersetzt, immer wieder Whatsapp-Nachrichten übermittelt und in ukrainischen Medien recherchiert. Es gibt die Ärzte, die „jetzt fast zur Familie gehören“, wie die Mütter sagen, Psychologen, den Pfarrer, Therapeuten, die Lehrer der Belvedere-Schule, an der Yurii und Yevhen jetzt unterrichtet werden.

Yurii und Yevhen mit ihrer Privatlehrerin Mariya Kautz.

Mariya Kautz gibt den Kindern Privatunterricht.

In Yuriis und Yevhens Schule haben alle Kinder körperliche Beeinträchtigungen. Viele sitzen im Rollstuhl, sind halbseitig oder ganz gelähmt, amputiert, mit offenem Rücken zur Welt gekommen oder mit krummen Beinen. Dünne Arme, schiefe Gesichter, epileptische Anfälle sind an der Belvedere-Schule Alltag. „Bestimmt hat es das für Jurii und Yevhen einfacher gemacht“, sagt Marion Reisch, Klassenlehrerin von Yevhen.

Yurii und Yevhen gehen sehr normal mit der Situation um. Sie nehmen die Masken ab, sie erzählen. Sie lachen. Es sind normale Kinder
Marion Reisch, Klassenlehrerin von Yevhen in der Belvedere-Schule

Die Klasse hat sich wie das Kollegium auf ihre Ankunft vorbereitet. Die Klassenlehrerinnen durften Fotos der beiden machen und vorher ihren Kindern zeigen, im Kollegium wurde diskutiert, wie die Lehrer auf Fragen zu den Masken reagieren. In den Klassenzimmern hängen Steckbriefe mit Fotos. „Im Miteinander war es dann gar kein Problem“, sagt Reisch. „Alle waren sehr vorsichtig, aber auch bewegt – und neugierig. Yevhen hat seine Krankheitsgeschichte erzählt – dass er schon 52 Mal operiert wurde, war eine Sensation.“

Im Unterricht bedient der Zwölfjährige selbstständig die Übersetzungs-Software Deepl, versteht aber längst auch sehr gut Deutsch. Am wichtigsten sei, dass „Yurii und Yevhen sehr normal mit der Situation umgehen. Sie nehmen die Masken ab, sie erzählen. Sie lachen. Es sind normale Kinder“.

14.05.2025, Köln: Yurii und Yevhen aus der Ukraine wurden durch eine Explosion einer Erdölraffinerie in der Ukraine schwerst verbrannt und in der Uniklinik Köln behandelt.
Im Bild v.l.n.r. Yevhen und Yurii mit ihren Müttern.

Foto: Michael Bause

Yevhen und Yurii mit ihren Müttern Lesia (l.) und Uliana

Ein warmer Tag im Juni, ein Park vor der Flüchtlingsunterkunft am Longericher Weg. Yurii trägt ein T-Shirt mit Konterfei von Cristiano Ronaldo und weiße Maske, Yevhen blaue Trainingsklamotten und blaue Maske. „Ich bin Real Madrid“ ruft Yevhen, als er auf Yurii zudribbelt. „Ich Ronaldo!“, kreischt Yurii. Yevhen geht an Yurii vorbei, schießt ins Tor. Die Mütter lachen und klatschen.

Mindestens ein Jahr werden die Familien noch in Köln bleiben, weil Yurii und Yevhen in Deutschland am besten versorgt werden können. Später, wenn in der Ukraine Frieden ist, möchten sie zurück nach Strymba. Yurii möchte irgendwann Fußballprofi werden, Yevhen Polizist.