Mein VeedelMit der Sportchefin durch die Altstadt

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Auch eine Art Heimat: Das Rhein-Energie-Stadion.

Auch eine Art Heimat: Das Rhein-Energie-Stadion.

Innenstadt/Altstadt – „Ich komme aus dem Harz, bin aber seit fast 25 Jahren in Köln. Wenn Sie auch Zugereiste nehmen, dann gern“, sagt die Frau am anderen Ende der Leitung. Unverkennbar: Die Stimme der Bundesliga, zumindest die weibliche. Im Foyer des Funkhauses am Wallrafplatz steigen Frauen aus dem Paternoster. Ist es die da oder die? Die Blonde, die Rothaarige oder die mit den schwarzen Haaren? Schwierig zu sagen, denn Sabine Töpperwien ist für ihre Vorliebe bekannt, häufiger mal die Haarfarbe zu wechseln. „Ich glaube, wir zwei sind verabredet“, sagt plötzlich die unverkennbare Stimme. Das also ist Sabine Töpperwien. „Mein Veedel ist hier rund um den WDR im Schatten des Doms. Hier verbringe ich 80 Prozent meines Lebens.“ Und da der Fotograf etwas ungläubig schaut, fügt sie rasch hinzu: „Okay, einen Teil davon natürlich am liebsten im Kölner Stadion, in meinem Miniveedel, aber das ist leider seit zwei Jahren Erstliga-verwaist.“

Seit 1989 beim WDR

Sabine Töpperwien verlässt das Funkhaus und steuert ihr Stammcafé an. „Früher war es eine Teestube, dann zog hier der Italiener Campi ein, heute heißt es Café Funkhaus. Der Umbau hat die Tradition bewahrt. Ich fühle mich hier wohl, die großen Fensterscheiben, die Einrichtung im Stil der 50er Jahre, die Displays mit den Schwarz-Weiß-Bildern von Menschen, die vor Jahren beim Radio gearbeitet haben. Ich mag diese Reminiszenzen“, sagt die WDR-Sportchefin und bestellt einen Cappuccino mit Sahne.

Der Lockruf des WDR erreichte sie 1989, damals war sie beim NDR. Eine einmalige Chance. Sie habe es nie bereut, Ja gesagt zu haben und in einem Bundesland zu wohnen und zu arbeiten, das schon einmal acht Bundesligisten gleichzeitig beheimatete. „Ich bin stolz darauf, die erste und einzige Frau in Deutschland zu sein, die als Live-Reporterin Woche für Woche Bundesligaspiele kommentiert. Im Fernsehen gibt es zwar Moderatorinnen, aber eben keine Live-Kommentatorin in der Ersten Liga. Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht, und das ist ein Traum.“

Am Puls der Zeit

Auf dem Wallrafplatz dreht sie sich im Kreis und bleibt in Richtung Hohe Straße stehen: „Nach einem Zehn-Stunden-Tag, in der Regel ohne Mittagspause, tauche ich gern in die Menschenmenge ein und lasse mich treiben. Einfach mitlaufen: Hohe Straße, Schildergasse. Spätestens bei Desigual gehe ich auch rein.“ Dann dreht sie sich um und marschiert Richtung Domplatte.

Hier ist es wie immer: windig, hektisch. Ein Platz, den der Kölner meist nur aufsucht, wenn er Besuch hat. Das sieht die Frau mit der unverkennbaren Stimme ganz anders: „Hier ist man am Puls der Zeit. Durch meinen Job bin ich immer in Bewegung. Deshalb brauche ich als Lebensmittelpunkt einen Ort, an dem die Post abgeht. Wo viele Menschen sind, wo ich das Gefühl habe, dabeizusein. Hier schlägt das Herz von Köln, und da fühle ich mich am wohlsten. Der Dom ist für mich Medizin. Wenn es im Funk total stressig war, gehe ich hierher. Sobald mir der Wind um die Nase weht, ist alles vergessen.“

Tiefe Dankbarkeit

Sie schaut zu einer Gruppe Japaner, die extreme Verrenkungen machen, um den Dom samt Spitzen als Erinnerungsfoto einzufangen. „Wenn ich die vielen Asiaten sehe, denke ich: Die haben Tausende von Kilometern zurückgelegt, um dieses gotische Werk zu sehen. Und du, Sabine, siehst es täglich. In solchen Momenten empfinde ich tiefe Dankbarkeit.“

Im Eilschritt verlassen wir die Domplatte, überqueren den Roncalliplatz, gehen am Römisch-Germanischen Museum vorbei, dann an der Dombauhütte, dem Museum Ludwig und dem gesperrten Dach der Philharmonie, aber das scheint nicht die Welt der Sabine Töpperwien zu sein. Sie steuert geradewegs auf die Hohenzollernbrücke zu. „Der Musical Dome steht für das Moderne, passt gut in mein Veedel, auf die Kontraste kommt es an. Ich gehe auch sehr gern zu großen Konzerten, natürlich in die Arena. Nach Feierabend stolpere ich sozusagen aus dem Paternoster, gehe über die Brücke – und schon tauche ich in eine neue Menschenmenge ein und rocke ab.“

Fußball ist Passion

Wir sind jetzt auf der Brücke, deren Geländer sich unter der Last der unzähligen Liebesschlösser zu biegen scheint, soviel Glück und Symbolik erscheint fast kitschig. Oder? „Die Schlösser finde ich herrlich, Freunde von mir haben sich da auch verewigt. Von mir hängt da keins, weil ich Single bin. Aber wer weiß?“ Single aus Überzeugung? Sie zögert: „Unter einer Prämisse aus Überzeugung: Ich gehe keine Kompromisse ein. Mein Traummann muss natürlich sehr viel für Fußball übrig haben, Fußball ist für mich Passion, es gibt keine Trennung zwischen Beruf und Freizeit. Ich arbeite an vier Tagen die Woche als Sportchefin jeweils bis zu zehn Stunden. Am 5. Tag, meistens am Samstag, kommt mein Einsatz mit der Bundesligakonferenz, da bin ich live dabei als Reporterin, in Dortmund, auf Schalke, in Mönchengladbach oder in Leverkusen. Am Sonntag versuche ich abzuschalten. Der ist mir heilig.“ Sie lacht: „Na ja, eher einzuschalten, denn zwischen 14 und 20 Uhr haben wir die große WDR-2-Bundesliga-Livesendung, das höre ich mir an, denn am Montag möchte ich ja meinem Team ein Feedback geben.“

Plötzlich bleibt sie stehen, nimmt ein Schloss in die Hand und sagt mit der allen Fußballfans so vertrauten Stimme: „Manchmal werde ich bei den 1000 Liebesschlössern träumerisch, weil ja jedes Schloss eine Beziehung ist. Manchmal auch melancholisch, mit der Frage: Warum hängt hier keins von mir? Manchmal auch nur realistisch, wenn ich mich frage, welche Beziehung davon noch intakt ist. Aber was soll’s, mein Herr im Haus ist Filou, mein Kater.“ Auf der Brücke über dem Fluss kommt die Fußballexpertin ins Plaudern, ihren 50. Geburtstag habe sie auf dem Schiff Jan von Werth gefeiert – Wasser sei für sie eine Offenbarung.

Personalgespräche an der Rheinpromenade

Es geht zurück zum Alter Markt. „Papa Joes, da liebe ich das Ambiente. Und das Café Extrablatt. Das kenne ich von Sylt, und da Sylt meine Lieblingsinsel ist, sitze ich schon mal gern im Extrablatt und träume von Sylt.“

Wir schlendern durch die Altstadt, eine Kneipe neben der anderen, eigentlich eine Touristenmeile. Doch Sabine Töpperwien fühlt sich hier wohl, sie geht gern ins Restaurant Holtmann’s oder verlegt auch mal wichtige Personalgespräche hier unten an die Rheinpromenade.

Hubschrauberflug übers Veedel

Wir verlassen die Altstadt, in der es von Menschen wimmelt. Sicherlich sind auch viele dabei, die gern ein Autogramm der WDR-Sportchefin hätten – wüssten sie nur, dass die Frau zum Greifen nah ist. „Manchmal denke ich: Gut, dass ich beim Radio arbeite, da muss die Frisur nicht immer sitzen. Letztes Mal bekam ich während einer Zugfahrt einen Anruf, und schon standen fünf Mann neben mir und wollten ein Autogramm. Da muss ich dann immer an meinen Vater denken. Der sagte zu uns Kindern: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.“

Vor kurzem habe sie einen Hubschrauberflug über ihr Veedel gemacht. „Das war schon sehr prickelnd. Der flog so tief, dass ich genau sehen konnte, wo ich mich so gern bewege, dienstlich und privat. Aber es sind nur 80 Prozent meines Lebens. Zehn bleiben gedanklich immer im Müngersdorfer Stadion. Die anderen zehn, die sind die Erinnerung an meine Kindheit im Harz. Das gehört zu mir, da bin ich sehr bodenständig.“

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