Was wie ein harmloser Fitness-Tipp aussieht, kann Teil einer Radikalisierungsstrategie sein. Michael Bücker erklärt, wie Extremisten Social Media infiltrieren.
Forscher im InterviewWie Extremisten auf Social Media junge Menschen ködern

Extremistische Influencer locken vor allem junge Menschen mit subtilen Botschaften auf Social Media.
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- Michael Bücker ist wissenschaftlicher Referent beim Thomasius Research Institute on Political Extremism (TPX) in Düsseldorf
- Als Schnittstelle zwischen Forschung und Praxis analysiert er Erscheinungsformen und Prozesse extremistischer Strömungen im Netz
- Bücker warnt vor Influencern, die subtil Hass und Hetze verbreiten
Herr Bücker, mit welchen neuen Kenntnissen und Fähigkeiten verlässt man Ihren Vortrag idealerweise?
Im Idealfall weiß man dann, wie Social Media funktioniert, wie Extremisten sich genau diese Funktionslogik zu Nutzen machen und wie sich jeder und jede Einzelne dagegen engagieren kann.

Michael Bücker ist wissenschaftlicher Referent beim Thomasius Research Institute on Political Extremism.
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Wie versuchen Rechtsextreme oder auch Islamisten, Nutzer auf Tiktok, Instagram und Co. zu manipulieren?
Ihr Ziel ist es, Reichweite generieren und das Sagbare immer weiter zu verschieben. Sie bieten populistische Antworten mit einfachen Erklärungsmustern, die an Alterssorgen junger Menschen anknüpfen. Das Gefährliche an vielen Reels und Tiktoks ist, dass der Inhalt auf den ersten Blick nicht als extremistisch zu erkennen ist, weil er sehr unterschwellig kommuniziert wird. Extremistische Influencer geben etwa vermeintliche Fitness-, Dating- oder Ernährungstipps oder tagespolitische Empfehlungen und öffnen so die Tür zu immer extremerem Content. Das nennt man „Pipeline“. Die Fähigkeit, diese Pipelines zu erkennen, in denen versteckte extremistische Ideen verbreitet werden, vermittele ich auch in dem VHS-Seminar.
Wie effektiv sind die Sicherheitsmaßnahmen von Social-Media-Plattformen gegen islamistische und rechtsextreme Propaganda?
Die kurze Antwort: null, überhaupt nicht effektiv, leider. Eine weit verbreitete Methode von Extremisten, um Plattformmoderationen zu umgehen, ist zum Beispiel das „Dog Whistling“. Da werden normal klingende Begriffe als Metaphern benutzt, statt „Flüchtlinge“ heißt es dann „Merkels Fachkräfte“ oder „Goldstücke“. Eine zweite Methode ist „Algospeak“, wo Buchstaben durch Zahlen oder Emojis ausgetauscht werden, um an den automatischen Filtern der Plattformen vorbei Hassbotschaften zu transportieren.
Was tue ich, wenn mir extremistische Tiktoks oder Reels begegnen?
Wichtig ist, dass sich jede Person in die Verantwortung nimmt und sich engagiert. Das Ziel der extremen Rechten ist es, sich als wahre Stimme des Volkes darzustellen, als vermeintliche Mehrheit, um dann Schritt für Schritt die liberale Demokratie abzuschaffen – bis das Menschen- oder Demokratiefeindliche als normal angesehen wird. Problematische Inhalte kann man zum Beispiel an netzmelden.de weiterleiten, eine Initiative der Landesanstalt für Medien NRW, die auch mit der Staatsanwaltschaft Köln zusammenarbeitet. Oder an hateiad.org, eine Anlaufstelle für Betroffene und Zeugen digitaler Gewalt.
