Mit Sport gegen gefährliche Atemnot
Südstadt – Urte Sommerwerck betritt den Sportraum im Klösterchen und freut sich. Die Patienten der Lungenspezialistin treten feste in die Pedale der Ergometer. Dabei sind sie alle lungenkrank und allein schon der Gedanke an Ausdauersport dürfte ihnen bis vor Kurzem den ohnehin knappen Atem genommen haben. „Wir holen hier jeden aus dem Bett“, sagt Sommerwerck und lacht.
Seit April arbeitet die neue Chefärztin im Severinsklösterchen, im Krankenhaus der Augustinerinnen. Sie leitet die Abteilung für Lungenkrankheiten. Chronische Erkrankungen wie Asthma und COPD gehören zu ihren Schwerpunkten. Obwohl ihre Patienten ständig an Atemnot leiden, arbeitet Sommerwerck darauf hin, dass sie Sport machen. „Das ist mein Lebensthema“, sagt sie. Sie hat im Klösterchen dafür gesorgt, dass ihre Patienten die entsprechenden Voraussetzungen vorfinden. Im Sportraum sind Zeiten für sie eingerichtet worden, Sommerwerck hat drei Sportlehrer mitgebracht und die Assistenzärzte lernen unter ihrer Führung, wie Sport den Lungenkranken helfen kann.
Am schwierigsten sei, ihnen die Angst vor der sportlichen Betätigung zu nehmen, sagt sie. Für Uwe Krämer galt das nicht. Er weiß seit weit über 20 Jahren, dass er an COPD erkrankt ist, eine chronische Lungenerkrankung, die entzündete und dauerhaft verengte Atemwege zur Folge hat. Das erschwert insbesondere das Ausatmen.
Krämer hat lange Jahre als Flugzeugmechaniker gearbeitet und Kerosindämpfe eingeatmet. Seit etwa zehn Jahren leidet er an chronischer Atemnot. Ein Blutgerinnsel in den zentralen Blutgefäßen der Lunge bringt ihn im März 2018 in akute Lebensgefahr. Er kollabiert, kann zuvor am offenen Fenster noch nach Hilfe rufen. Seine Frau, die als Krankenschwester arbeitet, hört ihn und beatmet ihn, bis die Rettungskräfte eintreffen. Er überlebt. Vier Wochen liegt er anschließend im Koma. Er verbringt Monate in Krankenhäusern. Eine Depression kostet ihn zusätzlich Kraft. „Es ging mir wirklich schlecht“, sagt er. Sein damaliger Arzt prognostiziert ihm, dass er noch maximal fünf Jahre überlebt. Damit will er sich nicht abfinden. Im Januar hat er schließlich angefangen, Sport zu machen. Drei Mal in der Woche setzt er sich auf das Ergometer, tritt in die Pedale, „ganz langsam“. Der Anfang fällt ihm schwer: „Ich hatte ja fast keine Muskulatur mehr“, sagt er heute. 31 Kilo hatte er in den Monaten davor abgenommen.
Krämer sei ein untypischer Patient, sagt Ärztin Sommerwerck. „Viele Menschen mit diesem Krankheitsverlauf kommen kaum noch aus ihrer Wohnung raus“, sagt sie. Krämer, der in Euskirchen lebt, hörte von Sommerwercks Spezialisierung und kümmerte sich um einen Platz auf ihrer Station. Drei Wochen lang trainierte er täglich im Sportraum, das gehört zur Therapie, mit der Sommerwerck und ihr Team die Lungenpatienten fit machen wollen.
Übungen zur richtigen Atemtechnik, Ausdauertraining und Kraftsport seien um ein Vielfaches wirksamer als die sonst verbreiteten Atemwegsprays, sagt sie. Die Patienten lernen, ihre eingeschränkten Lungen effektiv zu nutzen, gezielt die notwendigen Hilfsmuskeln für die Atmung zu trainieren. Und auch das „richtige Abhusten“ üben sie. Denn heilbar sind Erkrankungen wie die von Uwe Krämer nicht. Die Leistungsfähigkeit der Lunge nimmt mit dem Alter kontinuierlich ab. Trotzdem macht er heute 30 Minuten Sport am Tag – für ihn ist das allein schon ein Stück Lebensqualität. Seine Atmung hat er seitdem besser unter Kontrolle.
Viele Patienten wie er leiden unter einer aufgeblähten Lunge, aus der die Luft nicht richtig entweichen kann. Mit der passenden Atemtechnik kann Krämer dem entgegenwirken. Im Klösterchen machen Sommerwercks Kollegen aus der chirurgischen Abteilungen auch Operationen, die etwa das Lungenvolumen gezielt reduzieren. Sommerwerck kann endoskopisch Ventile in geeignete Bronchien einsetzen, um den Luftstrom zu regulieren. Äußerst selten bereitet sie auch Patienten für Lungentransplantationen vor.
Krämer sagt, er habe diese Möglichkeit „aus seinem Kopf gestrichen“. In Deutschland gebe es im Jahr nur rund 300 Lungen, die transplantiert werden. Sie verlängerten das Leben der Patienten zudem nicht. Weil die Empfänger starke Medikamente nehmen müssen, damit die Spenderlunge nicht vom Immunsystem abgestoßen wird, sei auch der Gewinn an Lebensqualität relativ, sagt Sommerwerck.
Bei gut ausgesuchten Kandidaten sei aber dennoch eine „deutliche Verbesserung“ möglich. Krämer ist indes knapp an der Altersgrenze für eine solche Organspende. Seine Zuversicht, die nächsten Jahre noch genießen zu können, hängt vielmehr an der Wirksamkeit des Lungensports. „Es geht letztlich darum, wie wir die Jahre mit der schwächer werdenden Lunge strecken können“, sagt Sommerwerck. Und trotzdem bleibt die Angst. Krämer fürchtet jeden Infekt. Manchmal wacht er nachts auf und bekommt keine Luft. „Diese Nacht habe ich gedacht, das war's“, erzählt er just beim Termin im Klösterchen. Seine Frau sei in solchen Momenten seine wichtigste Stütze. Und auch wenn er in die Zukunft blickt: „Ich will leben. Ich habe noch was vor“, sagt er. Mit dem Wohnmobil durch Skandinavien, das steht auf seiner Liste ganz oben.
Urte Sommerwerck, neue Chefärztin im Klösterchen, setzt auf Bewegung für lungenkranke Menschen
Urte Sommerwerck betritt den Sportraum im Klösterchen und freut sich. Die Patienten der Lungenspezialistin treten feste in die Pedale der Ergometer. Dabei sind sie alle lungenkrank und allein schon der Gedanke an Ausdauersport dürfte ihnen bis vor Kurzem den ohnehin knappen Atem genommen haben. „Wir holen hier jeden aus dem Bett“, sagt Sommerwerck und lacht.
Seit April arbeitet die neue Chefärztin im Severinsklösterchen, im Krankenhaus der Augustinerinnen. Sie leitet die Abteilung für Lungenkrankheiten. Chronische Erkrankungen wie Asthma und COPD gehören zu ihren Schwerpunkten. Obwohl ihre Patienten ständig an Atemnot leiden, arbeitet Sommerwerck darauf hin, dass sie Sport machen. „Das ist mein Lebensthema“, sagt sie. Sie hat im Klösterchen dafür gesorgt, dass ihre Patienten die entsprechenden Voraussetzungen vorfinden. Im Sportraum sind Zeiten für sie eingerichtet worden, Sommerwerck hat drei Sportlehrer mitgebracht und die Assistenzärzte lernen unter ihrer Führung, wie Sport den Lungenkranken helfen kann.
Am schwierigsten sei, ihnen die Angst vor der sportlichen Betätigung zu nehmen, sagt sie. Für Uwe Krämer galt das nicht. Er weiß seit weit über 20 Jahren, dass er an COPD erkrankt ist, eine chronische Lungenerkrankung, die entzündete und dauerhaft verengte Atemwege zur Folge hat. Das erschwert insbesondere das Ausatmen.
Krämer hat lange Jahre als Flugzeugmechaniker gearbeitet und Kerosindämpfe eingeatmet. Seit etwa zehn Jahren leidet er an chronischer Atemnot. Ein Blutgerinnsel in den zentralen Blutgefäßen der Lunge bringt ihn im März 2018 in akute Lebensgefahr. Er kollabiert, kann zuvor am offenen Fenster noch nach Hilfe rufen. Seine Frau, die als Krankenschwester arbeitet, hört ihn und beatmet ihn, bis die Rettungskräfte eintreffen. Er überlebt. Vier Wochen liegt er anschließend im Koma. Er verbringt Monate in Krankenhäusern. Eine Depression kostet ihn zusätzlich Kraft. „Es ging mir wirklich schlecht“, sagt er. Sein damaliger Arzt prognostiziert ihm, dass er noch maximal fünf Jahre überlebt. Damit will er sich nicht abfinden. Im Januar hat er schließlich angefangen, Sport zu machen. Drei Mal in der Woche setzt er sich auf das Ergometer, tritt in die Pedale, „ganz langsam“. Der Anfang fällt ihm schwer: „Ich hatte ja fast keine Muskulatur mehr“, sagt er heute. 31 Kilo hatte er in den Monaten davor abgenommen.
Krämer sei ein untypischer Patient, sagt Ärztin Sommerwerck. „Viele Menschen mit diesem Krankheitsverlauf kommen kaum noch aus ihrer Wohnung raus“, sagt sie. Krämer, der in Euskirchen lebt, hörte von Sommerwercks Spezialisierung und kümmerte sich um einen Platz auf ihrer Station. Drei Wochen lang trainierte er täglich im Sportraum, das gehört zur Therapie, mit der Sommerwerck und ihr Team die Lungenpatienten fit machen wollen.
Übungen zur richtigen Atemtechnik, Ausdauertraining und Kraftsport seien um ein Vielfaches wirksamer als die sonst verbreiteten Atemwegsprays, sagt sie. Die Patienten lernen, ihre eingeschränkten Lungen effektiv zu nutzen, gezielt die notwendigen Hilfsmuskeln für die Atmung zu trainieren. Und auch das „richtige Abhusten“ üben sie. Denn heilbar sind Erkrankungen wie die von Uwe Krämer nicht. Die Leistungsfähigkeit der Lunge nimmt mit dem Alter kontinuierlich ab. Trotzdem macht er heute 30 Minuten Sport am Tag – für ihn ist das allein schon ein Stück Lebensqualität. Seine Atmung hat er seitdem besser unter Kontrolle.
Viele Patienten wie er leiden unter einer aufgeblähten Lunge, aus der die Luft nicht richtig entweichen kann. Mit der passenden Atemtechnik kann Krämer dem entgegenwirken. Im Klösterchen machen Sommerwercks Kollegen aus der chirurgischen Abteilungen auch Operationen, die etwa das Lungenvolumen gezielt reduzieren. Sommerwerck kann endoskopisch Ventile in geeignete Bronchien einsetzen, um den Luftstrom zu regulieren. Äußerst selten bereitet sie auch Patienten für Lungentransplantationen vor.
Krämer sagt, er habe diese Möglichkeit „aus seinem Kopf gestrichen“. In Deutschland gebe es im Jahr nur rund 300 Lungen, die transplantiert werden. Sie verlängerten das Leben der Patienten zudem nicht. Weil die Empfänger starke Medikamente nehmen müssen, damit die Spenderlunge nicht vom Immunsystem abgestoßen wird, sei auch der Gewinn an Lebensqualität relativ, sagt Sommerwerck.
Bei gut ausgesuchten Kandidaten sei aber dennoch eine „deutliche Verbesserung“ möglich. Krämer ist indes knapp an der Altersgrenze für eine solche Organspende. Seine Zuversicht, die nächsten Jahre noch genießen zu können, hängt vielmehr an der Wirksamkeit des Lungensports. „Es geht letztlich darum, wie wir die Jahre mit der schwächer werdenden Lunge strecken können“, sagt Sommerwerck. Und trotzdem bleibt die Angst. Krämer fürchtet jeden Infekt. Manchmal wacht er nachts auf und bekommt keine Luft. „Diese Nacht habe ich gedacht, das war's“, erzählt er just beim Termin im Klösterchen. Seine Frau sei in solchen Momenten seine wichtigste Stütze. Und auch wenn er in die Zukunft blickt: „Ich will leben. Ich habe noch was vor“, sagt er. Mit dem Wohnmobil durch Skandinavien, das steht auf seiner Liste ganz oben.
Ute Sommerwerck, Leiterin der Abteilung für Lungenkrankheiten