„Monster"Kölner Autorin hat Jugendroman über sexuellen Missbrauch geschrieben

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Mit ihrem Buch wollte Brigitte Jünger die Opferperspektive zur Geltung bringen.

Köln – Das Monster ist allgegenwärtig. Mal kriecht es aus einem Riss in einer Bodenfliese, mal schleicht es sich an und schlägt seine Krallen in den Kopf seines Opfers, dann wieder nimmt es die Gestalt eines Kraken an, umklammert seine Beute und drückt ihr die Luft ab. So empfindet es Felix im Jugendroman „Monster“, den die Kölner Autorin Brigitte Jünger vorgelegt hat. Was ist los mit dem 14-Jährigen, den die buchstäblich monströse Vorstellung immer wieder heimsucht, sodass er irgendwann resigniert denkt: „Es ist mir klar, dass ich keine Chance habe. Nicht in diesem Leben. Das Monster ist überall.“

Felix fühlt sich als Versager

Dass etwas Schreckliches passiert sein muss, ist von Anfang an klar. Spätestens, wenn nach knapp 20 Seiten schwärmerisch-anzügliche Handynachrichten von Felix’ Schwimmtrainer zu lesen sind, ahnt oder weiß man, dass der vaterlos aufwachsende Junge ein Opfer sexuellen Missbrauchs geworden ist. Aus seiner Perspektive und in jugendgerechter Sprache, wechselnd zwischen auktorialem Erzählen und innerem Monolog, schildert Jünger, wie schwer er daran leidet.

Zu Person und Buch

Brigitte Jünger, 1961 in Köln geboren, arbeitet als Autorin und freie Journalistin für mehrere Rundfunkanstalten. „Monster“, geeignet ab 13 Jahren, 168 Seiten, Verlag Jungbrunnen, 17 Euro.

Ein Gemisch aus Selbstekel, Schuldgefühlen, Traurigkeit und ohnmächtiger Wut bringt ihn in der ohnehin schwierigen Phase der Pubertät aus dem Tritt. Wer ist er überhaupt noch? Früher war er als Stadtsieger der jüngsten Schwimmmeisterschaft „so etwas wie der Star der Schule“, jetzt kommt er sich als „Versager“ vor, als „dreckiges kleines Nichts“.; er schreckt vor körperlichen Berührungen zurück und entwickelt einen Zählzwang. Die Menschen in seiner Umgebung bemerken zwar, dass er sich verändert hat, haben aber keine Erklärung dafür. Weder die Mutter, die als Altenpflegerin arbeitet und mit der er in einem Kölner Vorort lebt, noch die Clique der Schulkameraden. „Hast du Kummer?“, fragt ihn der Großvater einmal. „Kannst du darüber reden?“

Aus der Opferstarre heraus

Genau das kann Felix nicht. Jünger versteht es, intensiv mitfühlen zu lassen, was in dem verstörten Teenager vor sich geht. Über „die wirklich krassen Dinge“ könne man ja „mit niemandem sprechen“, denkt er. Hier und da streut die Autorin etwas ein, das ihm die Möglichkeit aufzeigt, sich zu öffnen. So hört er, dass der im Rollstuhl sitzende Vater seiner Mitschülerin Alva, der er gerne näherkommen würde, die Hilfe eines Psychotherapeuten in Anspruch nimmt. Und er erlebt mit, dass zwei Klassenkameraden den Mut finden, sich als schwules Liebespaar zu outen.

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Ein plötzlicher, ungehemmter Ausbruch seiner Wut wirkt als Initialzündung dafür, aus der Opferstarre hinauszufinden. Wenig später fliegt der Täter auf. Entscheidend ist, dass Felix die Qual, die das Geschehene ausgelöst hat, „erst loswerden kann, wenn darüber redet und professionelle Hilfe bekommt“, schreibt Jünger im Nachwort.

Dort heißt es auch: Wenn Medien über aufsehenerregende Fälle von sexuellem Missbrauch – wie den Bergisch Gladbacher Missbrauchskomplex, der im Roman flüchtig berührt wird – berichten würden, gehe es oft um die Täter und diejenigen, die daran mitgewirkt haben, deren Taten zu vertuschen. Mit ihrem Buch wolle sie die Opferperspektive zu Geltung bringen, um verständlich zu machen, was sexualisierte Gewalt mit einem Menschen anrichte, so Jünger.

Aufruf, genau hinzuschauen

Es ist nicht das erste Mal, dass sie für das Genre des Jugendromans ein denkbar schwieriges Thema aufgegriffen hat. In ihrem vorherigen Buch „Der Mantel“ geht es um den Holocaust. Ihr neuer Roman solle „dazu ermutigen, genauer hinzuschauen, wenn ein Schüler und Mitschüler, ein Nachbarskind oder ein Kumpel im Sportverein sich plötzlich anders verhält als üblich“.

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