Regime-KritikAusstellung in Mülheim zeigt Mütter hingerichteter Menschen im Iran

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Man sieht die Holzfiguren von Shole Pakravan, deren Tochter im Iran hingerichtet wurde.

Die Holzskulpturen von Shole Pakravan repräsentieren Mütter, deren Kinder im Iran hingerichtet wurden. Sie hat auch eine Figur von sich selbst geschnitzt.

Menschen, die sich im Iran gegen das Regime stellen, bezahlen dafür mit ihrem Leben. Ein Ausstellung in Mülheim widmet sich ihren Müttern. 

Shole Pakravan erinnert sich an die Worte ihrer Tochter vor ihrer Hinrichtung: „Lass mich mit dem Wind ziehen“, sagte sie zu ihr, erzählt Pakravan. Erst nach Jahren konnte sie ihr den Wunsch erfüllen. Vor ihr auf dem Tisch steht eine kleine Holzfigur. „Das bin ich“, sagt Pakravan. Sie nimmt die geschnitzte Skulptur in die Hand. Die Figur streckt beide Arme aus, frei wie ein Vogel.

Sie stellt die Figur wieder zurück auf den Tisch zu ihren anderen Werken. Jede davon repräsentiert eine Mutter, die ihr Kind verlor. Eingesperrt, gefoltert, zum Tode verurteilt, hingerichtet. Ihre Tochter Reyhaneh Jabbari erhielt 2009 im Iran die Todesstrafe, weil sie in Notwehr einen Ex-Geheimdienstmitarbeiter tödlich verletzte, der sie vergewaltigen wollte. 

Köln-Mülheim: Ausstellung widmet sich gerechtigkeitssuchenden Müttern 

Pakravan flehte ihre Tochter an, die Anschuldigung der versuchten Vergewaltigung zurückzunehmen, um der Todesstrafe zu entgehen. Doch ihre Tochter weigerte sich und kämpfte. 2014 wurde sie mit einem Strick erhängt. Durch sie habe Pakravan gelernt „Nein“ zu sagen, erzählt sie. Seitdem setzt sich die 59-jährige Mutter für Gerechtigkeit ein. 2017 floh sie nach Deutschland. Sie schrieb ein Buch „Wie man ein Schmetterling wird“ und zeigte den Dokumentarfilm „Sieben Winter in Teheran“ über ihre Tochter auf der Berlinale. 

Im Kulturbunker Köln-Mülheim fand am Freitag die Vernissage zur Ausstellung „Die Mütter des Widerstands – Auf der Suche nach Gerechtigkeit“ statt. Zu sehen sind die Holzskulpturen von Pakravan sowie Illustrationen der Künstlerin Ice Flower. Die Grafikdesignerin porträtiert hingerichtete und ermordete Frauen und Männer. Ein Film zeigt trauernde Mütter, eine Audioführung erzählt die Geschichten der Menschen.

Porträt einer Hingerichteten

Die Künstlerin Ice Flower möchte mit den Portraits blaue Mahnmale für die Menschen errichten, die ihr Leben verloren. Auf Instagram postet sie ihre Illustrationen.

Podiumsteilnehmer üben starke Kritik an deutscher Iranpolitik

Am Samstagabend fand eine Podiumsdiskussion mit Künstlerin und Schauspielerin Pakravan, Journalistin Shanli Anwar, Journalist Pooyan Mokari, Bundestagsabgeordneten Max Lucks (Bündnis 90/Die Grünen) und Islamwissenschaftlerin Azadeh Fatih statt. Die Initiative Free Human, die sich für unterdrückte Menschen im Iran einsetzt, moderierte. Sie sprachen über die Freiheitsbewegung „Frau, Leben, Freiheit“ und die deutsche Iranpolitik.

„Die Menschen im Iran sind enttäuscht von der westlichen Politik“, so Journalist Mokari. Pakravan kritisierte, dass Deutschland iranischen Vertretern die Einreise nach Deutschland erlaube. Auch verurteilt sie deutsche Firmen wie Bosch, die Technologien in den Iran lieferten. Die importierten Überwachungskameras setze das iranische Regime ein, um die im Land bestehende Kopftuchpflicht für Frauen durchzusetzen. 

Für scharfe Kritik sorgte zudem der kürzliche Auftritt eines Taliban-Funktionärs in der Ditib-Moschee in Köln sowie das Islamische Zentrum Hamburg, das unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stehe, als islamistisch eingestuft, aber nicht geschlossen werde. „Es ist unsere Aufgabe, Strukturen zu ändern und zu überlegen, wie können wir mehr tun“, so Lucks. Der Grünen-Politiker dokumentiert im Europarat die Menschenrechtsverletzungen im Iran und verlangt die Listung der Revolutionsgarde als Terrororganisation. „Es braucht eine einheitliche europäische Iranstrategie“, sagt er.


Die Ausstellung ist noch vom 13. bis 15. Dezember im Kulturbunker Köln-Mülheim, Berliner Straße 20, zu sehen. Die Öffnungszeiten sind von 10 bis 20 Uhr.

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