Jugendroman-Autor aus Köln-Nippes„Piraten sind auch heute noch Realität“

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Andreas Brettschneider

Köln-Niehl – Andreas Brettschneider hat es nicht so mit Romantik. Zumindest dann nicht, wenn es um Piraten geht. „An der Thematik hat mich genervt, dass immer noch diese romantisierten Vorstellungen reproduziert werden“, sagt er. „Segelschiffe, Augenklappen, dieser ganze Unsinn. Aber Piraten sind auch heute noch Realität, und die ist ganz und gar nicht romantisch.“ Er meint somalische Piraten, die aus Not und Perspektivlosigkeit mit Maschinengewehren bewaffnet in winzigen Motorbooten hinausfahren, um die großen Frachtschiffe der reichen Nationen zu überfallen.

Debütroman über Piraten 

Genau darum geht es in seinem Debütroman „Auch junge Leoparden haben Flecken“, der im Februar beim Jugendbuch-Verlag Ueberreuter erschienen ist. Im Mittelpunkt steht der 15-jährige Geedi, der im Fischerdorf Hafun an Somalias nordöstlicher Küste lebt. Sein älterer Bruder Aayan hat sich vor Jahren den Piraten angeschlossen.

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Der Roman von Andreas Brettschneider

Als Aayan seinem Heimatort einen Kurzbesuch abstattet, folgt ihm Geedi heimlich, um ebenfalls Pirat zu werden. Doch das Seeräuberleben beschert ihm manche unangenehme Überraschung. „Das ist schon eine harte Thematik, gerade für einen Jugendroman“, räumt Brettschneider ein. „Das habe ich auch von vielen Agenturen zu hören bekommen. Ich denke aber, viele Verlage und auch Autoren trauen Jugendlichen einfach zu wenig zu.“

Aufgewachsen in Monheim am Rhein

Er betont, dass es ihm nicht darum geht, Somalia und seine Bewohner an den Pranger zu stellen. „Ich hab mir beim Schreiben immer gesagt: Misch dich nicht zu sehr in die Kultur der Somalier ein, das geht dich nichts an. Vielmehr will ich aufzeigen, welche Rolle die westliche Zivilisation dabei spielt, dass Menschen dort zu Seeräubern werden, weil etwa europäische Fangflotten ihre Meere leer fischen.“ Brettschneider selbst ist in Monheim am Rhein aufgewachsen, wo er in seiner Jugend erste literarischen Gehversuche wagte. „Ich habe immer wieder etwas geschrieben. Nur fiel mir dabei nach ein paar Wochen auf, dass es so klang wie das, was ich zuletzt gelesen hatte – irgendwie immer wie nachgemacht. Da habe ich es dann sein gelassen.“ Seine kreative Energie widmete er fortan der Musik. Für ein Lehramtsstudium zog er ins nahe Köln und spielte hier in einer Reihe von Bands, so auch im Indietronic-Projekt Monomatik. „Das war die Zeit, als man sich nicht mehr zwischen Rock und elektronischer Musik entscheiden musste, sondern einfach beides verschmelzen ließ, da sind die zwei Herzen in meiner Brust eins geworden.“ Das Schreiben hatte er auch damals nicht aufgegeben, denn in den meisten seiner Bands war er für die Songtexte verantwortlich.

Lehrer am EKG in Köln-Niehl

Inzwischen arbeitet er als Lehrer für Deutsch, Englisch und Musik am Erich-Kästner-Gymnasium in Niehl. „Es war so um meinen 40. Geburtstag herum, dass ich mir eingestand, dass das mit der Musikkarriere wohl nichts mehr werden würde“, sagt er. „Und etwa um die Zeit fing ich an, mich wieder auf das Schreiben zu besinnen.“ Das richtige Thema zu finden, fiel ihm dabei zu Beginn nicht leicht. „Worüber soll man als alter weißer Mann in Deutschland schon schreiben? Wir erleben ja nichts“, sagt er. Dann jedoch hatte er die Idee für seinen ersten Jugendroman, der von Schülern und ihren Erfahrungen mit Mobbing und Gewalt handelt. „Da habe ich nach 40 Seiten gedacht: also, ich bin zufrieden. Das war etwas Neues für mich“, meint er lachend.  Am Jugendroman schätzt er vor allem die Abstraktionsleistung, die man beim Schreiben erbringen muss. „Eine Geschichte über somalische Piraten, das ist eigentlich ein Thema für Erwachsene, könnte man denken. Aber wenn man es schafft, es auf das herunterzubrechen, was für Jugendliche wichtig ist, hat man es gut erzählt.“

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Seine Lehrtätigkeit habe hingegen wenig damit zu tun, dass er sich dem Jugendroman zugewandt hat. „Ich glaube, oder besser hoffe zwar, dass ich Jugendliche dadurch ganz gut verstehe, aber ich glaube nicht, dass das die Voraussetzung ist, um einen guten Jugendroman zu schreiben. Karl May war schließlich auch nie im Wilden Westen.“ Auf das Genre festlegen möchte er sich ohnehin nicht. Während er darauf hofft, im Kuen in Nippes bald wieder das Pop-Quiz veranstalten zu können, das dank Corona das letzte Mal vor zwei Jahren stattfand, arbeitet er schon an den nächsten Romanen. Ein erster Ausflug ins humoristische Fach liegt bereits fertig in der Schublade, ein Anti-Reiseroman. „Mich stört einfach diese Ideologie, ein selbst verwirklichter, weltoffener Mensch könne man nur sein, wenn man sich drei mal im Jahr ins Flugzeug setzt und irgendein Land bereist, das man vorher nicht mal auf der Weltkarte gefunden hätte. Diesen Mythos wollte ich ein wenig zerstören.“

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