Wohnen am RheinSo lebt es sich im kleinsten Fischerhäuschen von Köln-Niehl

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Blick aus dem Fenster auf den Rhein, auf dem Fensterbrett sitzt eine Katze.

Blick aus dem zweiten Stock auf den Rhein

Das Ehepaar Köckeritz lebt im wohl kleinsten historischen Fischerhaus am Niehler Damm.

Das winzige Häuschen hat zwei Stockwerke, jedes ist 29 Quadratmeter groß. Um es zu betreten, geht man ein paar Stufen herunter. Um in den zweiten Stock zu gelangen, steigt man auf einer Holztreppe mit abenteuerlich kleinen Stufen steil hinauf. „Daran gewöhnt man sich aber ganz schnell“, sagt Karl-Heinz Köckeritz (52). Oben angekommen befindet man sich direkt Schlafzimmer und sieht durch das geöffnete Fenster über dem Bett auf den Rhein. Neben dem Fenster hängt ein Holzschild mit der Aufschrift „Lieblingsplatz“.

Das ist die Ursprungsform des Tiny House, reicht völlig aus
Karl-Heinz Köckeritz

„Ist das nicht herrlich? Wenn man morgens aufwacht und hat diesen Blick, dann will man manchmal gar nicht weg“, sagt Karoline Köckeritz (59). „Den Fernseher brauchen wir eigentlich gar nicht anzumachen.“ Das Ehepaar wohnt in dem wahrscheinlich kleinsten historischen Fischerhaus am Niehler Damm, genau bei Stromkilometer 696. Es gehörte seit Generationen der Familie mütterlicherseits von Karl-Heinz Köckeritz. Eigentlich sollte die Tochter hier einziehen, dann sollte es eine Übergangswohnung für die Eltern sein. Doch sie blieben. „Das ist die Ursprungsform des Tiny House, reicht völlig aus.“

Karoline und Karl-Heinz Köckeritz stehen im Eingang ihres Hauses.

Gerade eine Tür und ein Fenster breit ist die Fassade im Erdgeschoss. Karoline und Karl-Heinz Köckeritz lieben ihr Mini-Haus.

Karl-Heinz Köckeritz ist in Niehl geboren, aufgewachsen ist er in der Merkenicher Straße, der Parallelstraße zum Damm – einen Block „landeinwärts“ sozusagen. Zum Rhein hat er sich schon als Kind hingezogen gefühlt. Doch eine Tragödie hing lange wie ein Schatten über dem Strom. Köckeritz’ Bruder ertrank im Alter vom sechs Jahren im Rhein. Die Mutter war deshalb besonders besorgt um den Jüngeren.

„Ich habe in meinem Elternhaus den Rhein immer nur die Baumwipfel schimmern gesehen, wenn ich aus dem Fenster geguckt habe. Und ich habe den Geräuschen der Schiffe gelauscht. Für mich stand fest: Ich will irgendwann mal direkt am Ufer wohnen.“ Er lernte Schwimmen, machte sogar eine Rettungsschwimmer-Ausbildung. So kämpfte er gegen das Bruder-Trauma an.

Ehepaar erweckte die Gaststätte „Linkewitz“ wieder zum Leben

Mit dem Einzug ins Fischerhäuschen vor drei Jahren war dann der letzte Schritt gemacht. Obwohl es nur ein paar Meter von der Merkenicher Straße entfernt steht, sei es hier immer zwei Grad kühler. Und auch die Stimmung besser. Er habe mal einen „Esoteriker“ getroffen, der ihm erzählt habe, über das Wasser fließe negative Energie ab, erinnert sich Köckeritz. „Ich dachte nur: Bleib’ mir weg. Ich halte von so einem Voodoo gar nichts. Aber irgendwie stimmt es, was der gesagt hat.“

Beim Blick auf den Rhein lässt der Stress nach, man wird ruhiger. Obwohl die früheren Bewohner das vielleicht noch anders sahen. Bis zu acht Personen lebten hier unter einfachsten Bedingungen. „Wir sind jetzt ja nur zu zweit – mit den Katzen vier – und das Haus ist quasi unsere Dienstwohnung“, sagt Karoline Köckeritz. „Meistens sind wir nebenan.“ Nebenan, das ist die Gaststätte „Linkewitz“ ein paar Häuser weiter.

Als das „Wunder von Niehl“ wurde die Eröffnung 2015 bezeichnet. Das Objekt mit Hotelzimmern und Ausflugslokal stand 20 Jahre leer, bis das Ehepaar es wiederbelebte. Ihr Pachtvertrag für das erste „Linkewitz“, ebenfalls am Niehler Damm, wurde nicht verlängert und so zogen sie mit dem Inventar und dem Namen in das neue Domizil. Stammgäste und Freunde halfen bei der Sanierung. Karl-Heinz Köckeritz, Maurermeister und Fliesenleger, leitete die Aktion. Die Niehler waren begeistert vom Ergebnis. Eine alte Dame habe sich gefreut, als sie das wieder freigelegte Parkett sah. „Da haben wir früher drauf jedanzt.“

Das Ehepaar im Wohnzimmer, hinten die steile Treppe nach oben

Das Ehepaar im Wohnzimmer, hinten die steile Treppe nach oben

Das Haus hat eine bewegte Geschichte. Einst befand sich hier die Fischhandels-Börse von Niehl, bis das Recht 1780 an die Stadt Köln abgegeben werden musste. Am Ufer gab es eine wichtige Treidelstation, wo die Pferde gewechselt wurden. 1930 ging es dann um PS. Henry Ford soll sich mit Anwälten im Hotel getroffen haben, um den Kauf von Grundstücken für das Ford-Werk in Niehl vorzubereiten. 

Früher, bevor der namensgebende Damm immer höher wurde, hätten die Fischer ihre Boote bis kurz vor die Häuser ziehen können, erzählt Köckeritz. Heute ist man gegen Hochwasser bis zu zwölf Meter geschützt. Die Fischerhäuschen haben alle Zeiten überstanden. „Das sind solide Backsteinhäuser. Da war noch kein Tropfen Wasser im Keller, das könnte ich sonst an Salzablagerungen sehen.“ Die Fundamente seien so dicht, weil Lehm dagegen gestampft worden sei, der keine Feuchtigkeit durchlasse. „Das war noch richtige Handwerkskunst. Das steht in 1000 Jahren noch.“

Ehepaar wünscht sich autofreien Niehler Damm

Trotzdem: So manches Häuschen am Niehler Damm steht leer, andere sind nicht gut in Schuss. Köckeritz vermutet, dass das an einem Problem liegt, das seit vielen, vielen Jahren nicht mehr bestehe: Geruchsbelästigung. Denn unter der Straße verläuft der größte Abwasserkanal für den Kölner Norden. Und das konnte man früher riechen. „Damals sind viele Leute weggezogen.“ Er selbst hat sich mit einem neuen Nachbarn, einem Architekten, zusammengetan, um seinem Häuschen das irgendwann verloren gegangene Satteldach wieder aufzusetzen. Damit das Bild wieder stimmig ist.

Außerdem setzt er sich mit der Initiative „Niehlfährt“ dafür ein, dass die ehemalige Fährverbindung zwischen Niehl und Flittard/Stammheim reaktiviert wird. Dafür macht er demnächst den Fährmann-Führerschein. Und noch einen Wunsch hat das Ehepaar: Der Niehler Damm wäre noch schöner, wenn er autofrei würde. Hier gebe es einfach zu viel Durchgangsverkehr. „Als wir hier eine große Baustelle hatten und alles gesperrt war, haben wir Stühle auf die Straße gestellt. Alle waren begeistert. Das war wirklich ein großes Stück Freiheit“, erzählt Karoline Köckeritz. 

Karl-Heinz Köckeritz feilt an seinen Kochkünsten und steht immer häufiger in der Küche. Karoline Köckeritz, die eigentlich Arzthelferin ist, liebt die Arbeit in der Gaststätte und den Kontakt zu den Menschen. Auch die Hotelzimmer managt sie. Dort wohnen derzeit übrigens Ford-Anlagenbauer, die das Werk für die E-Auto-Produktion umrüsten. So schließt sich wieder ein Kreis auf dem Niehler Damm. Und in ihrem Häuschen freut sich das Ehepaar sehr, wenn Leute vorbeigehen und sie durchs offene Fenster hören, wie sie vom Rhein und vom „Linkewitz“ schwärmen. 

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