Baustellenfund in NiehlArbeiter legen „Angströhre“ aus dem Zweiten Weltkrieg frei

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Bunkerbauwerk Niehler Damm

Das Bunkerbauwerk am  Niehler Damm wurde im Zuge von Bauarbeiten freigelegt. 

Köln-Niehl – Ein ungewöhnliches Schauspiel gab es kürzlich an der Ecke Niehler Damm/Merkenicher Straße zu bewundern. 80 Jahre lang versteckte sich unter dem zuletzt verwilderten Grundstück eine Bunkeranlage aus dem Zweiten Weltkrieg.

Dann, vor wenigen Wochen, legten Bauarbeiter das Betongebilde frei, um es mit Hydraulikhämmern Stück für Stück abzutragen. Denn hier sollen demnächst neue Wohnungen mit Tiefgarage entstehen. Zahlreiche Passanten verfolgten, wie ein massives Stück finsterer deutscher Geschichte in kleinen Teilen auf Lkw verladen wurde.

Bunkeröffnungn in Köln-Niehl werden zubetoniert

„Das waren ungefähr 270 Quadratmeter Betonfläche, die wir abgebrochen haben“, sagt Daniel Dappen vom zuständigen Abbruchunternehmen, während er in die mittlerweile freigeräumte Baugrube schaut. Querschnitte der Bunkerröhre sind am Rande noch zu sehen, denn die komplette Schutzanlage musste nicht für das Neubauprojekt weichen. Die Öffnungen werden nun zubetoniert.

Anwohner Reiner Vogedes gehörte zu den letzten Besuchern des hufeisenförmigen Bunkers. Mit Erlaubnis der Bauträgergesellschaft stieg er Anfang des Jahres hinter dem Zugang auf dem Eckgrundstück die Treppenstufen hinab in die Dunkelheit, die damals auch die Schutzsuchenden bei Bombenalarm nutzten. „Ich musste mir erstmal Stiefel kaufen“, sagt Reiner Vogedes.

Bunker Niehl1

Reiner Vogedes steht in der Baugrube vor dem Eingang in die hufeisenförmige Anlage. Diese wird jetzt zubetoniert.

Denn in der Anlage stand das Wasser etwa 50 Zentimeter hoch. Eine halbe Stunde schaute er sich mit der Taschenlampe um und machte Fotos: „Schließlich ist das ein Stück Niehler Geschichte.“ Vor wenigen Jahren durchwatete auch Robert Schwienbacher den Weltkriegsbau aus dem Jahr 1942. Er ist Vorsitzender des Kölner „Instituts für Festungsarchitektur“ (Crifa), das sich um mehrere Kölner Bunker kümmert und ihre Geschichte im Bewusstsein hält.

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Streng genommen handele es sich bei dem Niehler Bau nicht um einen Bunker, sondern um einen Deckungsgraben, in dem sich Anwohner und Rheinschiffer vor Druck- und Feuerwellen schützen sollten. Direktem Beschuss hätte die Anlage nicht standgehalten, so der Experte. Dazu seien die Betondecken nicht stark genug gewesen.

Bau in Niehl wurde auch „Angströhre“ genannt

Der Bau, damals auch Angströhre genannt, habe sich zuletzt in schlechtem Zustand befunden. Robert Schwienbacher schätzt, dass in Köln rund 50 dieser öffentlichen Deckungsgräben in den unterschiedlichsten Bauformen existierten. „Sehr gerne hat man die in Wendeschleifen von Straßenbahnen angelegt“, sagt er.

Auch in Niehl existierte einst über dem Schutzbau eine solche Wendeschleife. Im Ernstfall konnten rund 200 Menschen unterkommen, die sich auf Bänken drängten, während Helfer mit Handlüftern Frischluft pumpten. „Bunker waren immer anderthalbmal überbelegt“, so der Crifa-Vorsitzende.

Die Bunkerwarte hätten ständig vor der Wahl gestanden, entweder Schutzsuchende abzuweisen und in den sicheren Tod zu schicken oder zu viele Menschen einzulassen und dadurch eine mangelnde Luftzufuhr zu riskieren: „In der Situation möchte ich nicht gesteckt haben.“

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