Michael Höllers zweites Buch erzählt von „Lost Grounds“ – vergessenen Fußball-Spielstätten wie der VfL-Tribüne an der Nippeser Rennbahn.
Fußball-BuchAutor löst Rätsel um historische VfL-Tribüne an Rennbahn in Weidenpesch

Ein Bild von 1910 zeigt die frühere Holztribüne (nicht identisch mit der heutigen denkmalgeschützten Tribüne) am Platz, wo das zweite deutsche Meisterschafts-Endspiel stattfand.
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Dieses Buch ist Fußball-Historie und -Kultur pur: In „Ein Stadion geht – die Legende bleibt: Meine Reisen zu den Lost Grounds Europas“, das am 29. September erscheint, geht der Autor Michael Höller auf Spurensuche zu ehemaligen, legendären oder vergessenen Spielstätten in ganz Europa. Auch den beiden Endspielen um die Deutsche Meisterschaft 1905 und 1910 in Köln, auf dem alten VfL-Areal an der Rennbahn, nahm sich der 55-Jährige aus Bergisch Gladbach an. Wir sprachen mit ihm über das Werk.
Was ist das Konzept des Buches?
Ich habe mich auf den Weg zu früheren Stadien in ganz Europa gemacht. Rund 740 „Lost Grounds“ zwischen Spitzbergen und Malta, Azoren und Kaukasus habe ich besucht, etwa 120 haben es ins Buch geschafft. Im Mittelpunkt steht, wie es an den Orten heute aussieht, nicht wie es früher war. Dabei ergaben sich schon skurrile Motive. Wenn es eine interessante Geschichte zum Ort gab, dann habe ich sie mit aufgenommen. Vordergründig geht es um Gebäude und Bausubstanz – aber eigentlich um Menschen, Emotionen und Leidenschaft.
Wie lange dauerte das Projekt, und wie war der Weg zum Buch?
Von der allerersten Idee an waren es rund drei bis vier Jahre. Ich bin bereits seit 35 Jahren leidenschaftlicher Groundhopper – jemand, der Stadionbesuche „sammelt“. Schon 2014 hatte ich ein Buch veröffentlicht, damals ging es aber um Stadien im Nahen Osten. Das jetzige Buch dürfte das erste überhaupt sein, dass sich explizit den „Lost Grounds“ widmet. Freunde und Bekannte haben mich bestärkt, es zu schreiben. Ich habe selbst kein Auto, sondern bin immer per Zug oder Flugzeug unterwegs. Nicht zuletzt hat mir mein Verlag sehr mit Lektorat und Gestaltung geholfen.
Wie haben Sie das Rätsel um die Tribüne und die Meisterschaft-Endspiele 1905 und 1910 in Köln gelöst?
Mir ging es darum, dass man erfährt, wo genau die Spiele stattfanden. Bis 1925 gab es vier Fußballplätze auf der Anlage, und die denkmalgeschützte VfL-Tribüne wurde erst 1920 erbaut. Doch wo sie lagen, war nicht leicht herauszufinden. Fündig wurde ich etwa im Historischen Archiv am Eifelwall sowie in der Sporthochschul-Bibliothek, wo ich die Festschrift zum 25-jährigen Bestehen des damaligen Kölner Fußball-Clubs 1899 aufstöberte. Darin gab es einen guten Plan der Vereinsanlage. Mit akribischer Recherche, etwa dem Sichten von alten Fotos, ermittelte ich die genauen Spielorte; sie lagen nicht an der heutigen Tribüne. Auf dem Endspielplatz von 1905 befindet sich ein Gras-Paddock für die Pferde, der Platz von 1910, weiter südlich, ist heute bewaldet. Näheres erfährt man im Buch.
Was war für Sie, außer der VfL-Tribüne, der beeindruckendste Ort auf der Tour?
Ein recht großes, seit langem verlassenes Stadion befindet sich in Brünn, dem tschechischen Brno: „Za Lužánkami“, wo bis 2001 der örtliche Fußballclub spielte. Die Fans kämpften bis zuletzt um den Erhalt, auch weil der Club dort seinen einzigen Meistertitel holte. 2015 lud ein Spieler im schon lange verfallenden Stadion zu seinem Abschiedsspiel ein, es kamen 35.000 Leute. Beeindruckend war auch meine Spurensuche nach Udo Steinberg: Der Mitgründer des DFB spielte neun Jahre für den FC Barcelona, er schoss 1902 im allerersten Duell gegen Real Madrid zwei Tore. Mit seinem Heimatverein baute er im sächsischen Mittweida 1901 den wohl ältesten bestehenden reinen Fußballplatz Deutschlands. Mir gelang es mit viel Glück, sein Grab auf dem riesigen Zentralfriedhof von Madrid zu finden – 18 Tage, bevor die Liegezeit ablief. Und in Kleve fand 1910 das erste Heim-Länderspiel gegen die Niederlande statt – heute liegt auf dem Platz eine JVA, von den Preußen drei Jahre später erbaut.
Was würden Sie sich für die historische Anlage auf der Rennbahn wünschen?
Mein Wunsch wäre es, hier im Weidenpescher Park eine Gedenktafel, ein Schild oder etwas Ähnliches zu haben, das an die Finalspiele um die Deutsche Meisterschaft erinnert – denn hier gibt es nichts dergleichen. Ganz wunderbar wäre es natürlich, wenn das Tribünen-Areal irgendwann wieder mit sportlichem Leben gefüllt wird.