Zündstoff für den StadtratKonzept geleakt – Wie Köln Wohnungslosigkeit bekämpfen will

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Obdachloser im Schlafsack in einem Ladeneingang in der Kölner Hohe Straße

In Köln gibt es immer mehr obdach- und wohnungslose Menschen. Die Stadt Köln will das mit einem umfassenden Konzept ändern –aber wie realistisch ist es?

Die Vorschläge zur Bekämpfung der Wohnungslosigkeit in Köln sind weitreichend – und offenbaren große Versäumnisse.

Es existiert schon lange – böse Zungen meinen, dass die Stadt Köln es jetzt veröffentliche und in den Rat einbringe, weil es von einem Whistleblower jüngst weitergegeben und ins Netz gestellt worden war: Es heißt „Kölner Konzept zur Bekämpfung von Wohnungslosigkeit“, ist weitreichend und teuer. Über seine Umsetzung soll am 21. März der Stadtrat entscheiden.

Stadt Köln: Jährlich 3500 bis 4500 Mietverhältnisse bedroht –wahrscheinlich aber viel mehr

Die Vorschläge bergen Zündstoff – möchte doch die Stadt einerseits viel Geld ausgeben, um Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit zu bekämpfen – und das von der EU hochgesteckte Ziel, die Obdachlosigkeit bis 2030 zu beenden, zu erreichen. Andererseits offenbart das 68 Seiten starke Papier indirekt, dass die Stadt ihre selbst gesteckten Ziele beim Wohnungsbau und der Unterbringung von Menschen ohne feste Wohnung weit verfehlt hat. So kommt es, dass in Köln „jährlich mindestens zwischen 3500 und 4500 Mietverhältnisse bedroht sind“ – und das seien allein die gemeldeten Fälle. Die tatsächliche Zahl „dürfte deutlich höher sein“ – Grund sind oft Mietschulden oder Zahlungsunfähigkeit.

Köln: 8170 Menschen ohne Wohnung, mehr als in jeder anderen NRW-Stadt

„Der angespannte Kölner Wohnungsmarkt und überlastete Kölner Hilfesysteme erschweren es den Menschen in Obdach- und Wohnungslosigkeit zunehmend, in Arbeit, Wohnen und Gesellschaft zurückzukehren“, heißt es in dem Vorschlagspapier. 8170 Menschen sind laut Statistik in Köln wohnungslos – das sind mit großem Abstand die meisten von allen Städten in Nordrhein-Westfalen. Im Vergleich zum Jahr 2016 ist die Zahl um 68 Prozent gestiegen.

Gleichzeitig sinkt die Zahl der Sozialwohnungen in Köln seit Jahren rapide: Gab es 1990 noch 105.000 Wohnungen für Menschen mit Wohnberechtigungsschein, so waren es 2021 weniger als 38.000 – in den kommenden fünf Jahren fallen weitere gut 10.000 Wohnungen aus der sozialen Mietpreisbindung. Die Zahlen werfen auch kein helles Licht auf die Worte von Oberbürgermeisterin Henriette Reker, die bei ihrem Amtsantritt 2015 angekündigt hatte, die „Schaffung von Wohnraum insbesondere für Menschen mit niedrigem Einkommen“ zu einer ihrer „großen Aufgaben“ zu machen.

Köln: Menschen leben bis zu 14 Jahre lang in Notunterkünften

Die angespannte Lage auf dem sozialen Wohnungsmarkt führe dazu, dass Menschen nur sehr schwer aus Notunterkünften vermittelt werden könnten, heißt es in dem Konzept. Durchschnittlich verbrächten Menschen zwei Jahre dort, „in einzelnen Fällen bis zu 14 Jahre“. Eigentlich sei es nötig, „die ordnungsbehördlichen Unterbringungssysteme des Amtes für Wohnungswesen durch den Kauf oder Bau neuer Sozialhäuser und Obdachlosenunterkünfte zu erweitern. Zur Beseitigung von Obdach- und Wohnungslosigkeit muss die Stadt Köln angemessenen und bezahlbaren Wohnraum schaffen. Nur so können nachhaltig Obdachlosigkeit und Wohnungslosigkeit überwunden werden“.

Getan hat sie das in den vergangenen Jahren nicht. Eine Ursache für die schleppende Vermittlung in den normalen Wohnungsmarkt sei, dass nur wenige Privateigentümer, die zwei Drittel der Wohnimmobilien in Köln besitzen, bereit seien, an wohnungs- und obdachlose Menschen zu vermieten.

Für eine fünfköpfige Familie im Hotel zahlt die Stadt Köln 7604 Euro im Monat und 91.250 Euro im Jahr

Abhilfe schaffen soll dem Konzept zufolge ein umfassendes Maßnahmenpaket. So könnte eine soziale Wohnraumagentur (SWA) gegründet werden, um den Immobilienmarkt in Köln für wohnungs- und obdachlose Menschen zu erschließen. Die Agentur würde mit den städtischen Ämtern zusammenarbeiten und sich um sämtliche Kostenfragen und einen Großteil der Bürokratie kümmern. Sie wäre teuer – könnte sich aber auszahlen, heißt es – auch weil die aktuelle Unterbringung von Menschen zum Beispiel in Hotels noch weitaus teurer ist.

Im Juni 2023 hatte die Stadt Köln 1600 Menschen in extra angemieteten Hotels untergebracht – die Zahl steige weiter an. Durchschnittlich koste ein Hotelplatz 1520,83 Euro im Monat – für die Unterbringung einer fünfköpfigen Familie im Hotel zahlt die Stadt 7604 Monat im Jahr oder 91.250 Euro im Jahr – dafür könnte eine der teuersten Luxusvillen im Hahnwald gemietet werden. 29,2 Millionen Euro zahlt die Stadt aktuell nur für die Unterbringung in Hotels – und will diese Ausgaben drastisch reduzieren. Geplant ist, die durchschnittliche Verweildauer von zwei Jahren auf maximal neun Monate zu reduzieren.

Ausweitung von Prävention, Housing First, Fall-Management, Reintegration

Ausgeweitet werden soll das Wohnprojekt Housing First, Obdachlose werden dadurch in Wohnungen vermittelt und durch ein Netzwerk unterstützt. Entstehen soll noch dieses Frühjahr ein sogenannter Teilhaberat, um die Interessen der Betroffenen besser zu kommunizieren. Finanziert werden könnte das Gremium über eine soziale Stiftung. Schon bald starten soll auch ein Nachtcafé für bis zu 30 Menschen, durch das ein bisher fehlender nächtlicher Rückzugsraum geschaffen werden soll.

Präventive und humanitäre Hilfen, soziale Betreuung, ein Fall-Management und Reintegrationsmaßnahmen sollen ausgebaut, ein Angebot für obdachlose Menschen mit Haustieren geschaffen werden. All das kostet Geld, viel Geld. Allein an Mehrkosten fürs Verwaltungspersonal werden im laufenden Jahr mehr als 800.000 Euro vorgesehen.

Kölner Konzept gegen Wohnungslosigkeit: Wie könnten mehr Sozialwohnungen entstehen?

Die größten Einsparpotenziale sieht die Stadt Köln in der Verkürzung der Verweildauer in den Notunterkünften und einen Abbau der Hotelplätze. Könnte die Unterbringung in städtischen Beherbergungen von im Schnitt zwei Jahren auf neun Monate verringert werden, ergebe sich ein Einsparpotenzial von 18 Millionen Euro. Die Kosten für die Unterbringung in Hotels könne bis 2030 um bis zu 65,7 Millionen Euro reduziert werden.

Um das zu erreichen, sei der öffentlich geförderte Wohnungsbau „ein wichtiges Instrument“. Es müssten also sehr viele neue Sozialwohnungen entstehen. Wie das gelingen soll, steht in dem Konzept nicht.

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