E-Scooter-VerbotParis ist ein Vorbild für Vieles – doch liegt Frankreichs Hauptstadt hier falsch?

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Kontrolle eines E-Scooter-Fahrers im August 2022 auf dem Hohenzollernring.

Kontrolle eines E-Scooter-Fahrers im August 2022 auf dem Hohenzollernring.

Paris wird E-Scooter-Verleihern keine neuen Lizenzen gewähren. Sollte Köln genauso verfahren? Ein Pro und Contra.

Contra – Paris taugt beim E-Scooter-Verbot nicht als Vorbild

Die Bürgermeisterin von Paris jubelt. „Die Bürger haben sich klar gegen die E-Scooter ausgesprochen“, sagte Anne Hidalgo am Sonntagabend. Das ist schon mal eine merkwürdige Interpretation einer Abstimmung, an der nur 7,5 Prozent der Pariserinnen und Pariser teilgenommen hatten. Ab September wird es so nun aller Voraussicht nach keine E-Scooter mehr in der französischen Hauptstadt geben.

Martin Dowideit

Martin Dowideit

Stellvertretender Chefredakteur des „Kölner Stadt-Anzeiger“ und Head of Digital. Jahrgang 1978, geboren in Köln. Diplom-Volkswirt und Absolvent der Kölner Journalistenschule für Politik und Wirtschaft...

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Ein komplettes Ende der Lizenzvergabe an Roller-Verleiher ist kein Vorbild für Köln. Auch wenn Paris in Sachen Fahrradfreundlichkeit aufdreht, viele Straßen in Fußgängerbereiche umwandelt und so viele Stadtteile lebenswerter macht – nicht alles aus der Stadt ist zum Nacheifern geeignet.

E-Scooter-Betreiber zahlen Gebühren an die Stadt

E-Scooter-Betreiber erhalten Lizenzen, zahlen Gebühren an die Städte und haben sich in der Vergangenheit flexibel gezeigt, auf störende Folgen des Einsatzes ihrer Gefährte zu reagieren. Häufig wird vor allem das Abstellen der Roller an Orten kritisiert, die Fußgänger oder andere Verkehrsteilnehmer behindern. Doch die Apps der Anbieter unterbinden das Abstellen an bestimmten Orten. Wer schon mal mit dem E-Roller zum Rhein-Energie-Stadion gefahren ist, wird wissen, dass das funktioniert. Und auch das Phänomen, dass Fahrer nach Gebrauch Roller in den Rhein geschmissen haben, ist nicht mehr virulent, seitdem die Abstellflächen geändert wurden.

Hunderte E-Scooter und Leih-Fahrräder stehen während eines Heimspiels des 1. FC Köln an der Aachener Straße. Hinter der Brücke über den Militärring ist das Abstellen durch die Apps der Anbieter untersagt.

Abgestellte E-Scooter und Leih-Fahrräder während eines Heimspiels des 1. FC Köln an der Aachener Straße. Hinter der Brücke über den Militärring ist das Abstellen durch die Apps der Anbieter untersagt.

Das E-Scooter-Angebot ist eine sinnvolle Ergänzung im Mobilitätsangebot der Stadt. Gerade junge Menschen nutzen die Fahrzeuge gerne und ein Aus der Angebote hätte etwas von Zukunftsverweigerung. Sich nur ein Komplett-Verbot beziehungsweise eine Nicht-Vergabe von Lizenzen vorstellen zu können, um dem Angebot Herr zu werden, wäre viel zu eindimensional gedacht.

Köln hat einen guten Weg gewählt, im Dialog mit den Anbietern zu sein und gemeinsam Missstände im Gebrauch zu unterbinden, E-Scooter-Fahrerinnen und -Fahrer regelmäßig zu kontrollieren und den rücksichtsvollen Gebrauch zu fordern und zu unterstützen.


Und jetzt sind Sie gefragt: Wie ist Ihre Meinung?

Pro – Paris taugt beim E-Scooter-Verbot als Vorbild

Die Pariserinnen und Pariser, die abgestimmt haben, sind sich einig: Leih-E-Roller sollen aus der Stadt verbannt werden. Diese Abstimmung ist stark vom Argument des Abstellchaos getrieben worden. Das ist durchaus auch in Köln angebracht. Immer noch stehen und liegen Roller mitten auf den Bürgersteigen oder sind in Gebüsche geworfen.

Rika Kulschewski

Rika Kulschewski

Volontärin des „Kölner Stadt-Anzeiger“. In Bielefeld aufgewachsen, hat sie erst Station im Ruhrgebiet fürs Journalistik-Studium an der TU Dortmund gemacht. Längere Zwischenstopps in Neuseeland, Finnla...

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Für die Abschaffung sprechen jedoch weitere, triftigere Gründe. So sind die E-Scooter gefährlich: 2021 registrierte die Polizei 5535 E-Scooter-Unfälle mit Personenschaden in Deutschland, fünf starben. In der spontanen Leih-Situation trägt kaum jemand einen Helm, dabei nimmt man mit ihnen am Verkehr teil wie mit einem Fahrrad. Werden sie darüber hinaus auch noch zu zweit gefahren, verliert der Fahrer oder die Fahrerin schnell die Kontrolle.

E-Scooter sind keine innovative, klimaneutrale Alternative zum Auto

Während all das natürlich in der Eigenverantwortung der Nutzer liegt, wiegt ein weiteres Argument gegen die E-Scooter schwerer: Sie werden als innovative, klimaneutrale Alternative zum Auto gehandelt. Das sind sie aber nicht. Umweltschädlich ist nicht nur die Herstellung des Zweirads, sondern vor allem dessen momentane Nutzung.

Die Batterien der Roller benötigen seltene Erden und Metalle wie Kobalt, Nickel, Kupfer und Aluminium, deren Abbau mit Belastungen für die Gesundheit und Umwelt einhergeht. Eine Studie der North Carolina State University zeigte einen Verbrauch von rund 202 Gramm CO₂ pro Meile (ca. 1,6 km) auf. Das ist zwar deutlich weniger als ein Auto, jedoch mehr als ein Dieselbus pro Passagier (82 Gramm) und als ein Fahrrad allemal.

E-Scooter liegen auf einem Gehweg in Köln und versperren den Weg.

E-Scooter liegen auf einem Gehweg in Köln und versperren den Weg.

Genau hier liegt der Kern des Problems: Die E-Scooter werden nicht so genutzt, wie sie als klimafreundliche Alternative zum Auto angepriesen wurden. Dafür ist das E-Scooter-Netz in Köln auch nicht passend ausgerichtet. Sinnvoll wäre es, wenn die Roller Autos ersetzen würden, gerade auf der letzten Meile zum ÖPNV.

Private E-Scooter sind umweltfreundlicher

Stattdessen können und werden sie vor allem da genutzt, wo das Bus- und Bahnnetz ausreichend und umweltfreundlicher ist. Eine Studie des ETH Zürich zeigt, dass gemeinsam genutzte E-Scooter mehr CO₂ ausstoßen als die Verkehrsmittel, die sie ersetzen.

Das kann nicht Sinn und Zweck sein. Private Roller, die auch nach dem Pariser Beschluss weiter genutzt werden können, sind hingegen laut Studie umweltfreundlicher. Die Leih-Variante der E-Scooter, wie sie im Moment angeboten wird, aus Köln zu verbannen, würde also nicht nur zu weniger Chaos auf den Straßen und Gehwegen sorgen, sondern wäre schlicht eine klimafreundliche Maßnahme.

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