Pflegedienst fehlt PersonalSchwerbehinderter Kölner kommt ohne fremde Hilfe nicht ins Bett

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Ralf Degen sitzt im Rollstuhl. Hinter ihm ist sein Bett zu sehen, rechts von ihm ein Fitnessgerät. Er trägt ein T-Shirt mit der Aufschrift Young, Sexy, Muscican.

Ralf Degen (57) hat Multiple Sklerose und sitzt im Rollstuhl. Jetzt hat ihm der Pflegedienst gekündigt - Ersatz ist nicht in Sicht.

Nach Weihnachten kündigte dem Kölner Ralf Degen der Pflegedienst. Einen Ersatz sucht der 57-Jährige bislang vergeblich.  

Seinen Humor hat Ralf Degen auch nach der kurzfristigen Kündigung seines Pflegedienstes und der bislang vergeblichen Suche nach einem Ersatz nicht verloren.

Der 57-Jährige trägt ein T-Shirt mit der Aufschrift „Young, Sexy, Musician“, er lacht viel, wenn er in seiner Erdgeschoss-Wohnung in der Südstadt von seinem bewegten Leben und absurden Erlebnissen als Mensch mit Behinderung erzählt. Er sagt: „Trotz Rollstuhl, Multipler Sklerose, Schlaganfall und den ganzen Einschränkungen lebe ich eigentlich ganz gern.“

Dieser Tage ist Degens Witz eher sarkastischer Natur – „denn im Moment“, sagt er, „weiß ich nicht, wie ich morgens aus dem Bett komme und abends wieder rein.“ Auch das Waschen und der Toilettenbesuch seien allein nicht möglich – seit dem 1. Februar helfen Freunde, sein Physiotherapeut und vor allem seine langjährige Freundin Sandra aus.

Über Jahre pflegte ihn die Freundin

Sandra Buschbaum hat Ralf Degen in den vergangenen Jahren fast allein gepflegt, inzwischen sind die beiden nicht mehr zusammen, leben aber in der Südstadt nur ein paar Häuser voneinander entfernt. Er ruft an, wenn er sie braucht, „ich lasse ihn natürlich nicht fallen“, sagt sie. Die 14-jährige Beziehung, immer stärker geprägt von seiner fortschreitenden Immobilität, ist eine eigene Geschichte.

Am 27. Dezember 2022 schrieb der Pflegedienst Ralf Degen: „Aufgrund der momentanen Mitarbeitersituation sehen wir uns gezwungen, den mit ihnen geschlossenen Pflegevertrag zum 31. Januar 2023 zu kündigen.“ Vier Wochen blieben dem Kölner, um Ersatz zu beschaffen. Die reichten nicht aus – obwohl er mehrere Dutzend Pflegedienste aus Köln und der Umgebung kontaktiert habe, sagt er.

Von seiner Pflegekasse DAK habe er am Telefon widersprüchliche Auskünfte erhalten: „Einer sagte mir, er schicke mir Listen mit Pflegediensten, einen neuen Dienst organisieren könne die Kasse nicht. Ein anderer sagte, ich müsste zuerst einen Antrag für Pflegeberatung stellen. Ein Dritter meinte, er sei nicht zuständig und ich müsse mich da selbst drum kümmern.“

Köln: Personalsituation in der Pflege „Sehr angespannt“

Tatsächlich sind die Pflegekassen nicht verpflichtet, einen ambulanten Pflegedienst zu organisieren, obligatorisch ist aber eine Pflegedienstberatung. Das Formular zur Beantragung eines Beratungstermins liegt auf Ralf Degens Schreibtisch. 

Die Pflegekassen würden nicht automatisch über gekündigte Verträge informiert, sagt ein DAK-Sprecher auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Die Regel sei, dass sich die Versicherten wie im vorliegenden Fall selbst auf die Suche machten und die Kasse eine Liste mit Pflegediensten zur Verfügung stelle. 

Die Personalsituation im Bereich der ambulanten Pflege sei „sehr angespannt, selbst in Großstädten wie Köln. Wie wir es derzeit mitbekommen, ist die Nachfrage höher als das Angebot“. Die „DAK“ werde „versuchen, einen Pflegedienst für Herrn Degen zu organisieren, was jedoch bei der angespannten Lage im Bereich der ambulanten Pflege sehr schwierig ist“.

Nach einem Schlaganfall kann Degen nicht mehr Gitarre spielen und malen

Dass Degen dringend auf Unterstützung angewiesen ist, bestätigt nicht nur seine Pflegestufe 4: Die Multiple Sklerose äußert sich in zunehmenden Bewegungseinschränkungen, im Sommer 2022 hatte er auch noch einen Schlaganfall, seitdem ist die rechte Körperhälfte gelähmt. Seine Freundin war spätestens jetzt mit der Pflege überfordert.

Dass er nicht mehr Gitarre spielen und Malen kann, macht Ralf Degen mental zu schaffen – die Wohnung ist voller eigener Bilder, im Wohn- und Schlafzimmer hat er sich ein Musikstudio eingerichtet – „damit komme ich irgendwie klar“, sagt er. „Aber nicht allein aufs Klo gehen zu können, ist nachvollziehbarer Weise nicht so schön.“ Seit er von seiner Freundin getrennt sei, komme er auch nur noch selten aus der Wohnung.

Anspruchsvoll sei er nicht: „Ich brauche jemanden, der mir morgens aus dem Bett hilft und abends wieder rein, dazu Unterstützung beim Waschen und gelegentlich beim Toilettengang.“ Das könne auch ein Frührentner oder ein anderer Mensch mit Ressourcen sein – „ich kann das ja frei über das Pflegegeld bezahlen, wenn sich kein Dienst findet“.

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