„Prekäre Situation“Wie der niedrige Rheinpegel Tiere und Pflanzen belastet

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Auch in Köln ist der Pegelstand des Rheins ungewöhnlich niedrig

Köln – Es ist der immergleiche Anblick in Köln, Düsseldorf und Duisburg: Der Rhein zieht sich zurück in das Becken der Fahrrinne. Am Dienstagnachmittag lag der Pegel in Köln bei 73 Zentimeter, nur knapp über dem historischen Tiefststand von 69 Zentimetern, der im Hitzesommer 2018 gemessen wurde. In Emmerich an der niederländischen Grenze fiel der Pegel am Dienstag sogar unter null.

Das Niedrigwasser beunruhigt nicht nur die Schifffahrer: Fische, Muscheln und Pflanzen verlieren ihren Lebensraum. „Wir laufen auf eine ganz prekäre Situation zu“, warnt Dirk Jansen, Geschäftsführer vom Bund für Umwelt- und Naturschutz in Nordrhein-Westfalen (BUND). Seine Forderung: Die ökologische Wende bei der Nutzung des Rheins sei längst überfällig.

Leben in der Fahrrinne

Schon jetzt ist die Situation für die Tierwelt im Rhein kritisch: Mit dem Pegelstand schrumpft auch der Lebensraum, der Fischen, Muscheln und anderen Wassertieren zur Verfügung steht. Viele Uferbereiche liegen komplett trocken. Dadurch müssen sich die Tiere in der schmalen Fahrrinne zusammendrängen.

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Dirk Jansen, Geschäftsführer des BUND Nordrhein-Westfalen

„Wenn sich das ganze Tierleben nur noch in den eh schon engen, ausgebaggerten Fahrrinne bei den Schiffen abspielt, birgt das eine zusätzliche Gefahr“, sagt Jansen. Denn in normalen Zeiten können Fische, die im Strom schwimmen, den Frachtern ausweichen – also nach links und recht in Richtung Ufer davonschwimmen. „Können die Tiere das nicht mehr machen, ist das gerade für größere Fische ein riesiges Problem.“

Zusätzlichen zu den niedrigen Pegelständen macht auch die Wassertemperatur Probleme: Der Rhein ist zu warm. Das beeinflusst den Sauerstoffgehalt im Wasser: Kohlenstoffdioxid kann sich in warmen Gewässern schlechter lösen. Mit steigenden Temperaturen sinkt der Sauerstoffgehalt ab. „Für einige Fische können Temperaturen ab 25, spätestens ab 28 Grad wirklich prekär werden“, sagt Jansen. „Ich will nicht den Teufel an die Wand malen, aber wir sind bei 26, 27 Grad Wassertemperatur angelangt.“

Hinzu kommt: Während Wasser verdunstet, bleiben Schadstoffe im Rhein. Bei Niedrigwasser steigt die Konzentration dieser Stoffe an, sie werden nicht mehr verdünnt. Über die Fische könnten diese Schadstoffe auch wieder in den menschlichen Kreislauf gelangen.

Folge des Klimawandels

Jansen sieht im Niedrigwasser eine Folge des menschengemachten Klimawandels und fordert ein schnelles Handeln beim Schutz von Flüssen: Der Rhein sei jetzt schon kein natürliches Gewässer mehr, „sondern eine kanalisierte, zur Bundeswasserstraße ausgebaute Fließgewässerlandschaft.“ Die Tiefenerosion und die vertiefte Fahrrinne schneide Auen vom Grundwasser ab, der Grundwasserspiegel sinke. Die Industrie nutzt den Rhein zur Brauch- und Kühlwassergewinnung. Dieses Kühlwasser leitet sie anschließend wieder in den Fluss ein. „Das ist alles nicht hilfreich. Wir haben ein stark menschlich überformtes Fließgewässer mit zahlreichen Nutzungsformen“, sagt Jansen.

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Der BUND verlangt deshalb ein neues Maßnahmenkonzept: Konzerne sollten bei Niedrigwasser kein Kühlwasser entnehmen und nach der Nutzung wieder hinzufügen dürfen. Kraftwerke, die auf dieses Wasser angewiesen sind, müssten bei Trockenperioden notfalls heruntergeregelt werden. Auch eine Rheinvertiefung hält BUND-Chef Jansen für schwierig. „Unsere EU-Rahmenrichtlinie sagt ganz klar: Alle unsere Gewässer, auch der Rhein, müssen 2027 in einem guten und chemischen Zustand sein“, so Jansen. „Davon sind wir weit entfernt.“

Regen wird Abwärtstrend nur kurz aufhalten

In den nächsten Tagen wird Regen in einigen Regionen den Pegel des Rheins leicht steigen lassen. Eine grundlegende Trendwende sei dies jedoch noch nicht, warnt das Wasser- und Schifffahrtsamt Rhein: Es sei ungewöhnlich, dass solche Tiefstände schon im Sommer erreicht werden. Und eine 14-Tage-Vorhersage deutet darauf hin, dass die Wasserstände Ende August weiter sinken werden.

Der Trockenheit im Flussbett geht ein außergewöhnlich heißer,  regenarmer Sommer voraus: Der Juli 2022 ging als einer der zehn trockensten Julimonate seit Beginn der Wetteraufzeichnung in die Geschichte ein. Das habe auch die Situation in den Flüssen verschärft, schreibt das Landesamt für Natur-, Umwelt- und Verbraucherschutz. „Die Situation in den Fließgewässern hat sich weiter verschärft und ist mit der Situation im August 2018 vergleichbar.“ 

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