Kinostart „Generation Beziehungsunfähig"So cool und hip war Köln im Kino noch nie

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Liebeskummer: Tim (Frederick Lau) am Kaffee-Büdchen im Agnesviertel

Köln – „Endlich wieder Kino!“ war der wohl meist gesagte Satz bei der ersten Filmpremiere im Ehrenfelder Cinenova seit Ausbruch der Pandemie. Zwar war die Präsentation von „Generation Beziehungsunfähig“ keine Weltpremiere wie angekündigt – die hatte Anfang des Monats Open Air bei Regen im Rahmen des Filmfest München stattgefunden – aber da der Planet Köln sich oft selbst genügt, ist das vielleicht auch reine Definitionssache.

„Liebeserklärung an die Stadt“

Eine „kleine Liebeserklärung an die Stadt“ sei der Film allemal, wie Hauptdarsteller Frederick Lau, selbst bekennender Köln-Fan, bei der Begrüßung der rund 100 Premierengäste zu Beginn der Vorführung befand. Doch dazu später mehr.

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Wer ist schneller am Straciatella-Eis? Tim (Frederick Lau) und Ghost (Luise Heyer) lernen sich in der Tanke kennen.

Zuvor hatten sich die Hauptdarsteller Luise Heyer und Lau, Regisseurin Helena Hufnagel, Schauspieler Kida Khodr Ramadan (wie Lau bekannt aus der Netflix-Serie „Four Blocks“ und in einer Gastrolle zu sehen) sowie zahlreiche an der Produktion Beteiligte zwar im Foyer ablichten lassen, einen klassischen Roten Teppich aber gab es wegen Corona nicht. Und alle Gäste mussten einen 3G-Nachweis erbringen.

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Premiere im Ehrenfelder Cinenova: die Schauspielerinnen Frederik Lau, Luise Heyer und Kida Khodr Ramadan (v.l.)

Zum Film: Aus der gleichnamigen Bestseller-Buchvorlage von Michael Nast, die das ernüchternde Bild einer Generation zeichnet, die sich beziehungsmäßig auf nichts mehr einlassen kann oder will, hat Hufnagel eine Liebeskomödie, neudeutsch Rom-Com,  gestrickt, die mit bestens aufgelegten Schauspielern, witzigen Dialogen, flotter Musik und schönen Bildern ein wirklich unterhaltsames Gesamtpaket liefert.

„Daten ist das neue Endstadium"

Tim (Frederick Lau), eigentlich Schriftsteller im Schatten des erfolgreich schreibenden Vaters, arbeitet in einer Influencer-Agentur und lebt sonst in den Tag. Sein Chef hat Depressionen und die bildschöne Kollegin Charlie (Henriette Confurius) ist frustriert: „Ich habe Eizellen einfrieren lassen – daten ist das neue Endstadium.“

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Eine Rikschafahrt auf den Kölner Ringen endet chaotisch.

Er selber datet reihenweise Frauen, bei denen er sich (nach dem Sex) nicht mehr meldet. Wenn er nicht einschlafen kann, zählt er keine Schäfchen, sondern „swiped“ (wischt auf dem Handy) Mädchenfotos bei Tinder durch, bis ihm die Augen zufallen. Und die Einzige auf der Welt, die in seinen Augen nicht tindern darf, ist seine Mama. Gleich in der ersten Szene des Films stellen er und sein WG-Mitbewohner Luis (der zur Zeit auf allen Kanälen präsente Teddy Teclebrhan) auf einer Verlagsparty fest, dass man die Restbestände von Tims Erstlings zu Konfetti geschreddert hat. Seine Verlegerin entlässt ihn mit den Worten: „Frauen haben Null Interesse, ihre Zeit damit zu verplempern, Männer zu verstehen.“ Luis Kommentar: „Läuft bei dir.“

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Als ihm eine Ex verkündet, eine Familie gründen zu wollen, reagiert Tim verständnislos: „Reicht es nicht, dass ihr sonntags spazieren geht, müsst ihr jetzt heiraten?“ Und dann trifft der überzeugte Single zufällig auf Ghost (Luise Heyer).  Die tickt eigentlich genauso wie er. Die beiden treffen sich zum Sex, aber als er davor einen Kaffee anbietet, antwortet sie trocken: „Sorry, so viel Zeit hab ich gar nicht.“ Dennoch wird mit ihr alles anders. Nach einem weiteren Date wird er zwar nach allen Regeln der Kunst geghostet. Darunter versteht man laut Wikipedia „in einer zwischenmenschlichen Beziehung einen vollständigen Kontakt- und Kommunikationsabbruch ohne Ankündigung“. Doch die Komödie nimmt ihren vorhersehbar verwickelten Lauf und spätestens, wenn Tim und Ghost in einer „Titanic“ ironisch zitierenden Szene, wie einst Kate Winslow und Leonardo die Caprio am Bug des Schiffes, auf einer Rikscha über die nächtlichen Ringe radeln, ist klar, dass es auch um Liebe geht.

Der Star des Films ist Köln

Womit wir beim eigentlichen Star des Filmes wären, und das ist – Überraschung – Köln. Kameramann Andreas Berger gelingt es, das Gefühl vieler hier lebender Menschen, die Stadt sei trotz allem (potthässlich, schmutzig, chaotisch, verwahrlost, verstopft) sehr lebenswert, in durchgängig schöne, eigene Bilder zu setzten. Ob das Kaffee-Büdchen am Neusser Platz, Bahnpassagen an Geldernstraße, Eigelstein oder in Ehrenfeld, der Weiße Holunder, die Gaststätte Bumann & Sohn, die Ringe oder selbst Baustellen – so cool, so hip, so graffiti-schön hat man Köln im Film noch nicht gesehen.

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Ein Still aus dem Trailer zu "Generation Beziehungsunfähig" zeigt Frederick Lau als Tim auf dem Helios-Turm in Köln-Ehrenfeld.

Und der Heliosturm wird zum symbolischen Leuchtturm großstädtischer Einsamkeit, während der Dom als unscharfe Ortsmarke im Hintergrund hinlänglich bekannte Klischeebilder verblassen lässt. „Du bist anders“ singen AnnenMayKantereit dazu, und man kann sich aussuchen, wer gemeint ist. Ghost? Tim? Köln? Am Ende der Vorführung sagte Regisseurin Helena Hufnagel, ihr zweiter Kinofilm sollte „auch ein Road-Trip durch Köln“ werden. Das ist ihr, das zeigte der anhaltende Applaus der Gäste, auf jeden Fall gelungen. Sie bedankte sich bei der Filmstiftung NRW für die Förderung und rief das Publikum dazu auf, wieder auszugehen: „Das Kino braucht euch alle.“

 Am 29. Juli kommt „Generation Beziehungsunfähig“ in die Kinos

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