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Ramschläden auf Kölner EinkaufstraßeIst die Hohe Straße auf dem Weg zur Billigmeile?

Lesezeit 4 Minuten
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Schmuddelig kommt manches Ladenlokal daher.

  • Die Hohe Straße in Köln gehört zu den meistfrequentierten Einkaufsstraßen Deutschlands.
  • Doch was einst eine Premiumlage war, hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verändert.
  • Mancherorts regiert mittlerweile der Ramsch. Eigentümer, Händler und die Stadt wollen das ändern.

Köln – In pinken Buchstaben prangt die Aufschrift „Sonderverkauf: Nur für kurze Zeit“ über dem Textilladen in der Hohe Straße 67. Nach der ersten Rabattschlacht am Black Friday steht den Händlern nun das Weihnachtsgeschäft bevor – für viele die Zeit, in der sie den größten Umsatz im Jahr erzielen.

Auch den Zwischenmietern mit ihrer Billigware kommt das Adventsshopping gelegen. Wo früher C&A eine Filiale unterhielt, hat ein fliegender Händler die Lücke gefüllt: Rollkoffer für 30 Euro bilden am Eingang eine Mauer, Hosen werden für sechs Euro vertickt, zu Bergen gestapelte Handtaschen für elf Euro angeboten. Ramschläden, Leerstände – das Phänomen greift um sich. Ist die Hohe Straße ein innerstädtisches Sorgenkind?

„Letzte Woche war das Geschäft Claire’s mit Schildern so zugeklebt, dass ich nichts mehr sehen konnte: »Kauf drei, dann bekommst du drei geschenkt.« Was ist das?“, sagt Hugo Marra, Betreiber einer Pizza- und Brezelbude mitten auf der Shoppingmeile, die trotz der hohen Fluktuation der Geschäfte noch immer zu den meistbesuchten Einkaufsstraßen Deutschlands zählt.

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Seit 1996 führt der Argentinier sein Geschäft. Die Hohe Straße habe sich verändert: Die Kaufkraft sei gesunken, und seit der Online-Handel auf dem Vormarsch ist, gebe es weniger Kunden. „Ich stehe fast jeden Tag hier und kann ein wenig Geld machen, aber was macht der Schuhladen gegenüber? Er muss seine Ware fast verschenken“.

Die einst glanzvolle Straße sei zu einer gewöhnlichen Shoppingmeile verkommen, sagt Annett Polster vom Verein Stadtmarketing. „In den 60ern stand sie für Qualität. Die Kunden wussten, sie bekommen hier die neusten Trends“. Doch seitdem Filialen die Hohe Straße ergriffen hätten, habe sie sich negativ entwickelt.

Eines der letzten inhabergeführten Traditionsgeschäfte, J.H. Becker, in dem Tafelsilber und Porzellan verkauft wurden, verabschiedete sich 2014 nach 132-jährigem Firmenbestehen, das Ladenlokal steht heute leer.

Ein Grund für den Wegzug vieler Geschäfte waren die hohen Mieten. Nachdem sie vor vier Jahren ihren Höhepunkt erreichten, fällt der Preis pro Quadratmeter jedoch wieder: Vorbei die Zeiten, in denen Eigentümer bei der Suche nach Mietern die Qual der Wahl hatten. Heute beträgt der durchschnittliche Mietpreis pro Quadratmeter 230 Euro. Zu Höchstzeiten waren es noch 260 Euro.

Mietpreise purzeln

„Es fing 2015 an, dass die Preise purzelten. Die Vermieter müssen den Händlern Zugeständnisse machen“, sagt Thomas Nandzik von der CBRE Gruppe, die Immobilien in der Innenstadt vermarktet. Die Hohe Straße stecke mitten in einem Prozess, der in anderthalb bis zwei Jahren abgeschlossen sein werde.

„Der erste Blick täuscht. Der Bereich um die Geschäfte Uniqlo, Saturn und Dyson in der Nähe der Gürzenichstraße wurde bereits aufgewertet. Hier hat die Besucherfrequenz wieder zugenommen“. Neben vielen Leerständen gebe es laut Nandzik Neubauprojekte einige Neuvermietungen. „Es passiert ziemlich viel in der Innenstadt Köln. Die Seitenstraßen der Hohe Straße locken auch wieder mehr Gastronomien an, weil die Mieten etwas gesunken sind“.

Die Hohe Straße hat ein eher junges Publikum: „Hier findet sich ein Klientel, das nicht hochpreisig kauft. Es sind viele Leute, die auch online-affin sind. Die Konzepte der Läden sind daher häufig nicht nachhaltig“, sagt Jörg Hamel, Geschäftsführer vom Handelsverband NRW. Ein aktuelles Problem im Handel sei, dass alle nach nachhaltiger Mode schrien, aber trotzdem billige Ware kauften. 

Viele Händler wünschen sich Ladenlokale, die sie lediglich im Erdgeschoss bespielen müssen. „Diese gibt es gar nicht. Die Kölner Eigentümer haben aber früher reagiert als in anderen Städten“, sagt Nandzik. Damit die Immobilien wieder den Bedürfnissen der Händler entsprechen, müssen Eigentümer in Renovierung und Umbau investieren. So könnten die oberen Geschosse für andere Nutzungen herhalten: Arztpraxen, Fitnessstudios, Sprachschulen, Wohnflächen. So wie es in der Schildergasse bereits der Fall sei.

Gleichgültige Eigentümer

Um Leerstände zu überbrücken, ließen sie eben auch häufig fliegende Händler in die Immobilie rein. Mancher Eigentümer sei in Erbstreitigkeiten verwickelt und deshalb gleichgültig gegenüber der Nutzung, sagt Nandzik. Eigentümer, die Stadtverwaltung, Immobilienmakler und der Verein Stadtmarketing haben inzwischen erkannt, dass die Innenstadt wieder attraktiver werden muss, um die Kunden anzulocken: Sie haben im Sommer die Interessengemeinschaft „Handelslagen“ gegründet, die sich regelmäßig trifft.

„Das Bewusstsein, dass sich etwas ändern muss, ist da. Man sollte den Handel im Zusammenspiel mit Gastronomie und Tourismus sehen. Wir denken auch über Zwischennutzungen für Kunst und Kultur oder Pop-up-Stores nach“, sagt Annett Polster von Stadtmarketing.

Kunstleder-Jacken und Kleider aus Polyester

Derweil tönt Reggaeton vor dem schmalen Eingang eines Geschäfts mit dem Namen „Caletto“. Schaufensterpuppen stehen links und rechts von der Tür. Der Verkauf von Kunstleder-Jacken, abgewetzten Jeans und glitzernden Kleidern aus Polyester geht im ersten Obergeschoss weiter.

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