RecyclingWenn die Kuchengabel zur Heuschrecke wird

Arno Münch fertigt aus altem Silberbesteck kleidsamen Schmuck, beispielsweise Armbänder.
Copyright: Esch
Ehrenfeld – Die Gürtelschnalle hat ein Vorleben. Sie war einmal ein Kuchenheber. Nun thront das verspielt-filigrane Silberteil als dekorativer Verschluss auf dem edlen Lederband. Die ehemalige Suppenkelle steht mittlerweile stolz auf vier Füßen, die einst zu Zuckerzangen gehörten, und ist zu einer Schale avanciert. Und die lustige Heuschrecke, die ebenfalls im Regal von Arno Münchs Werkstatt steht, besteht aus Kuchengabeln, Käsesticks, ein bisschen Draht. Seine Mitarbeiterin Vesna Orlovic hat sie gemacht: "Das lag alles vor mir auf dem Tisch und irgendwann wusste ich, was es sein will."
Das alte Besteck wollte ein Insekt werden. In der Regel ist es aber Schmuck, den sie und Arno Münch, der Inhaber des ungewöhnlichen Betriebes an der Clarastraße aus Silberbesteck herstellen. Kisten voller alter Löffel, Gabeln, Messer, Gebäck- und Zuckerzangen, Kellen und ähnliche Dingen warten dort auf ihre Wiederauferstehung als Gebrauchsgegenstand der ganz anderen Art.
Früher gehörte das Familiensilber auf jeden festlich gedeckten Tisch der besseren Gesellschaft und war fester Bestandteil der Aussteuer der Töchter. Heute lagert es vergessen in Schubladen, schwarz angelaufen, und stellt irgendwann Erben vor die Frage, was sie damit tun sollen. Arno Münch kennt das Problem. "Früher haben die Menschen für das Besteck gespart. Heute ist ein Silberlöffel vielleicht noch einen Euro wert, wenn er nicht gerade aus Sterlingsilber ist." Er hat eine Lösung: "Ich fertige für meine Kunden aus dem alten Silberbesteck ein schönes Schmuckstück und so haben sie, wenn sie es tragen, ein Stück ihrer Mutter oder Großmutter dabei."

Vesna Orlovic, Mitarbeiterin des Werkstattinhaber und ehemalige Zahntechnikerrin bei der Herstellung eines Rings.
Copyright: Esch
Die Ergebnisse sind überaus kleidsam: Armbänder aus Gabelgriffen werden mit einem Magnetverschluss am Handgelenk befestigt. Dicke Silberringe sind aus zusammengerollten und bearbeiteten Löffeln entstanden, verziert, wenn sie einmal zu einem Hildesheimer-Rose-Besteck gehörten, schlicht, wenn es eine weniger verspielte Bestecklinie handelte.
Münch hat aus Löffeln Ringe geformt, die wie eine Welle über zwei Finger gehen oder solche, die sich ein Stück weit die Hand hochwinden. Silberne Ohrringe baumeln von Ständern. Silberspangen für Kleidungsstücke erinnern an die "Mitgebsel" des Elbenvolkes in der romantischen Verfilmungen der Romantrilogie "Der Herr der Ringe". Und natürlich können die Kunden eigene Wünsche äußern, was aus den Erbstücken entstehen soll. Arno Münch hat schon die verschiedensten Dinge gefertigt. "Sogar Hochzeitsringe habe ich aus Familiensilber gefertigt. Zwei verschiedene, die Braut und der Bräutigam hatten unterschiedliche Vorstellungen." Seitdem telefoniert er jedes Jahr am Hochzeitstag, dem 9. Mai, mit dem Paar.
Wenn er nicht gerade einen Termin mit Kunden in seiner Werkstatt vereinbart hat, ist er auf Märkten unterwegs, beispielsweise in Aachen und Monschau. Eigentlich kommt Münch aus Mainz, wo er nach dem Abitur zunächst ein Volontariat bei einer Zeitung absolvierte. Zum Studium der Völkerkunde verschlug es ihn nach Köln und in eine ganz andere Welt. "Um mich über Wasser zu halten, habe ich zunächst Umzugsjobs und Ähnliches gemacht. Dann habe ich die Leute in der Fußgängerzone gesehen, die Ethnoschmuck verkauften, und habe es selbst ausprobiert."
Das Geschäft lief. Es gab wichtigere Dinge als das Studium. Münch engagierte sich poltitisch, besetzte mit Gleichgesinnten Häuser, wurde Vater. Und er lernte irgendwann Peter Reuter aus Nippes kennen, der ihm zeigte, wie man aus Silberbesteck Schmuck fertigt. Münch entwickelte eigene Kreationen und hatte eine ganze Schmuckkollektion im Angebot. "Auf der Schiene bin ich dann geblieben", sagt der Kunsthandwerker.
Mittlerweiler trägt Münch ganz passend eine zünftige schwarze Hose, Weste und Hut. Trotzdem ist es möglicherweise nicht die letzte Station in seinem Berufsleben. Traditionelles Silberbesteck gibt es immer weniger. Noch findet er ausreichend davon auf Flohmärkten und bei Ebay, wenn Kunden nicht selbst welches mitbringen. Doch irgendwann, sagt Münch, werde die Quelle wohl versiegen - während im Hintergrund die Poliermaschine so zuverlässig gleichbleibend dröhnt, als ob sie niemals damit aufhören wird.
Kontakt
Wer sich für den Besteckschmuck interessiert, kann mit Arno Münch in seiner Werkstatt einen Termin vereinbaren, oder über die Homepage Dinge bestellen.
www.besteckkuenstler.de