Kickboxen-TalentDas Zuschlagen musste sie erst lernen

Maneka Kissel hat ihre sportliche und berufliche Karriere fest im Blick.
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Sürth – Sie ist "verschnupft". Nicht nur, weil sie gerade erkältet ist, sondern weil sie Anfang November in Ankara "nur" Vize-Europameisterin geworden ist im Kickboxen, in der Variante Leichtkontakt. "Es ist das erste Mal, dass ich mich wirklich ärgere", sagt die 29-jährige Sportlerin Maneka Kissel aus Sürth. Eigentlich hätte sie gegen die Finalgegnerin mit dem "komischen Stil" gewinnen müssen, eigentlich. Aber ihre Muskeln seien "zu" gewesen und die drei Vorkämpfe einfach zu anstrengend. "Mit einem Riesenmuskelkater ist man eben nicht so schnell", sagt sie und rechtfertigt sich. Als ob sie das müsste.
Ehrgeizig und zielstrebig ist Maneka Kissel, die seit 2011 auch amtierende Vize-Weltmeisterin im Leichtkontakt ist in ihrer Gewichtsklasse bis 60 Kilogramm. Außerdem hat sie 2012 in Bukarest noch die Bronzemedaille im Vollkontakt-Kickboxen geholt, der wirklich harten Variante. Nebenbei studiert sie Medizin und jobbt hin und wieder als Krankenschwester im Klösterchen. "Mit dem Vize gebe ich mich nicht zufrieden", sagt sie mit einem unschlagbar sympathischen Lächeln, das von Zuversicht und Selbstvertrauen zeugt.
Die nächste Weltmeisterschaft steht im kommenden Jahr an, da will sie ganz nach oben aufs Treppchen. Und Schritt für Schritt möchte die attraktive, beredte und fröhlich wirkende Sportlerin vom Amateur- ins Profi-Lager wechseln. Allzu gerne würde sie gegen Christine Theiss, die Profi-Weltmeisterin in der gleichen Gewichtsklasse kämpfen, und zwar auch im Fernsehen. Maneka Kissel lacht. "Ja, Christine Theiss lässt sich derzeit gut vermarkten", sagt sie spitz, findet aber, dass das dem verbreiteten "Schläger-Image" des Kickboxens gut tue. "Eigentlich müsste Frau Theiss nur Ja sagen", meint die 29-jährige Sürtherin. Ein Kampf mit dieser Rivalin sei eine "lösbare Aufgabe".
"Ein wahnsinniges Talent"
Im Profilager sind allerdings sieben Kampf-Runden angesagt, bislang kickt und boxt sie als Amateurin nur drei Runden von je zwei Minuten. Auch das sei schon "unglaublich anstrengend". Aber sieben Runden würde sie schaffen, darauf würde sie sich entsprechend vorbereiten, versichert sie. Beste Unterstützung ist ihr gewiss. Der mehrfache Kickbox-Profiweltmeister und Vollkontakt-Bundestrainer Sven Kirsten trainiert sie - er ist ihr Lebensgefährte.
Im Leichtkontakt-Kickboxen steht sie unter den Fittichen von Bundestrainer Peter Zaar, der Kölner Kickbox-Legende. Im Sportstudio Baaden an der Bonner Straße 478 trainiert Maneka seit 2006. Gustav Baaden hat das Studio vor 36 Jahren eröffnet. Es sei das erste Sportstudio für Kickboxer gewesen, sagt er, und: "Die meisten Menschen wissen gar nicht, dass viele große Boxer vom Kickboxen kommen, zum Beispiel die Klitschkos und auch Regina Halmich." Auf Maneka ist er riesig stolz. "Sie ist so ein wahnsinniges Talent", meint er. Auf nationaler Ebene gewinne sie derzeit fast alles.
Bevor sie zum Kickboxen kam, war sie zehn Jahre lang Kunstturnerin beim TV Sürth. Über Taekwondo fand sie zum Kickboxen. "Das fand ich super lustig", sagt sie, die schon immer sehr beweglich war und gern mit Jungs "gerauft" habe. Nach einem halben Jahr durfte sie schon an Nachwuchsturnieren teilnehmen. Als sie aber zum ersten Mal richtig eins auf die Nase bekommen habe, sei sie doch sehr erschrocken. "Es ist schon komisch, wenn du plötzlich eine Faust im Gesicht hast." Aber daran gewöhne man sich, genau wie an das Zuschlagen. Anfangs habe das viel Überwindung gekostet. Heute sei der Angriff ihre größte Stärke, obwohl sie als Mensch nicht aggressiv sei, höchstens ein wenig stur, gibt sie zu. Kickboxen sei aber ein "sehr, sehr gutes Mittel", um Stress abzubauen. "Da schlägst du drei oder viermal gegen den Sack oder gegen die Gegnerin, und schon fühlst du dich besser."
Kämpfen bis zur Rente
Nach dem Abitur hat sie eine Ausbildung als Krankenschwester absolviert und war drei Jahre in der Intensiv-Station des Klösterchens im Severinsviertel tätig, bis sie ihr Studium der Medizin aufnahm. Das Physikum, die erste Prüfung nach dem vierten Semester, steht kurz bevor. Um Geld zu verdienen, arbeitet sie hin und wieder im Krankenhaus. Nach der Schicht joggt sie manchmal nach Sürth - wegen des Trainings. Das Bafög, das sie beziehe, sei mager. Die Reisen zu den Wettkämpfen müsse sie selbst tragen.
Finanzielle Unterstützung durch Sponsoren oder von Verbandsseite gebe es kaum. Vor kurzem habe eine Freundin der Mutter neue Sportklamotten gesponsert. Dafür sei sie dankbar. Das Medizinstudium will sie auf jeden Fall zu Ende bringen und als Ärztin arbeiten. Das Kickboxen werde sie aber auf keinen Fall aufgeben: "Zumindest nicht in den nächsten 40 Jahren", schmunzelt sie.