Kölner VerkehrswendeCDU-Politiker Kehrl wirft Grünen trickreiche Methoden vor

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Das Bild zeigt den früheren NRW-Landtagsabgeordneten und Vorsitzenden des CDU-Stadtbezirkverbandes Rodenkirchen, Oliver Kehrl, an einem Tisch während des Interviews mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

„Wir müssen Verkehre eben nicht nur als Lastenrad verstehen“: Der Kölner CDU-Politiker Oliver Kehrl fordert eine Gleichberechtigung aller Verkehrsmittel.

Kann die Kölner CDU angesichts vier mieser Wahlergebnisse zuletzt noch Großstadt? Ja, sagt der Chef des Rodenkirchener CDU-Stadtbezirksverbands Rodenkirchen, Oliver Kehrl. Ob er in den Machtkampf in der Partei eingreift, ließ er offen. 

Herr Kehrl, die CDU hat vor zwei Wochen beim Kreisparteitag beschlossen, dass es keine weiteren verkehrlichen Beschränkungen auf den Geschäftsstraßen in den Veedeln geben soll. Das bedeutet letzten Endes, dass dort auch weiterhin Autos fahren sollen. Wie verträgt sich das mit dem Anspruch der CDU, eine Großstadt-Partei sein zu wollen?

Oliver Kehrl: Weil in einer Großstadt alle Verkehrsträger eine Rolle spielen, und Mobilität zu organisieren ist in Großstädten die Hauptaufgabe. Wir müssen dabei alle gesellschaftlichen Gruppen und ökonomischen Notwendigkeiten berücksichtigen. Für die CDU sind Geschäftsstraßen in den Veedeln wichtig und dort muss eine gewisse Kundenfrequenz mit dem Auto möglich sein. Das Auto ist in vielen Stadtteilen die bevorzugte Mobilitätsform, das gilt es zu akzeptieren. Wir als CDU wollen den Verkehrsraum auch neu aufteilen, aber das muss mit Augenmaß und sinnvollen Konzepten passieren. Modern ist, alle Verkehrsteilnehmer als gleichberechtigt anzusehen.

Was halten Sie von einer autofreien Kern-Innenstadt, wie das in anderen Ländern bereits selbstverständlich ist?

Wir haben uns im Kooperationsvertrag mit Grünen und Volt zu autoarmen und autofreien Zonen in der Innenstadt bekannt. Für mich ist wichtig, dass dann aber auch tatsächlich etwas Neues entsteht und nicht einfach eine Straße mit Pollern für Autos gesperrt wird. Wir wollen lebendige Räume, mehr Bäume, mehr Grün, mehr Aufenthaltsqualität – und nicht nur Verbote. Das fehlt mir bislang ebenso wie eine kluge digitale Steuerung des Verkehrs, insbesondere für Autofahrer, die zum Handel wollen. Sie müssen sich wohlfühlen und keinen Bogen um die Stadt machen. Wir machen in Köln schnell Restriktionen, beispielsweise an der Ehren- oder Mittelstraße, aber wie wir die Aufenthaltsqualität tatsächlich verbessern, daran hapert es noch.

500 Meter weiter entfernt im Parkhaus zu parken und zu Fuß zu gehen ist zu viel verlangt?

Die sind samstags aber relativ schnell voll. Aber natürlich müssen wir den Menschen auch sagen, dass sie ein Stück zu Fuß gehen müssen. Ich bekenne mich ausdrücklich zur modernen Verkehrswende. Jeder Verkehrsträger muss seine Wege haben, aber gleichzeitig müssen wir berücksichtigen, dass in den Veedeln abseits der Innenstadt vielen Menschen die Alternative zum Auto fehlt. Dafür möchte ich diese Menschen nicht bestrafen. Es geht darum, die Infrastruktur für Radfahrer auszubauen, Wege zu sanieren, dabei aber nicht die Autofahrer zu diskriminieren.  Langfristig muss der Nahverkehr höher getaktet werden, kurz- und mittelfristig wollen wir die Verkehrswege aufteilen. Also leistungsstarke Trassen für Auto und Güterverkehr und andere Straßen, für mehr Fahrrad- und Fußwege.

Teils vertreten die Grünen und die CDU gegensätzliche Positionen beim Verkehr.

Dass der Verkehr das schwierigste Thema mit den Grünen wird, war von Anfang an klar. Wir müssen Verkehre eben nicht nur als Lastenrad verstehen, sondern eben auch als Güterverkehr, als Verkehr von Handwerkern oder Sozialträgern, die können nicht alles mit dem Rad anfahren. Mir fehlt da einfach das Verständnis für andere Verkehrsträger als dem Rad. Verkehr muss man größer denken, wir wollen Mobilität für Alle.

Nerven Sie die Grünen mit ihren Lastenrädern?

Was heißt nerven? Ich finde es interessant, wie da vorgegangen wird. Die Methoden sind schon trickreich, wenn Interessensgruppen als die gesamte Bürgerschaft dargestellt werden und die Aussagen der Kaufleute weniger gewichtet werden. Wir brauchen erst die Quartiersgarage und dann die Verkehrsberuhigung. Aktuell läuft es andersherum und das finde ich falsch.

Wir brauchen erst die Quartiersgarage und dann die Verkehrsberuhigung. Aktuell läuft es andersherum und das finde ich falsch.
Oliver Kehrl

Das hört sich ein bisschen danach an: Die CDU will höchstens eine Light-Variante von „Das haben wir immer so gemacht“?

Nein. Natürlich brauchen wir eine Neuaufteilung des öffentlichen Raumes, es gibt zu viel Parkverkehr und wir müssen den Autoverkehr an einigen Stellen zurückdrängen. Das verbessert Aufenthalts- und Luftqualität. Wir müssen aber Verkehr in einer Metropole wie Köln größer denken zum Beispiel mit der Tunnellösung auf der Ost-West-Achse, oder: Wir haben allein über 500.000 Pendlerbewegungen jeden Tag. Wir müssen uns dazu bekennen, leistungsstarke Infrastruktur für den Auto- und Lastwagenverkehr hinzubekommen.

Aber anderswo geht es ja, vor allem den Innenstadtverkehr möglichst autofrei zu gestalten.

Stimmt. Aber wir sind eine Wirtschaftsmetropole mit einem ganz hohen Verkehrsaufkommen. Für die braucht es die großen Trassen. Wir brauchen eine noch intelligentere Verkehrssteuerung, um nicht unsere Stadt abzuwürgen.

Die CDU hat zuletzt vier Wahlniederlagen in Folge eingefahren, teils mit historisch schlechten Niederlagen.

Eine moderne Großstadt-CDU muss dafür sorgen, dass sich alle Kölner überall sicher fühlen. Köln braucht ein gepflegtes attraktives Stadtbild, wir müssen Innovation und Wirtschaftskraft fördern. Das muss mit einer entschlossenen Klimapolitik verbunden werden, die auf die Transformation unserer Volkswirtschaft setzt. Das geht in meinen Augen nur über Digitalisierung und technischen Lösungen.

Das Bild zeigt den früheren NRW-Landtagsabgeordneten und Vorsitzenden des CDU-Stadtbezirkverbandes Rodenkirchen, Oliver Kehrl, an einem Tisch während des Interviews mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

„In Innenstadtlagen haben wir Milieus, in denen die CDU ganz wenig Schnitte hat“: Oliver Kehrl fordert eine bessere Familienpolitik seiner Partei.

Trotzdem laufen der CDU in Köln die Wählerinnen und Wähler weg.

Stimmt. Derzeit nimmt der Wähler unsere Arbeit in der Kommunalpolitik nur als kleines Karo wahr. Sie wollen unsere Vision, wie wir eine Großstadt entwickeln wollen. Dafür brauchen wir Ambition und Anspruch: Köln kann so viel mehr.

Das fehlt der Kölner CDU?

Das möchte ich nicht sagen. Aber was möglich ist, haben wir in Essen und Düsseldorf gesehen, dort ist die CDU stärkste Kraft und stellt jeweils den Oberbürgermeister. Da haben wir ein Gesamtpaket aus moderner Großstadtpolitik und einem überzeugenden Oberbürgermeisterkandidaten. Das ist keine Kritik an Henriette Reker, sie arbeitet ein unglaubliches Pensum ab für diese Stadt. Aber wir sehen auch, dass die parteilose OB mit ihrer Politik nicht zwingend mit der CDU nach Hause geht. Deshalb brauchen wir 2025 neue Ideen und einen eigenen Kandidaten.

Besonders in der Kölner Innenstadt fährt die CDU furchtbare Ergebnisse ein.

Stimmt. In Innenstadtlagen haben wir Milieus, in denen die CDU ganz wenig Schnitte hat. Für junge Familien sind Kitas und moderne Schulen wichtig. Beim Schulbau hat die Stadt unter Henriette Reker große Fortschritte gemacht. Als CDU müssen wir den Familien Antworten liefern, bei den Kitas beispielsweise hatten wir Versäumnisse und sind davon ausgegangen, dass die Kinder die ersten drei Jahre zu Hause bleiben. Das hat uns bei jungen Familien nicht gerade beliebt gemacht. In NRW werden wir die Kita-Beiträge nun komplett beitragsfrei stellen.

Dass Teile der Partei unzufrieden sind, wenn keine Konsequenzen aus den Wahlniederlagen folgen, das kann ich schon nachvollziehen.
Oliver Kehrl

Die CDU streitet seit Jahren vor allem viel miteinander, die parteiinterne Opposition „Zukunft jetzt“ stellt Partei- und Fraktionschef Bernd Petelkau in Frage.

Wir brauchen wieder einen gemeinsamen Aufbruch. Nach den nicht zufriedenstellenden Ergebnissen bei den vergangenen Wahlen muss es unser Anspruch sein, das zu ändern. Dass Teile der Partei unzufrieden sind, wenn keine Konsequenzen aus den Wahlniederlagen folgen, das kann ich schon nachvollziehen.

Personelle oder inhaltliche Konsequenzen?

Beides. Wir müssen Politik für alle machen, wir müssen für eine sichere und gepflegte Stadt sorgen. Und wir brauchen eine Wirtschaftspolitik, die auf Innovation und Ansiedlung und damit auf gute Jobs und höhere Steuereinnahmen setzt. Welches Personal das umsetzt, werden wir nach dem nächsten Kreisparteitag im März sehen.

Sie haben nach Ihrer verlorenen Landtagswahl gesagt, der Fisch stinke vom Kopf her, eine kaum verhohlene Kritik an CDU-Partei- und Fraktionschef Bernd Petelkau. Seitdem hat man wenig von Ihnen gehört. Warum fordern Sie Petelkau nicht als Parteichef heraus?

Seit der Landtagswahl im Mai führen wir auf verschiedenen Ebenen Gespräche mit dem Ziel, eine gemeinsame Lösung zu finden.

Da sind Sie ein Kandidat.

Das müssen wir schauen, das werden die Gespräche zeigen.

Aber neben der Kritik an Petelkau müssen Sie doch dann auch eine Alternative aufzeigen.

Inhaltliche Alternativen zeige ich genügend auf.

Aber in welcher Rolle? Als neuer Parteichef oder als Vize?

Ich leite den Stadtbezirk Rodenkirchen. Den Rest wird dann der Parteitag zeigen.

Können Sie sich vorstellen, für das Team von „Zukunft jetzt“ anzutreten oder sogar als Spitzenkandidat anstatt Karl Alexander Mandl anzutreten?

Ich schätze Karl Alexander Mandl sehr. Wichtig ist ein gemeinsamer Aufbruch, in dem sich alle in der Kölner CDU wiederfinden. Dazu laufen die Gespräche.

Das Bild zeigt den Kölner CDU-Partei- und Fraktionschef Bernd Petelkau.

„Der Fisch stinkt vom Kopf“ hatte Oliver Kehrl nach der Wahlniederlage der CDU bei der Landtagswahl dieses Jahr über Parteichef Bernd Petelkau (Bild) gesagt.

Ist die Kölner CDU ohne Bernd Petelkau vorstellbar?

Es wäre schlimm, wenn es anders wäre. Bernd Petelkaus Arbeit im Stadtrat ist bemerkenswert, das gilt es festzuhalten. Trotzdem ist niemand in der Politik unersetzbar. Wir als CDU haben zuletzt festgestellt, dass für einen Bundeskanzler zwei Amtszeiten dann auch mal genug sind, damit neue Kräfte sich beweisen können. Das gilt auch für die kommunale CDU in Köln.

Petelkau ist seit 2012 Parteichef in Köln.

Genau. Frischer Wind hat noch nie geschadet.

Zur Person: Oliver Kehrl, 55, ist Vorsitzender des CDU-Stadbezirkverbandes Rodenkirchen. Er ist Geschäftsführer der Aida Textilvertriebs GmbH. Von 2017 bis 2022 saß Kehrl im Landtag NRW, verlor seinen Wahlkreis aber an die Grünen.

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