Kompetenz in KalkKölner Institut analysiert 400 Jahre alte Schiffsladung mit Baumaterial

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Eine Frau und ein Mann stehen mit Schutzbrillen vor einem Apparat.

Annamaria Fiethen und Klaus-Ruthard Frisch im Labor des Instituts für Kalk und Mörtelforschung

Das Kölner Institut für Kalk- und Mörtelforschung befasst sich mit Baustoffen und stellt deren Güte fest. 

Lübeck ist aus Kalk gebaut, zumindest auch. Vielleicht hatte das Schiff, das vor 400 Jahren in der Trave vor Lübeck sank, deswegen den Baustoff geladen. Der mittelgroße Frachtsegler war in der späten Hansezeit wohl auf dem Weg von Skandinavien nach Deutschland. Seine Überbleibsel wurden im Sommer vor zwei Jahren auf dem Grund des Flusses entdeckt mitsamt seiner Ladung: Über 150 Fässer Kalk versanken damals mit dem Schiff.

Der erste Brocken, den Taucher daraus bergen konnten, entpuppte sich als Branntkalk, der durch den Kontakt mit dem Trave-Wasser erhärtet war. Die Botschaft davon machte ausgerechnet zu dem Zeitpunkt in den Medien die Runde, als gerade der Bundesverband der Kalkindustrie in Lübeck tagte. Unter den Anwesenden: Klaus-Ruthard Frisch, Generalsekretär des Verbandes und technischer Geschäftsführer des Instituts für Kalk- und Mörtelforschung (IKM) in Köln.

Geballte Kompetenz in Sachen Kalk im Institut in Köln-Raderberg

Das Institut an der Annastraße 67-71 in Raderberg ist als staatlich anerkanntes und unabhängiges Prüfinstitut für die Kalkindustrie im gesamten Bundesgebiet und jenseits seiner Grenzen bekannt: „In der Kalkindustrie spricht man überall von der Annastraße“, erzählt Frisch, „hier sitzt die geballte Kompetenz.“ Er bot der Stadt Lübeck somit sofort die Hilfe seines Instituts bei der Erforschung der Schiffsladung an. Die sagte hocherfreut zu – und so landete der frisch geborgene Kalkbrocken auf einem Labortisch in Köln.

Ein mehrstöckiges Bürogebäude mit zwei Fahnenmasten und parkenden Autos ist zu sehen.

Das Institut für Kalk- und Mörtelforschung an der Annastraße in Raderberg

Das Institut befindet sich in strategisch günstiger Lage in Köln zwischen den bedeutenden Kalkvorkommen in der Eifel und im Bergischen Land. In seinen Laborräumen untersuchen Experten Kalke, Kalkstein, kalkstämmige Produkte, Gesteinskörnungen und Dolomit. Verschiedenste Unternehmen lassen ihre Erzeugnisse dort auf ihre Qualität untersuchen. Das IKM untersucht die Eigenschaften der Kalke, damit Herstellungsverfahren verbessert werden und die Qualität der Produkte garantiert werden kann, auf deren Basis das Gütezeichen für Baukalke vergeben wird. Es verfügt über 22 Mitarbeiter.

Baustoffe werden in Köln-Raderberg analysiert

Die Institutsleiterin und Biochemikerin Annamaria Fiethen erläutert die Bedeutung des Rohstoffs Kalk im Alltag: „Beispielsweise bei dem Bau von Straßen, Wegen und Verkehrsflächen spielt er eine große Rolle“, sagt sie. „Kalk sorgt bereits im Unterbau der Straßen für Stabilität und bewahrt als Kalkhydrat die Asphaltdecke vor den in Köln oft sichtbaren witterungsbedingten Schäden.“ Daher sei die Qualität des beim Bau verwendeten Kalkes von großer Bedeutung. So würde bei der Ausschreibung des Baus einer Straße festgelegt, welche Güteklasse das verwendete kalkhaltige Produkt erfüllen muss.

 Die Unternehmen, die es liefern möchten, müssen dann seine Qualität nachweisen. Zu diesem Zweck wird sie vom IKM geprüft. Kalk komme aber auch an vielen anderen Stellen zum Einsatz, so Fiethen, bei der Herstellung von Trinkwasser, bei der Neutralisierung der CO₂-Emissionen aus Braunkohlewerken, bei der Herstellung von Stahl, um das Metall von den Schlacken zu trennen. Die Industrie lässt bei Untersuchungen im IKM zudem testen, wie viel Kalk in einem Kalkstein gebunden ist. Auf diese Weise wissen die Unternehmen, wie viel CO2 bei seiner Verarbeitung freigesetzt wird, um ausreichende Emissionszertifikate zu erwerben. 

Kalk wird beim Bau der Fundamente von Windrädern verwendet, steckt in Putz und Mörtel, in Zahnpasta und Kosmetika. Es gibt also sehr viel zu tun für das Institut an der Kölner Annastraße. Den interessantesten Auftrag zog es nun allerdings in Lübeck an Land: Die Untersuchungen der ersten Probe dauern noch an. Daher möchten die Experten bislang keine Aussagen dazu machen. Doch wenn sie nach weiteren Analysen genaue Ergebnisse haben, können sie Auskunft über den möglichen Herkunftsort, Alter und Verwendungszweck geben. Ihre Erkenntnisse teilen sie mit den Historikern und Archäologen in Lübeck. Und so spielt das Kölner Institut bei der Aufklärung der Frage, warum das vor 400 Jahren gesunkene Handelsschiff dort unterwegs war, gerade eine große Rolle.

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