Mit diesem Nachwuchs in einem Mehrfamilienhaus in Köln-Zollstock hatte wohl keiner der Bewohner gerechnet.
Bewohner kümmern sich rührendUngewöhnlicher Nachwuchs in Kölner Treppenhaus

Der Geburtsort: Eine Pflanze steht in einem großen Karton.
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Am Anfang wussten die Bewohner des Mehrfamilienhauses in Zollstock nicht, was da vor sich ging in dem Blumentopf im Flur vor ihrer Wohnungstür. Zu dicht sind die Blätter und zu zaghaft waren die Veränderungen am Anfang. „Beim Blumengießen haben wir es dann entdeckt.“ Hier bauten Vögel ein Nest. Und dann waren auch von Zeit zu Zeit die Bauherren zu sehen: Ein Rotkehlchen-Paar flog immer wieder durch das gekippte Flurfenster mit Zweiglein aus und ein, um das Werk zu vervollständigen.
Rotkehlchen kommen durch das gekippte Flurfenster
Was die Rotkehlchen zur Wahl dieses außergewöhnlichen Nistplatzes bewog, ist ein Rätsel. „Zumal wir ja auch eine begrünte Dachterrasse haben und hinter dem Haus ist eine große Grünfläche.“ Doch das Ehepaar Wolfgang und Oliver nahm sich der neuen Nachbarn begeistert an. Das Fenster blieb seither stets gekippt und der Blumenkübel unter Beobachtung. Glücklicherweise befindet sich der Nistplatz im obersten Stockwerk, sodass nicht viel Durchgangsverkehr herrscht.
Den Vögeln schien es gut zu gefallen: Nach einiger Zeit lagen erst zwei Eier im Nest, dann jeden Morgen eines mehr. „Wir haben dann gegoogelt, dass Rotkehlchen vier bis sieben Eier legen“, sagt Wolfgang. Am Ende waren es sechs. Die Rotkehlchen-Dame begann seelenruhig mit dem Brüten.

Sechs Eier lagen im Nest.
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Und tatsächlich schlüpften die kleinen Vögel, eines nach dem anderen. Am Anfang waren sie so winzig, dass man sie kaum sehen konnte. Die Freude bei den „Adoptiveltern“ war umso größer: „Wir sind Muttis!“
Kleine Rotkehlchen sind ganz still
Inzwischen sind die Rotkehlchen etwa zwei Wochen alt. Immer noch muss man genau hinschauen, um sie zwischen den Blättern zu entdecken. Sie sind braungrau und kuscheln sich eng ineinander. Sie liegen völlig still und selbst, wenn die Eltern zum Füttern kommen, ist kaum ein Geräusch zu hören – ganz im Gegensatz zum Beispiel zum lärmenden Nachwuchs der Schwalben.

Dicht aneinandergekuschelt liegen die kleinen Vögel im Nest.
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Die Erklärung: Rotkehlchen sind Bodenbrüter, in der Natur ist es für sie wichtig, dass sie zum Schutz vor Feinden gut getarnt und still sind. Im Zollstocker Hausflur haben sie nichts zu befürchten. Die Katzen der Nachbarin sind eingesperrt. Und Wolfgang und Oliver gehen nun stets vorsichtig und mit einem leisen Flöten aus der Wohnungstür. Neben den Blumentopf haben sie eine Schale mit – lebenden – Mehlwürmern gestellt, um die Eltern bei der Nahrungssuche zu entlasten.

Die Jungvögel sind noch unscheinbar und sehr still.
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Die nehmen das Angebot sehr gerne an, die Schale muss täglich aufgefüllt werden. „Die machen es sich bequem, jetzt haben die hier auch noch Vollpension“, lacht Oliver. Die Kleinen sind so entspannt, dass sie die Mehlwürmer sogar aus der Hand der Hausbewohner annehmen. Die haben sich vorher in der Fachliteratur versichert, dass das den Eltern nichts ausmacht. Geruch entsteht durch das Nest übrigens nicht: Die Eltern tragen den Kot der Kleinen in ihren Schnäbeln mit nach draußen.

Die Rotkehlchen-Mutter beim Brüten
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Inzwischen haben Wolfgang und Oliver den Blumenkübel, der bisher auf einer Säule stand, in einen großen Karton umgesetzt. Denn der schwerste Teil der Untermieter-Betreuung steht noch bevor. Rotkehlchen sind Nestflüchter, irgendwann hüpfen sie einfach aus dem Nest und wollen dann ihre Umgebung erkunden.
Treppenhaus wurde mit Brettern abgesperrt
Da ist der Flur mit der Treppe natürlich eine potenziell lebensgefährliche Umgebung. „Deshalb haben wir den Karton aufgestellt, da können sie dann erstmal sicher drin herumhüpfen. Wir sind wie die Glucken“, sagt Wolfgang. Zusätzlich wurde die Treppe auch noch mit Brettern abgesperrt, damit die Kleinen nicht die Treppe herunterfallen. Wolfgang und Oliver klettern darüber.
Doch es wird der Tag kommen, da werden die Rotkehlchen ausziehen wollen. Dann kommt die letzte große Hürde. Die Rotkehlchen-Eltern müssen es schaffen, dem Nachwuchs den Weg durch das gekippte Fenster in die freie Natur zu zeigen. Dabei können die Hausbewohner nicht helfen. Wolfgang und Oliver, die auf ihrer Terrasse regelmäßig Vögel beobachten, sind optimistisch: „Das wird klappen, die fliegen dann einfach hinterher.“ Fortsetzung folgt.