Run auf Marathon-Startplätze in Köln und BonnDie Lust am Laufen kehrt zurück

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01.10.2023, Köln: 25. Köln-Marathon. Der Lauf ist dieses Jahr gleichzeitig der Wettbewerb um die Deutsche Marathonmeisterschaften. Foto: Uwe Weiser

Der Zieleinlauf beim 25. Köln-Marathon am 1. Oktober Foto: Uwe Weiser

Seit Ende der Corona-Pandemie schnellen die Anmeldezahlen in die Höhe. Davon profitieren auch kleinere Veranstaltungen wie der Königsforst-Marathon.

Jochen Baumhof weiß gar nicht, wie ihm geschieht. Der Organisator des Königsforst-Marathons vom TV Refrath sieht sich knapp drei Wochen vor dem Startschuss zur 50. Auflage am 17. März einem regelrechten Run auf die Startplätze ausgesetzt. „Die Meldezahlen haben bisher uns unbekannte Höhen erreicht“, sagt er. „Noch nie waren es mehr.“ Die Steigerungsrate dürfte bei 60 Prozent liegen. Das lässt sich allein durch das Jubiläum nicht erklären.

Auch nicht durch das Abklingen der Corona-Pandemie. Laufen ist wieder in. Wettkämpfe auch. „Wir müssen die Tradition wahren und Neues bieten“, sagt Baumhof, der 1978 selbst zum ersten Mal Marathon lief und seither alles ist. Läufer, Trainer und Veranstalter. Und der viel Wert auf die Themen Naturschutz und Nachhaltigkeit legt.

Staffel-Marathonlauf Pulheim: Moderator Jochen Baumhoff

Jochen Baumhof, Organisator des Königsforst-Marathons Foto: maGro/Weingarten

Genau diese Mischung macht das Alleinstellungsmerkmal des Königsforst-Marathon aus. Plus Baumhofs pfiffige Ideen. Das spricht sich rum. In den Corona-Jahren ist der Lauf nicht ausgefallen, weil er sich ein Sicherheitskonzept ausgedacht hat, das die Behörden überzeugte. 2012 hat er zusammen mit den Naturschützern „Run Green – Run Happy“ ins Leben gerufen und rechtzeitig zum Jubiläum die Strecke so angepasst, dass sie noch ein bisschen umweltschonender sein wird. Und die Medaillen ziert ein Wappenvogel mit Geschichte: Es ist ein von der Bergischen Greifvogelhilfe gesundgepflegter Uhu, den Baumhof im November in die Freiheit entließ. Der Videoclip wurde auf Youtube tausendfach angesehen.

„Die Corona-Delle ist vorbei“

Vom Run auf die Startplätze ist man auch beim Köln-Marathon überrascht. „Die Corona-Delle ist vorbei“, sagt Renndirektor Markus Frisch. Die Meldezahlen für den 6. Oktober liegen Anfang März beim Marathon 72 Prozent über dem Vorjahresniveau, beim Halbmarathon sind es sogar 83 Prozent. „Dabei hat die Laufsaison doch noch gar nicht angefangen.“ Wenn der Trend so anhält, könne man beim Marathon mit mehr als 7000 Teilnehmenden rechnen. „Das hatten wir zuletzt vor zehn Jahren.“ Insgesamt kalkuliert Köln im Oktober mit 25.000 Startern und hätte damit an die Vor-Corona-Jahre angeknüpft.

Ist das der Anfang eines neuen Lauf-Booms wie Ende der 1990er Jahre? Frisch ist da eher zurückhaltend. Der klassische Marathon sei nach wie vor ein „Nischenmarkt“, die Kundschaft mit 100.000 Aktiven deutschlandweit überschaubar. Bei den Marktanalysen hat der Kölner Verein für Ausdauersport, der neben dem Marathon auch den Radklassiker rund um Köln und den Köln-Triathlon organisiert, aber durchaus neue Trends ausgemacht.

23.09.2022, Köln: Portrait Markus Frisch, Geschäftsführer Köln-Marathon.

Foto: Michael Bause

Markus Frisch, Geschäftsführer der Kölner Ausdauersport GmbH Foto: Michael Bause

Im Jahr 2019 hat der Sportwissenschaftler Professor Robin Kähler bei einer repräsentativen Online-Befragung für den Sportentwicklungsplan der Stadt Köln unter der Bevölkerung, in Schulen, Kindertagesstätten und Sportvereinen herausgefunden, dass in allen Altersgruppen zwischen 20 und 70 Jahren das Laufen an erster Stelle steht, gefolgt von Fitness, Radfahren, und Schwimmen. Fußball landet abgeschlagen auf Rang fünf.

„Die Corona-Pandemie hat bei vielen Menschen tiefe Spuren hinterlassen. Sie waren körperlich oft nicht in der Lage, sich fit zu halten“, sagt Frisch. „Das kehrt sich jetzt um. Immer mehr gelangen zu der Erkenntnis, dass Laufen der einfachste und effektivste Sport ist, um sich gesund zu halten.“

Viele Neueinsteiger zwischen 28 und 30 Jahre

Der Blick in die Statistiken des Köln-Marathon scheint das zu bestätigen. In den Jahren vor der Corona-Pandemie waren die meisten Teilnehmenden sowohl beim Halbmarathon als auch beim Marathon zwischen 20 und 30 oder 45 bis 55 Jahre alt. „Diese Spitzen sind komplett weggebrochen. Wenn man die absoluten Zahlen vergleicht, laufen die Älteren ab 55 Jahre weniger, aber zwischen 28 und 30 gibt es sehr viele Neueinsteiger“, sagt Frisch.

Von diesem Trend scheint der Köln-Marathon zu profitieren. „Wenn Du ein Jahr lang für Dich allein trainierst, kommt irgendwann der Punkt, an dem Du Dich für eine Laufveranstaltung interessierst, um Dir die Wertschätzung an der Strecke abzuholen.“

95 Prozent kommen durch Empfehlungen nach Köln

Das zeige sich nicht nur beim Marathon, sondern auch beim Radrennen und beim Triathlon. „Bei allen drei Veranstaltungen haben wir rund 60 Prozent Neukunden. 95 Prozent kommen durch Empfehlungen nach Köln“, sagt Frisch. „Das können wir mit Sicherheit sagen, weil wir es bei der Anmeldung abfragen.“

Über die Motivation könne man nur spekulieren. Beim Marathonläufer stehe in der Regel der klassische Wunsch im Vordergrund, einmal im Leben die 42,195 Kilometer bewältigt zu haben.

Bei dem hohen Anteil an neuen Kunden, müsse man sich auch die Frage stellen, warum die anderen 40 Prozent nicht dabeibleiben und zu Stammkunden werden. „Wir bauen den Event-Charakter beständig aus“, sagt Frisch. In einer „Selfie-Gesellschaft“ müsse ein Großereignis wie der Köln-Marathon nicht nur gut organisiert sein, sondern sich immer wieder die Frage stellen, wie sich die Läuferinnen und Läufer darstellen können.

01.10.2023, Köln: 25. Köln-Marathon. Der Lauf ist dieses Jahr gleichzeitig der Wettbewerb um die Deutsche Marathonmeisterschaften. Foto: Uwe Weiser

Der Lohn nach 42,195 Kilometern durch Köln: Medaillenausgabe im Ziel. Foto: Uwe Weiser

„Die wollen zeigen, welche Leistung sie gerade bringen, sind motiviert von den vielen schönen Bildern, die so eine Veranstaltung hergibt“, so Frisch. Das könne man auch kritisch sehen, sei aber nun mal der Trend der Zeit. Live-Tracking auf der Strecke, Selfie-Spots mit dem Dom im Hintergrund, Foto-Flatrates, mit denen sich bis zu 80 Bilder des eigenen Rennens herunterladen lassen. „Es wird so viel Content produziert, dass man sich schon fragen kann, wer sich das alles anguckt. Aber es wird verlangt.“

Das Budget des Köln-Marathons beträgt rund 2,3 Millionen Euro, der Anteil der Startgelder liegt zwischen 60 und 70 Prozent, den Rest steuern Sponsoren bei. Mit einer Startgebühr von 125 Euro für den Marathon in der teuersten Kategorie liegt Köln im hinteren Drittel der großen Stadtläufe. In Berlin, dem mit Abstand größten deutschen Marathon, sind es 205 Euro, München verlangt 135, Frankfurt 129 und Hamburg 120 Euro für die volle Distanz. Der Trend geht seit der Corona-Pandemie überall steil nach oben, was auch daran liegt, dass seit 2015 eine deutliche Marktbereinigung stattgefunden hat. Von den 174 Marathonläufen damals sind noch knapp 100 übriggeblieben.

Der Frühjahrsmarathon von Bonn zählt dazu. Und bestätigt mit seinen Zahlen den Kölner Trend. Am 14. April werden voraussichtlich rund 12.000 Menschen durch die Straßen der Bundesstadt laufen. Sie haben die Wahl zwischen drei Distanzen, im Gegensatz zu Köln gibt es auch einen Wettbewerb über zehn Kilometer. „Wir haben uns klar als Breitensportveranstaltung positioniert und wollen möglichst vielen Menschen die Möglichkeit geben, daran teilnehmen zu können“, sagt David Okon, Geschäftsführer von MMP Event aus Köln.

Klarer Trend zu mehr Sport und Bewegung

Der Trend zu mehr Sport und Bewegung und einem gesunden Lebensstil sei klar erkennbar. „Deshalb gehen wir nicht nur auf die Volldistanz, sondern wollen ein großes Sportfest organisieren, an der auch Menschen teilnehmen können, die vielleicht nur am Wochenende durch den Stadtwald joggen und jetzt die Möglichkeit haben, mal auf ein Ziel hin zu trainieren“, sagt Okon. Die Nachfrage sei gerade auch für die zehn Kilometer so groß, „dass wir die Anmeldung wohl vorzeitig schließen müssen.“ Sollte dieser Trend anhalten, „kann man auch darüber nachdenken, die Veranstaltung auf zwei Tage auszudehnen und den Samstagabend einzubeziehen.“

In Düsseldorf will die städtische Veranstaltungstochter D.Live am letzten April-Sonntag 2025 wieder ins Marathon-Geschäft einsteigen, nachdem der geplante Neustart nach der Pandemie im April 2022 mit einer kurzfristigen Absage und einer Bruchlandung endete, weil bereits angemeldete Teilnehmer ihre Startgebühr abschreiben mussten.

„Wir sind nach Corona immer wieder gefragt worden, wann es den Marathon wieder geben wird“, sagt Burkhard Hintzsche, Stadtdirektor und Aufsichtsratsvorsitzender von D.Live. „Die Nachfrage war immer da, obwohl es nach 2019 mit 18.000 Teilnehmern keine Veranstaltung mehr gegeben hat und deshalb auch sehr sicher, dass wir uns im Markt wieder etablieren können. Vollkommen unabhängig von der Frage, wer ihn organisiert.“

Er sei anfangs eher skeptisch gewesen, ob Köln, Bonn und die Angebote im Ruhrgebiet für NRW nicht ausreichend seien. „Wir haben die damaligen Sponsoren angefragt und festgestellt, dass sie auch ein Interesse haben. Wir mussten keine Klinken putzen. Das Thema stößt überall auf Begeisterung“, so Hintzsche. Mit 900.000 Euro ist das Budget im Vergleich zu Köln überschaubar. Bei 18.000 Startern sei die Finanzierung des Düsseldorf-Marathons gesichert.

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