Schaafenstraßen-Wirt in Köln„Unsere Gäste kriegen auf der Zülpicher auf die Mütze“

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Dieter Hennes vom Ex-Corner auf der Schaafenstraße in Köln

Köln – Dieter Hennes vergleicht seine Kneipe mit einem Oldtimer. Außen der Charme eines Klassikers, innen die neuste Technik. „Wir haben eine neue Lüftung, Heißspülen, die Theke erneuert, den Boden. Jetzt sieht es so aus, als hätte man einfach lange sauber gemacht, denn die Leute sollen ja nicht denken „Ich erkenne mein Zuhause“ nicht wieder“, sagt Hennes. Es ist Jubiläumsjahr für das „Ex-Corner“ auf der Schaafenstraße. Die Bar ist 30 Jahre alt geworden. Für die nächsten Jahrzehnte hat der Wirt die alteingesessene Kneipe neu gerüstet: Die pandemiebedingte Pause hat er genutzt, um das „Corner“ zu sanieren.

Ex-Corner in Köln Pionier der Schwulenszene

Eine Sause mit großem Geburtstagsprogramm – als Gastband war die kölsche Band Lupo angedacht – gibt es dieses Jahr wegen Corona noch nicht. Stattdessen „haben wir im Kleinen gefeiert mit einer Travestie-Show auf unserer Bühne“ berichtet der Wirt. Mit Stolz blickt er auf das Jahr 1991 zurück. Das Corner war Pionier im heutigen Regenbogen-Viertel: Als Gründer Reiner Sterzenbach das Lokal, das vorher eine Kölschkneipe war, mitsamt Mobiliar übernommen hat, habe es sofort einen neuen Zeitgeist versprüht. „Dieser Zeitgeist war in Köln und der Republik damals noch nicht wachgeküsst worden. Um seine Neigungen auszuleben, musste man vorher in dunkle Seitenstraßen, an der Tür wurde man gemustert“.

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Mit dieser Kultur des Abschottens und Versteckens habe das „Corner“ gebrochen. Für Sterzenbach sei der Laden „Liebe auf den ersten Blick“ gewesen. Nur in Australien habe er vergleichbare Orte gesehen. Auch Köln sollte fortan eine offene Schwulen-Kneipe bekommen. „Es ist dann eine fancy Bar entstanden“, sagt Hennes. Rund zehn Jahre später hat der Wirt übernommen.

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Die Schaafenstraße wie man sie heute kennt sei zu großem Teil dem Ex-Corner geschuldet, resümiert der 54-Jährige. Mittlerweile wimmelt es nur so vor Clubs und Kneipen, was der Feierzone der Schwulen- und Lesben-Szene die Bezeichnung „Bermudadreieck“ eingebracht hat. Mit einer Anwohnerin habe er darüber sinniert, wie die Schaafenstraße wohl vor dem Zweiten Weltkrieg ausgesehen hat. „Eine Idee wäre so ein Wettbewerb, wo Anwohner alte Bilder von der Straße einreichen, um zu erfahren, wie es hier früher war“.

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Comiczeichner Ralf König hat in seinem Comic „Bullenklöten“ von 1992 das im Jahr zuvor eröffnete „Corner“ verewigt.

Das Ex-Corner jedenfalls arbeitet an seinem Kult-Status. Der in Köln lebende Comiczeichner Ralf König hat der Kneipe sogar ein Denkmal gesetzt und sie in einem seiner Comics verewigt. Besonders hervorheben möchte Hennes, dass es in der Bar in 30 Jahren kaum Anfeindungen gegeben habe.

Probleme mit Müll und Krach um Schaafenstraße herum

Vielmehr ist die Schaafenstraße immer noch Anlaufstelle der LGBTQ-Community. Dieser Schutzraum sei diesen Sommer jedoch zeitweise gefährdet gewesen, so der Wirt. Die Clubs und Kneipen waren zu, die Leute feierten immer mehr im öffentlichen Raum. Anwohner beschwerten sich über Müll und Krach bis in die Morgenstunden. Die Lage habe sich mittlerweile ein wenig verbessert, aber vor allem verlagert. Die Jugendlichen sind nun Richtung Sparkasse an der Hahnenstraße gezogen.

Die chaotischen Zustände herrschten jetzt dort. „Es hat sich ein neues Lebensgefühl bei den Kids entwickelt. Die brauchen keine Kneipe, sondern ihre Musikbox und Getränke, mehr nicht“. Problematisch werde auch, wenn queere Gäste auf dem Weg dorthin oder zurück nach Hause angepöbelt werden. „Daher versuchen wir die Politik immer wieder drauf aufmerksam zu machen: Wir sind nicht irgendeine beliebige Straße. Unsere Gäste kommen extra hierhin, während sie auf der Zülpicher oder den Ringen eins auf die Mütze kriegen“, so Hennes.

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