Schluss mit dem RauschWarum Köln auch nach der Fastenzeit abstinent bleiben sollte

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Kölsch wird beim Auftakt der Karnevalssession auf dem Heumarkt verkauft. Nach einem guten Jahresstart im Januar hofften die Kölsch-Hersteller auf einen guten Februar, der traditionell durch die Karnevalsaktivitäten ein Absatzhöhepunkt sei.

Kölsch ist nicht nur Kulturgut, sondern auch eine Gefahr für die Gesundheit. Und zwar schon in geringen Mengen.

Die Fastenzeit startet mit Alkoholverzicht. Kanadas Suchtbehörde liefert Belege, warum man dem Trinken für immer Goodbye sagen sollte. Auch in Köln.

Als ich klein war, gab es diese besonders kleinen Trinkgläser. Sie waren zu groß für Schnaps und zu klein für Limonade. Zu besonderen Gelegenheiten komplettierten sie mit Radler gefüllt das Kindergedeck an vielen fränkischen Abendbrottischen. Auch Mini-Bierkrüge für Kinder konnte man kaufen. „Mei erstes Brotzeitkriagl“ stand da auf Steingut, damit der Nachwuchs rechtzeitig in die kulturell tief verwurzelten Gebräuche der biertrinkenden Bayern eingeführt werden konnte. Denn einige Eingewöhnungszeit muss man bei einem so bitteren Gebräu wie Bier schon einpreisen, damit die Bevölkerung rechtzeitig zum 16. Geburtstag als williger Konsument zur Verfügung steht.

Die Erlaubnis, Bier zu trinken, fiel übrigens passenderweise zusammen mit der Möglichkeit des Erwerbs des Rollerführerscheins. Was in der fränkischen Provinz in meiner Jugend fast unvermeidlich dazu führte, dass reihenweise besoffene 16-Jährige auf Überlandstraßen von Dorf zu Dorf mäanderten. Busse fuhren abends schließlich nicht mehr. Und Fahrradfahren ist nach drei Bier wirklich viel zu anstrengend. Haha. Was haben wir damals gelacht.

Die gefäßschützende Wirkung von Wein ist als Mythos enttarnt

Die Zeiten haben sich weiterentwickelt. Heute käme man nicht mehr auf die Idee, bei der feuchtfröhlichen Familienfeier seine Sechsjährigen die schnapsgetränkten Mandarinen aus der Bowle naschen zu lassen. Alkohol am Steuer gilt nicht mehr als Kavaliersdelikt. Und wer regelmäßig Ja sagt zum Vor-Feierabend-Wein am Arbeitsplatz, der bekommt möglicherweise eine Einladung vom Anti-Suchtbeauftragten der Firma. Und dennoch: Der Glaube, dass Alkohol kein wirklich gefährlicher Suchtstoff, sondern vielmehr Teil unserer bewahrenswerten Kultur ist, hält sich hartnäckig.

Lange argumentierten sogar Mediziner, das tägliche Glas Wein schütze durch das im Rotwein enthaltene Reservatrol vor Herz- und Kreislauferkrankungen. Erst 2021 entkräftete die Bundeszentral für gesundheitliche Aufklärung nach einer Reihe von Studien diesen Mythos. Auch niedriger bis moderater Alkoholkonsum habe keine gefäßschützende Funktion, welche die schädliche Wirkung überwiege.

Claudia Lehnen

Claudia Lehnen

Claudia Lehnen, geboren 1978, ist Chefreporterin Story/NRW. Nach der Geburt ihres ersten Kindes begann sie 2005 als Feste Freie beim Kölner Stadt-Anzeiger. Später war sie Online-Redakteurin und leitet...

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Das Canadian Centre on Substance Use and Addiction (CCSA) setzt nun um, was schon seit Jahrzehnten langsam aber stetig in die Realität der Bier- und Weinliebhaber sickert: Auch wer wenig trinkt, trinkt zu viel. Den Richtwert für gesunden Alkoholkonsum senkte die Behörde deshalb jüngst auf Null. Heißt: Schluss mit dem Feierabendbier und dem gelegentlichen Gelage. Wer gesund bleiben will, der lebe abstinent.

Guckt man auf die Studienlage, geht Kanada damit den richtigen Weg. In Amerika wurde nachgewiesen, dass Alkoholkonsum zwischen 2015 und 2019 für rund 140.000 Todesfälle verantwortlich war. Etwa 40 Prozent lagen Autounfälle, Vergiftungen oder Tötungsdelikte vor, ließ sich das Sterben also direkt auf das Trinken zurückführen. Die meisten Todesfälle wurden jedoch durch chronische Krankheiten verursacht, die zum Beispiel auf Leber-, Krebs und Herzerkrankungen zurückzuführen sind. Damit trägt an jedem achten Tod zwischen 20 und 64 Jahren der Alkohol Schuld.

Alkohol ist eine Gefahr für die Gesundheit und das Zusammenleben

Auch Deutschland täte gut daran, Kölsch und Wein von dem verharmlosenden Mantel der Kulturromantik zu entkleiden und als das anzusehen, was es ist: Eine Gefahr für die Gesundheit und das friedliche Zusammenleben. Denn auch Gewalttaten sind immer dann vermehrt zu beobachten, wenn wie zum Beispiel an Silvester oder im Karneval Alkohol im Spiel ist.

Dazu gehört: Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen, eine Null-Promillegrenze für Auto- und Fahrradfahrer sowie strengere Regelungen beim Ausschank von Alkohol, die beispielsweise vermeiden, dass Minderjährige in Gaststätten Alkohol als normalen Bestandteil der Abendgestaltung wahrnehmen müssen. Und klar, die Brotzeitkriagl müssen auch zum Leergut.

Claudia Lehnen, 44, ist Ressortleiterin NRW/Story. Sie hat eine Schwäche für Cola zero, was gesundheitlich auch nicht ganz unbedenklich ist. Außerdem gibt sie zu, dass Sekt zuweilen herrlich prickelt.

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