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Für ihre DoktorarbeitenKölner Studenten testen Ehrlichkeit an Büdchen

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Mit einer Büdchen-Studie zum Doktortitel: Felix Ebeling (l.) und Julian Conrads in ihrem Stammkiosk in der Südstadt.

Mit einer Büdchen-Studie zum Doktortitel: Felix Ebeling (l.) und Julian Conrads in ihrem Stammkiosk in der Südstadt.

Köln – Weiße Mäuse, Lakritzstangen, Cola-Fläschchen, Frösche und Schnecken: Das Süßwaren-Sortiment eines kölschen Büdchens ist durchaus geeignet, seinen Käufern den Weg zu einem Doktortitel zu ebnen.

Drei ehemaligen Studenten des Lehrstuhls für Wirtschaftsforschung und Verhaltensökonomie ist genau das gelungen. Mit Schlümpfen und Schnullern gelangten Julian Conrads (32), Felix Ebeling (32) und Sebastian Lotz (33) zu akademischen Graden.

82 Kölner Büdchen erforscht

Mit einer ungewöhnlichen Idee: Conrads, Ebeling und Lotz haben an 82 Kölner Büdchen, das sind knapp zehn Prozent, die Ehrlichkeit der Betreiber erforscht. Kiloweise kauften sie Hunderte Tüten mit gemischten Süßigkeiten, die zur Ermittlung des Preises gewogen wurden. Mal 50 Gramm, mal 150 Gramm. Nach dem Kauf landeten die Tüten daheim erneut auf der Waage.

Das wichtigste Ergebnis: Der Kölner Kioskbetreiber ist vom Grundsatz her ehrlich. In rund 96 Prozent der Fälle stimmte das Gewicht.

Allerdings mit einem kleinen Haken. „Auch wenn Ehrlichkeit die Regel ist, gibt es interessante Ergebnisse“, sagt Julian Conrads. „Ist die Waage für den Kunden sichtbar, ist es praktisch ausgeschlossen, dass zu viel bezahlt wird. Wiegen die Kioskbesitzer allerdings versteckt vom Kunden, zum Beispiel hinter dem Tresen, liegt in 28 Prozent der Fälle ein zu hoher Preis vor.“

Ehrlichkeit im Internet

Dieses Ergebnis allein reicht natürlich nicht für akademische Würden – und schon gar nicht drei Doktortitel. Den Forschern ging es mit der Büdchen-Studie grundsätzlich um eine der aktuellen Fragen der angewandten Volkswirtschaftslehre, nämlich nach der Ehrlichkeit in Märkten.

Ehrlichkeit der Marktteilnehmer sei eine der wichtigsten Voraussetzung für funktionierende Märkte. Internetmärkte wie Ebay oder Amazon, erklärt Conrads. „Sie funktionieren über das Vertrauen der Marktteilnehmer in die Vertrauenswürdigkeit der Handelspartner. Die Plattformen investieren aus gutem Grund Millionen in Reputationssysteme, die etwa die Zufriedenheit der Kunden mit den Verkäufern transparent aufzeigen.“ Außerhalb des Internets sei Ehrlichkeit genauso wichtig, aber schwerer zu erfassen. Besonders bei kleinen Geschäften wie einem Kiosk.

„Die klassische Wirtschaftstheorie geht immer vom Homo oeconomicus aus, der sich immer rational und Eigennutz-orientiert verhält.“ Das Forschungs-Trio habe versucht, mit der Büdchen-Studie das Gegenteil zu beweisen. „Wir wollten dieses Bild ein Stück korrigieren und zeigen, dass der Mensch nicht nur vom Eigennutz getrieben wird“, sagt Conrads.

Konsequent unehrlich

Felix Ebeling kam auf die Idee, weil er sich an Karneval immer wieder darüber geärgert hatte, dass sich an einigen Büdchen die Kölschpreise verdoppeln. „Man könnte ja vermuten, dass bei einer flüchtigen Begegnung wie an einem Kiosk, bei einer geringen Wahrscheinlichkeit, ertappt zu werden, und einem geringen Warenwert besonders betrogen wird. Das Gegenteil ist der Fall. Eigentlich ein schönes Ergebnis.“

Zumal es durch eine zweites verfeinertes Experiment noch bestätigt wird. Die drei Studenten suchten noch einmal die Kioske auf, deren Besitzer mit verdeckten Waagen arbeiten. Einmal im Business-Look, ein anderes Mal in Jeans und T-Shirt. Bei denen, die manipulierten, machte das keinen Unterschied. „Wer unehrlich handelt, ist dabei konsequent“, sagt Ebeling. „Es stimmt also nicht unbedingt, dass Gelegenheit Diebe macht.“

Die Büdchen-Studie der drei Kölner hat in der Forschungswelt der Verhaltensökonomen für Aufsehen gesorgt, wurde zuletzt in einem Fachjournal ausführlich vorgestellt. „Uns hat es großen Spaß gemacht. So ein Feldexperiment ist halt echtes Leben.“

Den Studenten hat die ungewöhnliche Arbeit auch bei ihren Karrieren geholfen. Zwei von ihnen arbeiten inzwischen als Unternehmensberater, der dritte forscht an der traditionsreichen Stanford University in Kalifornien. Von den Forschungs-Fröschen und Lakritzen haben die Studenten des Fachbereichs kurzfristig profitiert. „Wir konnten das Zeug irgendwann einfach nicht mehr sehen“, sagt Ebeling.

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