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Interview

Sozialdezernent
Harald Rau über Wohnen: „Wer eine eigene Burg möchte, ist in Köln falsch“

Lesezeit 4 Minuten
Harald Rau, Dezernent für Soziales, Gesundheit, Wohnen im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Harald Rau, Dezernent für Soziales, Gesundheit und Wohnen, im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“

Der Sozialdezernent der Stadt Köln spricht im Interview über bezahlbare Mieten – und wie er sich Wohnen in einer Großstadt künftig vorstellt.

Herr Rau, voriges Jahr hat die Stadt Förderungen für 1454 Wohnungen bewilligt, damit Kölnerinnen und Kölner zu günstigeren Mieten in ihnen wohnen können. Sind das nicht zu wenige?

Wir sind alle froh über unsere lebenswerte Stadt und wir sind zum Glück eine Schwarmstadt. Das heißt, Menschen wollen zu uns kommen. Ich glaube sogar, wir sind so attraktiv, dass wenn wir 10.000 Wohnungen mehr hätten, diese auch sofort belegt wären, und trotzdem noch eine Not da wäre. Das macht uns an ganz vielen Stellen große Sorgen, weil wir diese Menschen dringend brauchen, die kommen wollen: Erziehende, Pflegekräfte, Fach- und überhaupt Arbeitskräfte. Und diese müssen auch hier wohnen können. In Köln leben auch Menschen, die in besonderen Lebenslagen sind, die sich nicht aus eigener Kraft Wohnungen organisieren können. Für sie gibt es zum Beispiel geförderte Wohnungen.

Die ungefähre Schätzung ist, dass mehr als 40 Prozent der Kölnerinnen und Kölner ein Anrecht auf einen Wohnberechtigungsschein haben, für die ist der Anteil von 7,3 Prozent geförderter Wohnraum am gesamten Bestand in Köln zu wenig. Und wenn uns jetzt noch jedes Jahr mehr Wohnungen aus der Bindung fallen, als neue entstehen, ist Ihre Frage ganz eindeutig mit Ja zu beantworten, wir haben zu wenig Wohnungen.

Muss man überdenken, wie viele Menschen Anspruch auf den Wohnberechtigungsschein haben sollen, damit man besser denen helfen kann, die geförderte Wohnungen am dringendsten brauchen?

Ganz im Gegenteil, wir sind gerade vom Rat aufgefordert, sogar noch eine zusätzliche Kategorie, nämlich einen Wohnberechtigungsschein C zu erarbeiten, weil die Politik richtigerweise sagt, es sind nicht nur prekär lebende Menschen in Wohnungsnot, sondern auch zunehmend Menschen im unteren Mittelstand.

Wie sinnvoll ist das, wenn man jetzt schon nicht hinterherkommt, die Wohnungen bereitzustellen?

Das ist eine politische Frage: Wen möchte die Stadt unterstützen? Das Sozialdezernat hat natürlich den vorrangigen Auftrag, die Menschen in besonders prekären Lagen zu unterstützen. Aber wir brauchen auch für andere Personengruppen Wohnungen, um sie überhaupt für Köln gewinnen zu können. Deshalb ist nicht nur geförderter Wohnraum, sondern auch preiswerter oder bezahlbarer Wohnraum grundsätzlich ein wichtiges Thema.

06.05.2025, Köln: Im neuen Viertel in der Nähe des Zoos sind schon die ersten Bewohner zu sehen. Aber es wird noch fleißig gebaut zwischen der  Oppenheimstraße, Worringer Straße, der Mevissenstraße, Konrad-Adenauer-Ufer und der Riehler Straße. Hier erstreckt sich das neue die Viva Agippina, dass neue Veedel auf dem ehmaligen Zurich-Gelände. Foto: Arton Krasniqi

In der Nähe des Zoos wird noch gebaut: Zwischen der Oppenheimstraße, Worringer Straße, der Mevissenstraße, Konrad-Adenauer-Ufer und der Riehler Straße erstreckt sich das neue Viertel Viva Agrippina auf dem ehemaligen Zurich-Gelände.

Eine Förderung bedeutet, dass Investoren zinsgünstige Kredite zum Bau dieser Wohnungen erhalten und im Gegenzug für zum Beispiel 25 Jahre eine niedrigere Miete berechnen. Der Zeitraum der Mietpreisbindung einer Wohnung ist also endlich, was passiert dann mit ihnen?

Dann gelten die ganz normalen Marktmechanismen, es erfolgen typischerweise Mietsteigerungen. Viele Investorinnen und Investoren haben genau das einkalkuliert: Dass sie nach Auslauf der Mietbindung die Miete erhöhen, macht das Ganze für sie erst rentabel. Insofern ist das Ende der Bindung Teil des Geschäftsmodells, auch wenn wir als Politik und Verwaltung dagegen arbeiten. Dafür hat das Land im letzten Jahr seine Förderbedingungen schon angepasst. Wir können mit attraktiveren Bedingungen jetzt eine Verlängerung der Mietpreisbindung anbieten.

Wollen Sie mit dem Bindungserwerb steuern können, in welchen Stadtteilen es mehr geförderte Wohnungen geben soll?

Derzeit eignet sich die Förderkulisse des Landes NRW dafür nicht, weil wir de facto allen begründeten Anträgen einen Zuschlag geben, also unabhängig von der Zugehörigkeit zu einem Bezirk oder einem Stadtteil. Aber es ist durchaus ein Ärgernis, dass bei größeren Bauvorhaben geförderte Wohnungen die schlechteren Lagebedingungen erhalten als die frei finanzierten. Wir wollen geförderten Wohnraum in einer gemischten Anordnung haben, sodass Menschen in unterschiedlichen Lebenslagen nahe beieinander leben. Deshalb ist uns als Kommune alles, was eine Konzentration und Einschränkung der Vielfalt darstellt, nicht recht.

Wie soll denn der soziale Wohnungsmarkt in Köln in zehn Jahren aussehen? Auf welches Ziel arbeiten Sie hin? 

Noch auf unverändert 1000 geförderte Wohnungen pro Jahr – aber leider auch wissend, dass damit die absolute Zahl der geförderten Wohnungen zurückgeht. Mein Ziel als Sozialdezernent ist es, auch wenn es derzeit nicht politisch beschlossen ist, dass zumindest die Zahl der aktuell geförderten Wohnungen nicht weiter abfällt, wir also den Bestand geförderter Wohnungen zumindest erhalten. Dieser lag im vergangenen Jahr bei 42.000 Wohnungen. Wir wissen aber alle, wie schnell zehn Jahre im Planen und Bauen vorbeiziehen, deshalb ist das schon ein anspruchsvolles Ziel. Geförderter Wohnungsbau steht in Flächenkonkurrenz zu anderen Bauvorhaben.

Ehemalige Clouth Werke in Köln-Nippes. Baustelle an der Wohnungen entstehen mit Baugerüst an dem ein Banner hängt, das darauf hinweist, dass die Wohnungen öffentlich gefördert sind. *** Former Clouth works in Cologne-Nippes. Construction site where flats are being built with scaffolding on which a banner hangs indicating that the flats are publicly funded. Nordrhein-Westfalen Deutschland, Germany GMS9285

Ehemalige Clouth Werke in Köln-Nippes: Das Banner weist darauf hin, dass die entstehenden Wohnungen öffentlich gefördert sind.

Muss Köln also wachsen?

Mir liegt daran, dass die Lebensqualität für die Menschen wächst, ich will Köln in der Qualität wachsen sehen.

Was heißt das für den Wohnungsbau?

Das Schlagwort „bauen, bauen, bauen“ ist die sehr verkürzte Antwort auf unsere Probleme. Wir können nicht einfach durch mehr Bauaktivität mehr guten Wohnraum und gute Lebensbedingungen schaffen. Aber wir als Gesellschaft tun gut dran, noch mal zu überdenken, wie wir eigentlich leben und wohnen wollen. Und das hat auch mit zahlenmäßigem Wachstum zu tun. Dass in einer Großstadt mit unserer Situation des Flächenmangels keine Einfamilienhäuser mehr passen, hat auch der Rat erkannt und es wird keine großen Neubauvorhaben im Einfamilienhausbereich mehr geben.

Ich stelle mir eine Verdichtung so vor, dass die private Fläche pro Kopf kleiner wird, aber die gemeinsam nutzbare Fläche, der geteilte Raum im Wohnblock, größer. Das kommt dem Anspruch vieler, wenn auch nicht aller, Menschen im urbanen Großstadtleben entgegen, weil die Gemeinschaftskultur und Vielfalt betont werden. Mein Wunsch ist, dass wir in Köln dadurch wachsen.

Das heißt, wer im Eigenheim wohnen will, für den gibt es in Köln keinen Platz mehr?

Wer eine eigene Burg möchte – ein alleinstehendes Haus mit einem hohen Zaun drumherum –, ist in Köln falsch.

Der Rat hat einer Beschlussvorlage der Verwaltung zugestimmt, die Priorisierung von Pflege in Stadtentwicklung und Stadtplanung fordert. Steht das in Konkurrenz dazu, dass bisher bei größeren Bauvorhaben vor allem Kita-Plätze integriert werden sollten?

Der Pflegenotstand wird mit einer solchen Wucht auf uns zukommen, dass es unverantwortlich wäre, den Bereich irgendwie unter ferner liefen laufen zu lassen.

Köln ist zwar eine Schwarmstadt, aber trotzdem ziehen junge Familien weg.

Wir brauchen mehr Wohnungen für viele Gruppen, auch für junge Familien. Einzelne Gruppen zu priorisieren, bedeutet, andere zu beschneiden. Das ist das Problem mit der Priorisierung, sie hört sich toll für die jeweils bedachte Gruppe an, aber eben schlecht für die anderen. Niemand sagt, die jungen Familien sollen raus aus der Stadt, weil wir jetzt die Alten pflegen müssen. Im Gegenteil, die Pflegekräfte, die die Seniorinnen und Senioren pflegen, sind oftmals die Jüngeren.