Streetart in Köln-EhrenfeldKünstler-Duo sprüht politische Botschaften auf Fassaden

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Captain Borderline

Ein Mural an der Vogelsangerstraße von A. Signl

Köln-Ehrenfeld – Streetart gehört zu Ehrenfeld wie der Heliosturm oder das 4711-Gebäude. Ob kleine, mit Kleister angebrachte Plakate - sogenannte Paste-ups - oder großflächige Wandgemälde, die in der Szene Murals genannt werden: Kaum eine Straßenecke im Veedel kommt ohne sie aus, kaum eine Wand bleibt von der Kunst unberührt. Einige Werke stechen aus der Fülle jedoch besonders hervor - nicht nur wegen ihrer Größe, sondern auch, weil sie sich mit gesellschaftlichen und politischen Themen auseinandersetzen.

Manche Bilder treffen da, wo es wehtut

Sie lassen die Passanten innehalten und stutzen, treffen mitunter da, wo es wehtut. Am Ehrenfeldgürtel etwa findet sich ein solches Werk: Das Wandgemälde am Bahndamm zeigt eine umzäunte Schafherde, die von einem Weißkopfseeadler überwacht wird - eine Allegorie auf den Abhörskandal durch die NSA 2013. Hinter dem Mural steckt das Duo „Captain Borderline”, das aus den Künstlern B. Shanti und A. Signl besteht. Die beiden sind in ihren 40ern, ihre bürgerlichen Namen möchten sie in diesem Kontext nicht nennen.

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Ein riesiges Mural des Künstlerduos Captain Borderline an der Glasstraße

Auch Fotos von sich lehnen die zwei ab - nicht sie, sondern ihre Kunst soll im Fokus stehen: „Wir machen das nicht aus Ego-Gründen, sondern um die Leute mit den Bildern abzuholen. Wir versuchen komplexe Zusammenhänge in leicht verständlichen Sinnbildern darzustellen”, erklären die beiden Künstler in ihrem Ehrenfelder Atelier. Hinter den Arbeiten stecken dabei oft wochenlange Recherchen, erreichen wollen sie mit ihrer Kunst sämtliche Alters- und Gesellschaftsgruppen.

Skaten und Sprühen in den 90er-Jahren

Zur Streetart beziehungsweise zur Graffiti-Kunst gekommen sind B.Shanti und A.Signl über die Jugend- und Hip Hop-Kultur der 90er-Jahre: „Tagsüber waren wir mit den Skateboards unterwegs, nachts sind wir dann mit den Sprühdosen losgezogen”, erinnert sich A.Signl an seine Jugend. Zu Beginn des neuen Jahrtausends verließen die beiden dann den Pfad des illegalen Sprühens und setzen ihre Statements seitdem auf Wandflächen um, die ihnen dafür zur Verfügung gestellt werden.

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Das Wandgemälde am Ehrenfeldgürtel ist eine Allegorie auf den Abhörskandal durch die NSA.

Zu Beginn war es ihr Ziel, die Werbetafeln von den Fassaden zu vertreiben und die Flächen für die Kunst zurückzuerobern. Ehrenfeld, so erklären sie es heute, sollte zu dem Kölner Streetart-Viertel werden: „Das war früher auf jeden Fall noch nicht so, wir haben quasi den Startschuss gegeben und waren eine Art Vorreiter”, sagt B.Shanti.

Köln-Ehrenfeld ist das Eldorado der Streetart

Heute ist Ehrenfeld jenes Eldorado der Streetart geworden, das sich die beiden Künstler einst erträumt haben - allerdings blieben dabei gewisse Nebenwirkungen nicht aus. Inzwischen nämlich haben auch große Konzerne mit den nötigen Finanzmitteln das Potenzial der Straßenkunst erkannt, mieten ganze Wandflächen an und werben auf ihnen für ihre neuesten Produkte - mit jener Kunstform, welche die Reklame einst von den Fassaden verdrängen und dem Konsumgeist entgegenwirken sollte: „Dadurch hat sich auch die Bildsprache verändert”, erklären B.Shanti und A.Signl, „es geht verstärkt um die gestalterischen Merkmale, der Inhalt der Gemälde rückt in den Hintergrund.”

Mural über Julian Assange in Berlin 

Wie sehr er dies tut, das mussten die beiden Künstler 2021 feststellen: In Berlin brachten sie ein Gemälde des Enthüllungsjournalisten Julian Assange an die Wand, das ihn ans Kreuz geschlagen inmitten von Überwachungskameras, schwarzen Helikoptern und Soldaten zeigt. Trotz prominenter Stelle in direkter Nähe des Willy-Brandt-Hauses blieb das mediale Interesse an der Arbeit aus: „Früher ist Streetart immer rebellisch gewesen, sie war ein Sprachrohr für Aktivisten, hat den Leuten eine Stimme und Aufmerksamkeit gegeben”, erklärt A.Signl. Das habe sich verändert, der Geist, so sagt er weiter, sei aus der Flasche.

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Das Duo aber wird auch weiterhin ein solches Sprachrohr sein, wird seine Botschaften auch in Zukunft über Wandgemälde verbreiten. Schließlich betrachten sich die beiden Sprüher von „Captain Borderline” nicht nur als Künstler, sondern als „Artivisten” - ihre Arbeiten als Form des Aktivismus, den sie international betreiben.

Ihre Werke finden sich nämlich nicht nur in Deutschland, sondern zum Beispiel auch in Israel und Brasilien. Um Künstler aus verschiedenen Ländern zu unterstützen, haben sie 2010 den Verein „Color Revolution” gegründet, mit dem sie sich für einen interkulturellen Austausch und die Förderung von Kunst im öffentlichen Raum engagieren. Schlussendlich, so sagen die beiden, habe Streetart schließlich „die Kraft, Dinge zu verändern und Revolutionen anzustoßen.”

Dafür aber sind B.Shanti und A.Signl auf freie Wände angewiesen, die sie bemalen können - und auf „mutige” Menschen, die ihnen diese zur Verfügung stellen. 

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